Auf Kupfersuche in Lüderitzland
Die Angra Pequena-Expedition
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
7. Folge
Robert Julius Baer (Teil 1/2)
Es war im Sommer 1884, als Robert Julius Baer, ein Absolvent der Freiberger Bergschule, das Angebot erhielt, als Mitarbeiter von Direktor Pohle an der Expedition teilzunehmen. Der 23-jährige Robert war in einer Familie aufgewachsen, die tief im Bergbau des Plauenschen Grundes und seinen Traditionen verwurzelt war. In diesem ca. 60 qkm großen Steinkohlenrevier, im Weißeritztal südwestlich von Dresden gelegen, wurde bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts Bergbau betrieben. Durch die fortschreitende Industrialisierung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg der Bedarf an Steinkohle. Die Förderung nahm ständig zu und wurde durch fortschreitenden Einsatz von Maschinen immer effektiver gestaltet. Dennoch blieb die Arbeitskraft des Bergmannes unter Tage der wesentliche Produktionsfaktor. Große wirtschaftliche Bedeutung erlangten das königliche Steinkohlenwerk Zuckerode und die Steinkohlen- und Eisenwerke des Freiherrn Dathe von Burgk. Dies führte zu einem entsprechenden Bevölkerungswachstum der Gemeinden Potschappel, Döhlen und Burgk, da die Montanindustrie zum vorrangigen Arbeitgeber wurde. So beschäftigten die Freiherrlich von Burgker Steinkohlenwerke im Jahre 1883 bereits 1 077 Arbeiter und 50 Bergwerksbeamte.
Geboren am 4. Februar 1861 in Potschappel wohnte Robert Baer (damals noch Bär geschrieben) 1884 mit seinen Eltern und den Brüdern Ernst, Walter und Otto in Döhlen, heute wie sein Geburtsort ein Stadtteil von Freital. Der Vater, Karl Leberecht Bär, war ebenfalls Bergmann und übte im Range eines Untersteigers die Funktion eines Kohlenschreibers aus. Die Familie war im Vereinsleben integriert, man liebte die Musik, Robert selbst war ein guter Klavierspieler, Bruder Ernst ließ sich zum Sänger ausbilden. Robert hatte bis zum 12. Lebensjahr die zweite Bürgerschule in Dresden besucht und wurde in der Residenzstadt zwei weitere Jahre in der Lehr- und Erziehungsanstalt von L. Kaden auf die Aufnahme in das königliche Lehrerseminar zu Pirna vorbereitet. Als der 14-Jährige diese Ausbildung begann, war ihm ein Berufsweg als Volksschullehrer vorgezeichnet. Aus welchen Gründen er das Lehrerseminar nach zwei Jahren verließ und stattdessen Bergmann wurde, ist nicht sicher bekannt. In seinem späteren Aufnahmegesuch zur Bergschule Freiberg schreibt er, dass ihm „das längere Verweilen am Lehrerseminar vom Arzte aus gesundheitlichen Gründen abgeraten wurde“. Diese Begründung ist nur schwer nachvollziehbar.
Nur wenige Berufe sind körperlich so belastend und gefährlich wie der des Bergmannes. Trotz einer in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits fortgeschrittenen Entwicklung der Knappschaftlichen Versicherung und einer verbesserten medizinischen Versorgung der Bergleute war der körperliche Verschleiß durch die dem Bergmannsberuf eigenen Arbeitsverhältnisse mit Schwerstarbeit unter Tage bei Kälte, Hitze und Nässe besonders groß. Neben der im Kohlebergbau häufig vorkommenden Staublungenerkrankung (Silikose) bereiteten vor allem weitere Erkrankungen der Atemwege wie Bronchitis, Asthma und insbesondere das Lungenemphysem große gesundheitliche Probleme. Darüber hinaus führte die hohe körperliche Belastung, oft in gebückter Haltung, zu Gelenkrheumatismus und anderen degenerativen Erkrankungen des Skelettsystems. Alle diese gesundheitlichen Schäden hatten zur Folge, dass die Mehrzahl der Bergleute, die ihre Arbeit unter Tage vor dem 20. Lebensjahr aufgenommen hatten, zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr wie es hieß „bergfertig“ waren; d. h. sie waren nicht mehr in der Lage nennenswerte körperliche Arbeit zu leisten und waren pensionsreif. Dies galt vor allem für die einfachen Bergarbeiter, wie z. B. die Hauer. Aber auch das in den Gruben eingesetzte Aufsichtspersonal, die Steiger und Obersteiger waren den dort herrschenden extremen Umweltbelastungen ausgesetzt, die, wenn auch etwas später als bei den Bergarbeitern, ihren Tribut forderten. Auch das Risiko Unfälle zu erleiden war gegenüber anderen Berufen deutlich erhöht. Die akribisch geführte Unfallstatistik für den sächsischen Steinkohlenbergbau belegt für die Jahre 1873–78 286 Unfälle mit 292 tödlichen Verletzungen, d. h. statistisch 2,897 tödliche Unfälle pro tausend Mann. Schlagwetterexplosionen, Gesteinsbrüche und Erstickungen waren die häufigsten Ursachen.
