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Zwei Protestschreiben – viele Unterschriften

Ein sogenanter Dokumentarfilm des NDR zieht Wellen des Widerspruchs nach sich
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat am 25. September 2023 einen Dokumentarfilm ausgestrahlt, der unter dem Titel „Deutsche Schuld – Namibia und der Völkermord" von einem angereisten NDR-Team in Namibia aufgenommen worden war. Die NDR-Videoreporter haben Namibier verschiedener Sprachen und Herkunft interviewt. Die Produktion ist in der Öffentlichkeit, vor allem unter kundigen Namibiern, schlecht angekommen. Das Forum Deutschsprachiger Namibier (FDN) und ein Kreis der Deutsch-Namibischen Gesellschaft (DNG) in Deutschland haben Protestschreiben, letzteres mit 170 Unterschriften, an den Intendanten des NDR gerichtet. Hier folgt die Stellungnahme des Forums Deutschsprachiger Namibier.
Eberhard Hofmann


Sehr geehrter Herr Knuth,

Das Forum deutschsprachiger Namibier erklärt sich nicht einverstanden mit dem Inhalt – zu dem Stil und der Art der Darstellung äußern wir uns nicht – des oben genannten Films von Sylvia Palmigiano. Gleichzeitig möchten wir uns aber klar dafür aussprechen, dass der Genozid 1904-1908 auch in Deutschland aufgearbeitet wird, dies jedoch in einer Weise, die unter Umständen schon bestehende Vorurteile und Falschinformation weiter verstärkt.

Dieser Film ist voller Fehler, schlecht recherchiert und in vieler Hinsicht missverständlich, obwohl das Filmteam die Fakten problemlos hätte korrekt in Erfahrung bringen können. Es sind gerade diese Nachlässigkeiten – gewollt oder ungewollt – die Namibia als Land, seine Geschichte und seine Einwohner in ein völlig falsches Licht rücken. Hier einige Beispiele, die wir herausgegriffen haben –

Falsches Licht

Die Alte Feste war kein Konzentrationslager, sondern eine Kaserne für Schutztruppen-Soldaten. Das wird von der Interviewpartnerin Naita Hishoono richtig beschrieben, von der Moderatorin aber dennoch falsch wiederholt („Ort des Grauens“).

Frau Hishoono ist keine Nachfahrin der Ovaherero/Mbanderu Opfergemeinschaft, was der Film als Information unterschlägt. Sie spricht so gut deutsch, weil sie in der DDR aufgewachsen ist. Ihre Deutschsprachigkeit hat also mit der deutschen Kolonialzeit nichts zu tun, auch wenn sich der Eindruck einem uninformierten Zuschauer aufdrängen muss.

„Kolonialisten auf der Suche nach Diamanten, Uran und Zink...“ da es zu dieser Zeit weder Kernkraftwerke noch Atomwaffen gab, ist es unwahr, dass nach Uran gesucht wurde. Es wurde zufällig 1910 entdeckt, und erst in den 1960ger Jahren abgebaut. Auch die Entdeckung der Diamanten geschah zufällig.

„Der Ausverkauf eines ganzen Landes beginnt“ ist falsch, weil große Teile Südwestafrikas nur am Rande vom Kolonialismus betroffen waren. Auch heißt es, die Vertreibung der Ovaherero in die Omaheke habe 1908 stattgefunden. Sie geschah aber schon 1904.

Katutura wurde nicht von der Kolonialregierung als Wohnort für schwarze Namibier gebaut, was als Information unterschlagen wird. Die Umsiedlung der schwarzen Einwohner Windhoeks dorthin fand 1959 durch die südafrikanische Apartheidsregierung statt. Letztere wird aber in dem ganzen Film kaum erwähnt, obwohl sie nach

Ende der deutschen Kolonialzeit immerhin 70 Jahre südafrikanischer Herrschaft bedeutete, die zu Widerstandskampf, Anschlägen, einem Grenzkrieg mit Angola und einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und Ostblockländern führte.

Ignoranz in der Landaufteilung

In Katutura leben nicht ausschließlich schwarze Namibier, wie es in dem Film heißt. Es wohnen dort vorwiegend Ärmere, und die finden sich durchaus auch in anderen Bevölkerungsgruppen – wenn auch nicht zahlreich. Wohlhabendere Schwarze wohnen selbstverständlich auch in allen anderen Vororten Windhoeks, aber das wird

nicht genannt. Es heißt sogar „ich finde es ungerecht, wenn Menschen nicht entscheiden können, wo sie leben“ – was in Namibia genauso unrichtig ist, wie in Deutschland.

