Windhoeks Bücherwinkel: Uncle Spike's book exchange
Der Gründer des Kultgeschäftes war unwissentlich ein Deutscher
Als er die Kundin erblickt öffnet Clifford Yates per Knopfdruck die Gittertür am Ladeneingang. Unter leisem Surren tritt sie ein und steht auch gleich an der Holztheke, über der sie Cliff, wie den Buchhändler die Stammkundschaft nennt, einige Bücher überreicht. Er greift eine Taschenbuchausgabe Bonnie Garmus' „Eine Frage der Chemie" heraus: „So ein gefragtes Buch ist schon etwas Geld wert, ansonsten versuchen wir secondhand-Bücher möglichst bezahlbar zu halten." Danach verschwindet die Kundin zwischen den Bücherregalen und Yates widmet sich dem Rest des Stapels.
So ähnlich hat es wohl auch sein Vater die vergangenen 40 Jahre gemacht. Der 2022 verstorbene George Yates war ein leidenschaftlicher Leser und langjähriger Kunde bei Uncle Spike’s book exchange bevor er das Geschäft übernahm. Doch der Gründer war ein Mann namens Neville Edgar „Spike“ Bauser, der als Sohn deutscher Einwanderer in Südafrika geboren wurde und später seinen Weg ins heutige Namibia fand.
Neville Edgar, der im Buchladen später als „Uncle Spike“ bekannt werden sollte, wurde 1918 in Kimberley geboren vier Jahre nachdem seine Eltern aus Süddeutschland ausgewandert waren. Die deutsche Herkunft verschwieg das Ehepaar Bauser ihren Kindern jedoch und so wuchs Neville Edgar Bauser als englischsprachiger Südafrikaner auf. Nach dem Tod seiner Eltern als er 14 Jahre alt war lebte er bei Verwandten. Im zweiten Weltkrieg kämpfte Neville Edgar Bauser als junger Mann an Seite der alliierten Truppen gegen die Wehrmacht und Erwin Rommel in Nordafrika. Anschließend führte ihn sein Weg nach Südwestafrika. In Windhoek lernte der aufgrund seiner schlanken Figur in der Armee „Spike“ getaufte Südafrikaner die deutsche Marga Nink kennen. Wie das Leben so spielt, heiratete Neville, der die Deutschen Zeit seines Lebens als „Squareheads“ bezeichnete, in eine deutsche Familie ein, die die Beziehung anfangs äußerst skeptisch beäugte. Doch die Jahre vergingen, die deutsch-englische Ehe hielt und der umtriebige „Spike“ eröffnete verschiedenste Geschäfte. Nach einem Cash Store und einer Service Station in Klein Windhoek folgte die Geburtsstunde von „Uncle Spike’s Toy Shop“, einem Spielwarengeschäft im Carl List-Gebäude, das der Vorgänger der heutigen Buchhandlung war. Doch die Bücher brachte anfangs nicht „Uncle Spike“ selbst ins Geschäft sondern die Bekannte Cathy Dreyer, die mit ihm den Laden führte und mit deren Ehemann Spike auf verschiedensten Wegen Geld gewann und verlor. „Doch schon damals hat er mehr gelesen als gearbeitet“, sagt Tochter Diana Ahrens. Vor allem Cowboy-Bücher hätten es dem Freigeist angetan gehabt.