Es dürften daher wohl kaum physisch-medizinische Gründe gewesen sein, die mit dem von Robert erwähnten ärztlichen Attest zum Verlassen des Lehrerseminars geführt hatten, zumal er sich später sowohl in seinem Beruf als auch während der Afrikaexpedition als robust und körperlich belastbar erwies. Vielleicht kam der 16-Jährige im Seminar nicht mehr zurecht, oder er fühlte sich für den Lehrerberuf doch weniger geeignet. Sicherlich spielte das väterliche Vorbild, aber auch dessen Wille und Einfluss beim Wechsel der Berufswahl eine große Rolle; die genauen Hintergründe sind in der Familie nicht überliefert. Das soziale Umfeld war bergmännisch geprägt und die von ihm angestrebte Stellung eines Steigers genoss hohes Ansehen, Voraussetzungen, die für die Entscheidung möglicherweise ausschlaggebend waren. Man war stolz darauf, Bergmann zu sein und schätzte die in der Knappschaft gepflegte Kameradschaft. Jedenfalls scheute Robert die Anstrengungen und Gefahren, die mit seiner Berufswahl verbunden waren, nicht und begann im Frühjahr 1877 seine bergmännische Ausbildung in der Aufbereitungswerkstätte der Grube „Himmelfahrt-Fundgrube“ zu Freiberg. Nach der geforderten einjährigen praktischen Tätigkeit als Bergarbeiter, bei der er bald auch unter Tage als Zimmerling und als Bohrhauer eingesetzt war, bewarb er sich am 1. Juni 1878 um die Zulassung zur Aufnahmeprüfung an der Bergschule in Freiberg/Sachsen.
Robert Julius Baer (Teil 1/2)
Es war im Sommer 1884, als Robert Julius Baer, ein Absolvent der Freiberger Bergschule, das Angebot erhielt, als Mitarbeiter von Direktor Pohle an der Expedition teilzunehmen. Der 23-jährige Robert war in einer Familie aufgewachsen, die tief im Bergbau des Plauenschen Grundes und seinen Traditionen verwurzelt war. In diesem ca. 60 qkm großen Steinkohlenrevier, im Weißeritztal südwestlich von Dresden gelegen, wurde bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts Bergbau betrieben. Durch die fortschreitende Industrialisierung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg der Bedarf an Steinkohle. Die Förderung nahm ständig zu und wurde durch fortschreitenden Einsatz von Maschinen immer effektiver gestaltet. Dennoch blieb die Arbeitskraft des Bergmannes unter Tage der wesentliche Produktionsfaktor. Große wirtschaftliche Bedeutung erlangten das königliche Steinkohlenwerk Zuckerode und die Steinkohlen- und Eisenwerke des Freiherrn Dathe von Burgk. Dies führte zu einem entsprechenden Bevölkerungswachstum der Gemeinden Potschappel, Döhlen und Burgk, da die Montanindustrie zum vorrangigen Arbeitgeber wurde. So beschäftigten die Freiherrlich von Burgker Steinkohlenwerke im Jahre 1883 bereits 1 077 Arbeiter und 50 Bergwerksbeamte.
