Grüner Wasserstoff – Realität oder Phantasie?

Dreiteiliger Gastbeitrag von Bertchen Kohrs, Earthlife NamibiaEine weltweite Wasserstoffeuphorie ist ausgebrochen, auch in Namibia. Der Champagner der Energiewende – so wird der grüne Wasserstoff (GH2) gerne von Enthusiasten genannt, weil er rar, kostbar und teuer ist. Andere nennen ihn die Wunderwaffe für die Entkarbonisierung unseres Planeten, den Retter des Klimas. GH2 wird auch als der Energieträger genannt, der eine neue industrielle Revolution einleitet. Wissenschaftler warnen, eine Wunderlösung für die Klimaprobleme sei GH2 nicht. Was ist GH2 eigentlich? Wasserstoff (H2) ist das leichteste Element im Perioden System. Aus erneuerbaren Quellen hergestellt, eignet er sich zur Energiespeicherung, der in Treibstoff umgewandelt werden und fossile Brennstoffe ersetzen kann. Unter normalen Umständen nimmt H2 zu viel Platz ein, um sich als Treibstoff zu eignen. Man kann ihn jedoch unter Druck stark komprimieren. Bei etwa 700-fachen Atmosphärendruck kommt H2 auf eine Energiedichte von ungefähr 1,5 kWh pro Liter; das ist etwa ein Neuntel der Energiedichte von Benzin. H2 ist ein farbloses Gas. Um die ökologischen Konsequenzen von der Herstellung und Verwendung von H2 zu klassifizieren, gibt es eine Wasserstoff-Farbskala. Der bisher meist genutzte ist der graue Wasserstoff, der unter Emissionen von CO2 aus Erdgas oder Kohle hergestellt wird. (Anscheinend importiert Namibia jährlich etwa 40 Tonnen klimaschaedlichen grauen Wasserstoff von Sasol aus Südafrika.) Der blaue Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas oder Kohle hergestellt, wobei entstehender CO2 durch „Carbon Capture and Storage“ in der Erde gelagert wird. Weiterhin gibt es den pinken Wasserstoff, der mit Energie aus Atomkraft gewonnen wird, ebenso eine sehr fragwürdige Methode. Weiß wird der in der Natur auftretende H2 genannt. Forschungen laufen auf Hochtouren, ihn sicher und kostengünstig zu fördern. Hier steht der grüne Wasserstoff zur Debatte, der klimafreundlich aus 100 Prozent erneuerbaren Energien gewonnen werden soll. Wie umwelt- und klimafreundlich der H2 wirklich ist, hängt also stark davon ab, wie er hergestellt wird, und wie der Strom, aus dem er gewonnen wird, hergestellt wird. Es wird klimagefährlich, wenn das Prinzip hintergangen und andere Wasserstoffe untergemogelt werden. Namibia möchte einen Beitrag zur Lösung der globalen Klimakrise leisten und gleichzeitig der namibischen Bevölkerung einen gewissen Wohlstand ermöglichen. Namibia hat nach 33 Jahren Unabhängigkeit immer noch den zweithöchsten Gini-Koeffizienten von 59,1 (ein statistischer Maßstab für die Einkommensverteilung einer Bevölkerung, null bedeutet vollkommene Gleichheit). Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 50 Prozent. Bis 2030 will Namibia die nationalen CO2 Emissionen um 90 Prozent verringert und sich vom teuren Stromimport aus Nachbarländern unabhängig gemacht haben. Mit der Herstellung von GH2 sieht Namibia neue Chancen für seine bislang bescheidene Wirtschaft. Die Regierung hofft, Namibia zu einem der bedeutendsten Standorte für die GH2 Produktion zu machen. Bergbauminister Tom Alweendo sagte in einem Interview „Da sich die Welt auf dem Weg zu einer Netto-Null-Emission bis 2050 befindet, bieten Namibias enorme natürliche Ressourcen an erneuerbarer Energie eine einzigartige Gelegenheit, die Energie der Zukunft zu erzeugen – grünen Wasserstoff. Unsere bisherige Zusammenarbeit mit Hyphen hat bewiesen, dass bessere Ergebnisse garantiert sind, wenn Partner an einer gemeinsamen Vision arbeiten. Für uns ist die Zeit der Planung vorbei, jetzt geht es an die Umsetzung. Wir haben jetzt eine klare Chance, als kontinentales Zentrum für die Produktion von grünem Wasserstoff ganz vorne mit dabei zu sein.“ Im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens wurden 4 000 km2 Land im Tsau //Khaeb (Sperrgebiet)-Nationalpark – früher das Diamanten-Sperrgebiet –, für das Mammutprojekt zugeteilt; internationale und regionale Anbieter haben sich beworben. Ein Green Hydrogen Council wurde gegründet und mit Übereinstimmung des Kabinetts wurde Hyphen Hydrogen Energy (Hyphen) im November 2021 als bevorzugter Bieter für das Projekt ausgewählt. Hyphen ist ein Konsortium von Enertrag, eine in Brandenburg ansässige deutsche Firma, und (dem England-stämmigen – Anm. der Red.) Nicholas Holding, ein Infrastrukturinvestor in Sub-Sahara. Vermutlich wird das Projekt demnächst endgültig an Hyphen vergeben werden. Die Produktion wird mit 300 000 Tonnen GH2 und 1,7 Mio. Tonnen Ammoniak pro Jahr veranschlagt, die aus 5-6 GW erneuerbarer Energie erzeugt werden sollen, wovon 3 GW in Elektrolyseuren verwendet werden.Laut Regierungsangaben belaufen sich die Gesamtinvestitionen auf 10 Mrd. US-Dollar, was etwa dem namibischen Bruttoinlandsprodukt entspricht. Manche bezeichnen die Pläne als einen ökonomischen Tsunami für Namibia. Im März 2022 wurde ein Kooperationsabkommen zwischen Minister Tom Alweendo und dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Gebiet der Wasserstoffindustrie unterzeichnet. Im November 2022 unterzeichneten die Präsidentin der Europäischen Union, Ursula von der Leyen, und der Präsident Namibias, Hage Geingob, auf der COP27 in Ägypten eine Absichtserklärung über die Gründung einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Namibia in Hinsicht auf nachhaltige Rohstoffe und erneuerbaren Wasserstoff. Präsident Hage Geingob hat beim Besuch Habecks im Dezember 2022 eine Absichtserklaerung über die Lieferung von GH2 nach Deutschland unterzeichnet. „Es gibt kaum einen besseren Ort weltweit, um mit Hilfe von Wind- und Solarenergie GH2 herzustellen“, so Habeck auf einer Pressekonferenz. Es sagte ferner, dass die Verhandlungen auf Augenhöhe und respektvoll geschehen werden und nicht wie in alten Zeiten „Top-down“.

Grüner Wasserstoff – Realität oder Phantasie?

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-25

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