Der Mann, der heute in den Fußstapfen Uncle Spike’s geht, kam über einen anderen Zugang zum Lesen. „Es hatte Raketen auf der Vorderseite, das muss mich irgendwie angesprochen haben“, erinnert sich Clifford Yates an das Buch, das ihn mit 17 aus seinem jugendlichen Leseloch herausholte: „Am nächsten Tag ging ich zu meinem Vater und sagte: Noch eins bitte!“
Sein Vater George sei ein introvertierter Mann gewesen, dem es schwer gefallen sei, mit Menschen zu kommunizieren. „Ich denke, Bücher haben ihn um die Welt gebracht“, sagt Clifford über seinen Vater. Außerdem habe er immer vor dem Einschlafen gelesen. Bücher hätten ihn beruhigt. Als Kunde sei George Yates regelmäßig in Uncle Spike’s Book Exchange durch die Regalreihen geschlendert. Eines Tages kam ihm die Idee den Laden selbst zu kaufen. Er einigte sich mit Veronica Miller auf eine Übergabe , der damaligen Inhaberin, die das Geschäft nach Edgar Neville Bauser und Cathy Dreyer übernommen hatte und die Bücher nur als Nebenprodukt zu einem Buchhaltungsbüro führte. In den kommenden Jahrzehnten sollten Windhoeker Buchfreunde George Yates mit „Uncle Spike“ ansprechen. Fast als sei es ein Ehrentitel hört auch Sohn Clifford heute im Kundenumgang oft auf den Gründernamen, der in geschwungenen Buchstaben an der roten Hauswand neben dem Eingang steht.
Obwohl der ausgebildete Telekommunikationsmitarbeiter den Buchladen ursprünglich für seine Frau gekauft hatte, war es schon bald er selbst, der die meiste Zeit im Geschäft verbrachte. Neben Clifford gab er seine Liebe fürs Lesen währenddessen auch an Cliffords ältere Schwester und an einen weiteren seiner Söhne weiter, der in Südafrika mit Büchern handelt. Dieser Umstand kommt auch dem book exchange in Windhoek zugute. Denn, wie viele Güter in Namibia, kommen Bücher vor allem für den internationalen Markt oft aus Südafrika.
Die Zusammenarbeit mit Freunden und Familie spielt in Clifford Yates Arbeit immer wieder eine Rolle. Als die Coronapandemie mit allen ihren Folgen auch bei Uncle Spike ankam, kooperierte Clifford mit einem Freund, der als Tourismusunternehmer ebenfalls hart von den Isolationsmaßnahmen getroffen wurde, um Bücher an die Haustüren zu liefern. „An dem Tag bevor die Maßnahmen in Kraft traten, war im Laden soviel los, wie nie zuvor“, erinnert sich Clifford daran, wie sich die Menschen vor dem Lockdown mit Lesestoff eindeckten.
Doch das war nicht die einzige Herausforderung die das Geschäft im Besitz der Familie Yates überwinden musste, wie Clifford sagt: „Als direkt nebenan ein Store für VHS-Kassetten eröffnete, sah mein Vater seine Stammkundschaft eine Türe weiter einkaufen.“ Auch als eBookRreader auf den Markt kamen, sei seltener jemand vor der Ladentür gestanden. Doch langfristig kämen die Freunde des Wortes immer wieder zum Buch zurück und somit zu Uncle Spike.
Vielleicht ist es das secondhand-Konzept, vielleicht die günstige Lage, vielleicht aber auch die überraschende Vielfalt, die Bewohner und Besucher Namibias immer wieder in diesen kleinen Eckladen bringt. Denn neben Büchern in englischer und afrikaanser Sprache kommen und gehen in Uncle Spike’s book exchange auch überraschend viel deutsche Werke. Von Broschüren, auf denen noch die D-Mark-Preise stehen, über Karl May-Geschichten in Heftbänden bis zu Chroniken in Sütterlinschrift fällt dem deutschen Leser so einiges ins Auge. Die meisten Stücke bekomme er von Angehörigen gebracht, wenn eine Person stirbt, gibt Clifford Yates mit ein wenig Scham zu. Besonders freut er sich, wenn er Geschichtsbücher in sein Sortiment aufnehmen darf. Weltgeschichte aber auch und vor allem namibische Geschichte sehe er besonders gerne. „Denn ich denke es ist wichtig, dass die Menschen ein Verständnis für die Vergangenheit haben“, so Clifford.
