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Auf Kupfersuche in Lüderitzland

Erlebnisse des Bergmannes Robert Baer 1884-1885
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jahrige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurzentschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
2. Folge

Von Angra Pequena zu Lüderitzland – die Vorgeschichte (Teil 1/4)

„Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen, es mit den Ergebnissen unseres Ringens und Strebens befruchten, die edelsten, gottähnlichen Kinder zeugen und erziehen: wir wollen es besser machen als die Spanier, denen die neue Welt ein pfäffisches Schlächterhaus, anders als die Engländer, denen sie ein Krämerladen wurde. Wir wollen es deutsch und herrlich machen: von Aufgang bis zum Niedergang soll die Sonne ein schönes, freies Deutschland sehen und an den Grenzen der Tochterlande soll, wie an denen des Mutterlandes, kein zertretenes, unfreies Volk wohnen, die Strahlen deutscher Freiheit und deutscher Milde sollen den Kosaken und Franzosen, den Buschmann und Chinesen erwärmen und verklären.“

Diese Worte, die nach heutigem Empfinden eher pathetisch-nationalistisch klingen und wohl kaum die Kriterien der „political correctness“ erfüllen würden, obwohl sie andererseits auch den Gedanken der Freiheit als „globalen deutschen Exportartikel“ zum Ausdruck bringen, stammen von keinem geringeren als Richard Wagner. Der königlich-sächsische Kapellmeister war ein glühender Anhänger der freiheitlich-patriotischen Aufbruchsbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die in der Revolution von 1848/49 gipfelte. Neben der Forderung nach Menschen- und Freiheitsrechten sowie der demokratischen Beteiligung am politischen Entscheidungsprozess hatte man vor allem den Traum von einem deutschen Nationalstaat mit Überwindung der Partikularinteressen der deutschen Fürsten. Deren Staaten besaßen de facto Souveränität und waren lediglich in einem lockeren Staatenbund, dem Deutschen Bund, zusammengefasst. Ein geeintes Deutschland sollte sich nach Vorstellung des liberalen Bürgertums selbstverständlich auch an der unter den europäischen Großmächten fortschreitenden kolonialen Aufteilung der Welt beteiligen.

Das Projekt eines deutschen Nationalstaates ist 1848/49 zwar zunächst gescheitert, die „koloniale Bewegung“ blieb dennoch ungebrochen.

Der im Gegensatz zu Amerika und Asien noch wenig erforschte afrikanische Kontinent geriet dabei immer mehr in den Blickpunkt des Interesses einer breiten Öffentlichkeit. Deutsche Forscher wie Heinrich Barth, Gerhard Rohlfs, Gustav Nachtigal, Franz Stuhlmann Georg Schweinfurth oder der in türkischen Diensten stehende Eduard Schnitzer, der sich selbst Emin Pascha nannte, hatten großen Anteil an der Erkundung des „Schwarzen Kontinents“.

Kolonialbefürworter

Gegen Ende der 70-er Jahre verschärfte sich die kolonialpoltische Diskussion, zumal mit der Reichsgründung 1871 die Hoffnungen und Chancen, koloniale Ideen in die Tat umzusetzen, gestiegen waren. Auch in der Presse fand die Kolonialbewegung immer mehr Gehör. Treibende Kraft waren neben den exponierten Kolonialbefürwortern wie Friedrich Fabri, Wilhelm Hübbe-Schleiden und Ernst von Weber norddeutsche Kaufleute, die an der afrikanischen Küste Handel trieben, sich aber durch die Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich, Belgien und Portugal bedroht fühlten. Einer von ihnen war der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz, der in besonderer Weise Privatinitiative und unternehmerische Risikobereitschaft in Verbindung mit patriotischem Sendungsbewusstsein verkörperte.

Besucht man in der kleinen namibischen Hafenstadt Lüderitzbucht (früher Angra Pequena) die Haifischinsel, so trifft man auf zwei Gedenktafeln, die an den Namensgeber Adolf Lüderitz und seinen Bevollmächtigten Heinrich Vogelsang erinnern. Der von Vogelsang am 1. Mai 1883 mit dem Nama-Kapitän Joseph Fredericks geschlossene Kaufvertrag, mit dem die Firma F.A.E. Lüderitz Angra Pequena erwarb, gilt vielen als die „Geburtsurkunde“ des späteren Deutschen Schutzgebietes Südwestafrika, obwohl bis dahin noch einige Hindernisse zu überwinden waren.

Als Otto von Bismarck Anfang der 1880er Jahre zur Finanzierung seiner beabsichtigten Sozialgesetzgebung die Einführung eines staatlichen Tabakmonopols anstrebte, war dies für Lüderitz der Anstoß, sich nach anderen Handelsfeldern umzuschauen. Er beteiligte sich an zwei Handelsniederlassungen an der westafrikanischen Goldküste und erwarb drei Seeschiffe. Einen weiteren Impuls erhielt sein Afrika-Engagement, als er den erst 20 Jahre alten Heinrich Vogelsang kennen lernte. Vogelsang, Sohn eines Bremer Tabak- und Zigarrenfabrikanten, hatte bereits erste Erfahrungen in Süd- und in Westafrika gesammelt. Er war voller Ehrgeiz und Tatendrang und besaß, wie sich herausstellen sollte, Mut, aber auch Verhandlungsgeschick und Talent zur Menschenführung. Zur selben Zeit bewarb sich ein Kapitän namens Karl Timpe um eine Anstellung bei der Lüderitzschen Firma. Timpe wies Lüderitz erstmals auf die südwestafrikanische Küste hin, die noch von keiner europäischen Macht in Besitz genommen sei. Schnell waren Lüderitz und Vogelsang von der Idee begeistert, dort nicht nur eine Faktorei aufzubauen, sondern die Grundlagen für eine deutsche Kolonie zu schaffen. Lüderitz kaufte die 260 Tonnen große Brigg Tilly, mit der Vogelsang als sein Bevollmächtigter, begleitet von den Firmenangestellten Franke und Carl August Wagner, im Januar 1883 in Kapstadt eintraf. Sein Auftrag war, in der Zielregion einen sicheren Hafen ausfindig zu machen, wobei man bereits in dieser frühen Planungsphase eine Region nördlich des Oranje zwischen 26° und 29° südlicher Breite ins Auge gefasst hatte. An Land sollten dann Handelsstationen gegründet und von den eingeborenen Häuptlingen möglichst viel Land erworben werden. An Bord der Tilly führte man neben den üblichen Handelsgütern eine große Zahl von Waffen und Munition mit.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-07

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