Mehrmals kommt die Fehlinformation auf, dass „70% des Landes weißen Menschen gehört“. Da sicherlich Nationalparks und städtisches Gebiet nicht gemeint sind, soll es sich hierbei wohl um landwirtschaftliche Nutzfläche handeln. Die Fakten sehen anders aus – auch weil sich die namibische Regierung nach Kräften bemüht, Farmland nach Recht und Gesetz umzuverteilen. Hier folgen verifizierbare Angaben der Namibia Agricultural Union (NAU), Namibischer Landwirtschaftsverband: 68,7 Millionen Hektar Land können landwirtschaftlich genutzt werden. Davon entfallen 44% auf kommunales – also gemeinschaftlich genutztes – Land für Subsistenzfarmer und 46% auf privates landwirtschaftlich genutztes Land. 40% liegen noch in den Händen der weißen Einwohner, wobei in der Statistik nicht aufgeschlüsselt ist, welche Farmer deutsch, englisch oder afrikaanssprachig sind. Man könnte also von ca. 15-20% des kommerziellen Farmlandes sprechen, das derzeit in den Händen Deutschsprachiger liegt, und käme damit der Wahrheit ziemlich nahe. Dies sind schwerwiegende Fehler. Und wir unterstellen eine Absicht.

Seit 33 Jahren schwarze Regierung

Aminata Belli spricht von der „weißen Elite“, die einen europäischen Lebensstandard pflegt. Das stimmt zu großen Teilen, ignoriert aber, dass die schwarze Elite genau den gleichen Lebensstandard pflegt. Wenn man der Moderatorin zuhört und nichts über Namibia weiß muss man annehmen, dass das Land nach wie vor von Weißen

regiert wird und dass es weder eine schwarze Elite noch einen schwarzen Mittelstand gibt. Dies wird unterstrichen durch den Satz „Gerechtigkeit und Freiheit sind für Schwarze in Namibia nicht selbstverständlich“. Das ist schlicht unwahr. Namibia wird seit 33 Jahren von einer schwarzen Regierung geführt, der man sicherlich nicht unterstellen kann, die Kolonialzeit wiederbelebt zu haben.

Es ist nicht unrichtig, dass die namibische Bevölkerung mehrheitlich in Armut lebt. Nur liegen die Ursachen zu einem großen Teil außerhalb der Kolonialzeit. Außer unter den Ovaherero/Mbanderu und Nama ist Armut auch in anderen schwarzen Communities zu finden, die der Kolonialherrschaft nicht direkt unterstanden.

Der Film verpasst die Chance, über die „Gemeinsame Erklärung“ zu informieren, in der sich die namibische und die deutsche Regierung vorläufig geeinigt haben, eine Wiedergutmachung an die Nachfahren der Opfergemeinschaften zu leisten. Es ist eine offizielle Entschuldigung vorgesehen und Infrastruktur zur Verbesserung der Lebensumstände. Ferner soll für die Nachfahren der Opfergemeinschaften Land erworben werden, um mehr Ovaherero/Mbanderu und Nama Landbesitz zu ermöglichen. Der Hinweis auf diese gemeinsame Erklärung hätte nach dem Gespräch mit der Ovaherero-Schmuckverkäuferin gut gepasst. Die Chance wurde vertan.

NDR-Scheu vor Gesprächspartnern

Wir wissen von mehreren Personen, die sich bereit erklärt hatten, als Gesprächspartner zu dienen, in dem Film aber nicht vorkamen und auch nicht genannt wurden. Die Aussage, dass niemand offen mit dem Filmteam sprechen wollte, ist daher ebenfalls unwahr.

Der vielleicht beste Satz kam von Jugenddiakon Markus Lägel, der meinte „ich versuche, auf den Reflex zu verzichten, dass ich von außen sofort weiß, wie es hier eigentlich besser wäre“. Die so geübte Kritik an den suggestiven Fragen der Moderatorin wurde allerdings ignoriert.

Vielleicht hat es sich herumgesprochen, dass auch die Interviewpartner/innen mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Imke Rust (wie auch Naita Hishoono, eine hoch angesehene Persönlichkeit in Namibia, auch außerhalb der deutschsprachigen Community) berichtet, dass vorher getroffene Absprachen nicht eingehalten und Aussagen

vorgegeben wurden („findest Du nicht auch...“)

Das Ergebnis ist ein Film, der eines Norddeutschen Rundfunks und der ARD unwürdig ist.

Das Forum Deutschsprachiger Namibier möchte Sie bitten, diesen Film aus der Mediathek zu entfernen und ihn auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht wieder zu senden.

Harald Hecht: Vorsitzender

Benita Herma: Vize-Vorsitzende

Windhoek, 22. Oktober 2023

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Kommentar

Varde Daniel Vor 1 Jahr 06 November 2023

Vielen Dank für eurer Richtigstellung.Ich habe den Beitrag auch gesehen und mich auch gewundert über die tendenziöse Darstellung.Bleibt bitte bei eurem faktenbasierten und transparenten Bemühen um Ausgleich und Verständigung. Viel Erfolg. Peter Laubenstein

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