Mit der Tochter des ersten „Uncle Spike“, Diana Ahrens, versteht sich Clifford Yates bis heute sehr gut. Ab und zu schaut die 76-Jährige im Laden vorbei, bringt ein Buch vorbei oder nimmt eins mit. Sie sei froh, dass die Yates das Vermächtnis ihres Vaters fortführen und sei voll und ganz zufrieden damit, wie sie es tun. Clifford Yates ist sich sicher, dass der Buchladen noch bis weit in die Zukunft bestehen wird. Nur wer nach ihm und seinem Vater der neue „Uncle Spike“ wird, dieser Frage ist noch offen.
Neville Edgar, der im Buchladen später als „Uncle Spike“ bekannt werden sollte, wurde 1918 in Kimberley geboren vier Jahre nachdem seine Eltern aus Süddeutschland ausgewandert waren. Die deutsche Herkunft verschwieg das Ehepaar Bauser ihren Kindern jedoch und so wuchs Neville Edgar Bauser als englischsprachiger Südafrikaner auf. Nach dem Tod seiner Eltern als er 14 Jahre alt war lebte er bei Verwandten. Im zweiten Weltkrieg kämpfte Neville Edgar Bauser als junger Mann an Seite der alliierten Truppen gegen die Wehrmacht und Erwin Rommel in Nordafrika. Anschließend führte ihn sein Weg nach Südwestafrika. In Windhoek lernte der aufgrund seiner schlanken Figur in der Armee „Spike“ getaufte Südafrikaner die deutsche Marga Nink kennen. Wie das Leben so spielt, heiratete Neville, der die Deutschen Zeit seines Lebens als „Squareheads“ bezeichnete, in eine deutsche Familie ein, die die Beziehung anfangs äußerst skeptisch beäugte. Doch die Jahre vergingen, die deutsch-englische Ehe hielt und der umtriebige „Spike“ eröffnete verschiedenste Geschäfte. Nach einem Cash Store und einer Service Station in Klein Windhoek folgte die Geburtsstunde von „Uncle Spike’s Toy Shop“, einem Spielwarengeschäft im Carl List-Gebäude, das der Vorgänger der heutigen Buchhandlung war. Doch die Bücher brachte anfangs nicht „Uncle Spike“ selbst ins Geschäft sondern die Bekannte Cathy Dreyer, die mit ihm den Laden führte und mit deren Ehemann Spike auf verschiedensten Wegen Geld gewann und verlor. „Doch schon damals hat er mehr gelesen als gearbeitet“, sagt Tochter Diana Ahrens. Vor allem Cowboy-Bücher hätten es dem Freigeist angetan gehabt.
Der Mann, der heute in den Fußstapfen Uncle Spike’s geht, kam über einen anderen Zugang zum Lesen. „Es hatte Raketen auf der Vorderseite, das muss mich irgendwie angesprochen haben“, erinnert sich Clifford Yates an das Buch, das ihn mit 17 aus seinem jugendlichen Leseloch herausholte: „Am nächsten Tag ging ich zu meinem Vater und sagte: Noch eins bitte!“
Sein Vater George sei ein introvertierter Mann gewesen, dem es schwer gefallen sei, mit Menschen zu kommunizieren. „Ich denke, Bücher haben ihn um die Welt gebracht“, sagt Clifford über seinen Vater. Außerdem habe er immer vor dem Einschlafen gelesen. Bücher hätten ihn beruhigt. Als Kunde sei George Yates regelmäßig in Uncle Spike’s Book Exchange durch die Regalreihen geschlendert. Eines Tages kam ihm die Idee den Laden selbst zu kaufen. Er einigte sich mit Veronica Miller auf eine Übergabe , der damaligen Inhaberin, die das Geschäft nach Edgar Neville Bauser und Cathy Dreyer übernommen hatte und die Bücher nur als Nebenprodukt zu einem Buchhaltungsbüro führte. In den kommenden Jahrzehnten sollten Windhoeker Buchfreunde George Yates mit „Uncle Spike“ ansprechen. Fast als sei es ein Ehrentitel hört auch Sohn Clifford heute im Kundenumgang oft auf den Gründernamen, der in geschwungenen Buchstaben an der roten Hauswand neben dem Eingang steht.
Obwohl der ausgebildete Telekommunikationsmitarbeiter den Buchladen ursprünglich für seine Frau gekauft hatte, war es schon bald er selbst, der die meiste Zeit im Geschäft verbrachte. Neben Clifford gab er seine Liebe fürs Lesen währenddessen auch an Cliffords ältere Schwester und an einen weiteren seiner Söhne weiter, der in Südafrika mit Büchern handelt. Dieser Umstand kommt auch dem book exchange in Windhoek zugute. Denn, wie viele Güter in Namibia, kommen Bücher vor allem für den internationalen Markt oft aus Südafrika.
Die Zusammenarbeit mit Freunden und Familie spielt in Clifford Yates Arbeit immer wieder eine Rolle. Als die Coronapandemie mit allen ihren Folgen auch bei Uncle Spike ankam, kooperierte Clifford mit einem Freund, der als Tourismusunternehmer ebenfalls hart von den Isolationsmaßnahmen getroffen wurde, um Bücher an die Haustüren zu liefern. „An dem Tag bevor die Maßnahmen in Kraft traten, war im Laden soviel los, wie nie zuvor“, erinnert sich Clifford daran, wie sich die Menschen vor dem Lockdown mit Lesestoff eindeckten.
Doch das war nicht die einzige Herausforderung die das Geschäft im Besitz der Familie Yates überwinden musste, wie Clifford sagt: „Als direkt nebenan ein Store für VHS-Kassetten eröffnete, sah mein Vater seine Stammkundschaft eine Türe weiter einkaufen.“ Auch als eBookRreader auf den Markt kamen, sei seltener jemand vor der Ladentür gestanden. Doch langfristig kämen die Freunde des Wortes immer wieder zum Buch zurück und somit zu Uncle Spike.
Vielleicht ist es das secondhand-Konzept, vielleicht die günstige Lage, vielleicht aber auch die überraschende Vielfalt, die Bewohner und Besucher Namibias immer wieder in diesen kleinen Eckladen bringt. Denn neben Büchern in englischer und afrikaanser Sprache kommen und gehen in Uncle Spike’s book exchange auch überraschend viel deutsche Werke. Von Broschüren, auf denen noch die D-Mark-Preise stehen, über Karl May-Geschichten in Heftbänden bis zu Chroniken in Sütterlinschrift fällt dem deutschen Leser so einiges ins Auge. Die meisten Stücke bekomme er von Angehörigen gebracht, wenn eine Person stirbt, gibt Clifford Yates mit ein wenig Scham zu. Besonders freut er sich, wenn er Geschichtsbücher in sein Sortiment aufnehmen darf. Weltgeschichte aber auch und vor allem namibische Geschichte sehe er besonders gerne. „Denn ich denke es ist wichtig, dass die Menschen ein Verständnis für die Vergangenheit haben“, so Clifford.
Mit der Tochter des ersten „Uncle Spike“, Diana Ahrens, versteht sich Clifford Yates bis heute sehr gut. Ab und zu schaut die 76-Jährige im Laden vorbei, bringt ein Buch vorbei oder nimmt eins mit. Sie sei froh, dass die Yates das Vermächtnis ihres Vaters fortführen und sei voll und ganz zufrieden damit, wie sie es tun. Clifford Yates ist sich sicher, dass der Buchladen noch bis weit in die Zukunft bestehen wird. Nur wer nach ihm und seinem Vater der neue „Uncle Spike“ wird, dieser Frage ist noch offen.
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Allgemeine Zeitung
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