Geboren am 4. Februar 1861 in Potschappel wohnte Robert Baer (damals noch Bär geschrieben) 1884 mit seinen Eltern und den Brüdern Ernst, Walter und Otto in Döhlen, heute wie sein Geburtsort ein Stadtteil von Freital. Der Vater, Karl Leberecht Bär, war ebenfalls Bergmann und übte im Range eines Untersteigers die Funktion eines Kohlenschreibers aus. Die Familie war im Vereinsleben integriert, man liebte die Musik, Robert selbst war ein guter Klavierspieler, Bruder Ernst ließ sich zum Sänger ausbilden. Robert hatte bis zum 12. Lebensjahr die zweite Bürgerschule in Dresden besucht und wurde in der Residenzstadt zwei weitere Jahre in der Lehr- und Erziehungsanstalt von L. Kaden auf die Aufnahme in das königliche Lehrerseminar zu Pirna vorbereitet. Als der 14-Jährige diese Ausbildung begann, war ihm ein Berufsweg als Volksschullehrer vorgezeichnet. Aus welchen Gründen er das Lehrerseminar nach zwei Jahren verließ und stattdessen Bergmann wurde, ist nicht sicher bekannt. In seinem späteren Aufnahmegesuch zur Bergschule Freiberg schreibt er, dass ihm „das längere Verweilen am Lehrerseminar vom Arzte aus gesundheitlichen Gründen abgeraten wurde“. Diese Begründung ist nur schwer nachvollziehbar.
Nur wenige Berufe sind körperlich so belastend und gefährlich wie der des Bergmannes. Trotz einer in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits fortgeschrittenen Entwicklung der Knappschaftlichen Versicherung und einer verbesserten medizinischen Versorgung der Bergleute war der körperliche Verschleiß durch die dem Bergmannsberuf eigenen Arbeitsverhältnisse mit Schwerstarbeit unter Tage bei Kälte, Hitze und Nässe besonders groß. Neben der im Kohlebergbau häufig vorkommenden Staublungenerkrankung (Silikose) bereiteten vor allem weitere Erkrankungen der Atemwege wie Bronchitis, Asthma und insbesondere das Lungenemphysem große gesundheitliche Probleme. Darüber hinaus führte die hohe körperliche Belastung, oft in gebückter Haltung, zu Gelenkrheumatismus und anderen degenerativen Erkrankungen des Skelettsystems. Alle diese gesundheitlichen Schäden hatten zur Folge, dass die Mehrzahl der Bergleute, die ihre Arbeit unter Tage vor dem 20. Lebensjahr aufgenommen hatten, zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr wie es hieß „bergfertig“ waren; d. h. sie waren nicht mehr in der Lage nennenswerte körperliche Arbeit zu leisten und waren pensionsreif. Dies galt vor allem für die einfachen Bergarbeiter, wie z. B. die Hauer. Aber auch das in den Gruben eingesetzte Aufsichtspersonal, die Steiger und Obersteiger waren den dort herrschenden extremen Umweltbelastungen ausgesetzt, die, wenn auch etwas später als bei den Bergarbeitern, ihren Tribut forderten. Auch das Risiko Unfälle zu erleiden war gegenüber anderen Berufen deutlich erhöht. Die akribisch geführte Unfallstatistik für den sächsischen Steinkohlenbergbau belegt für die Jahre 1873–78 286 Unfälle mit 292 tödlichen Verletzungen, d. h. statistisch 2,897 tödliche Unfälle pro tausend Mann. Schlagwetterexplosionen, Gesteinsbrüche und Erstickungen waren die häufigsten Ursachen.
Es dürften daher wohl kaum physisch-medizinische Gründe gewesen sein, die mit dem von Robert erwähnten ärztlichen Attest zum Verlassen des Lehrerseminars geführt hatten, zumal er sich später sowohl in seinem Beruf als auch während der Afrikaexpedition als robust und körperlich belastbar erwies. Vielleicht kam der 16-Jährige im Seminar nicht mehr zurecht, oder er fühlte sich für den Lehrerberuf doch weniger geeignet. Sicherlich spielte das väterliche Vorbild, aber auch dessen Wille und Einfluss beim Wechsel der Berufswahl eine große Rolle; die genauen Hintergründe sind in der Familie nicht überliefert. Das soziale Umfeld war bergmännisch geprägt und die von ihm angestrebte Stellung eines Steigers genoss hohes Ansehen, Voraussetzungen, die für die Entscheidung möglicherweise ausschlaggebend waren. Man war stolz darauf, Bergmann zu sein und schätzte die in der Knappschaft gepflegte Kameradschaft. Jedenfalls scheute Robert die Anstrengungen und Gefahren, die mit seiner Berufswahl verbunden waren, nicht und begann im Frühjahr 1877 seine bergmännische Ausbildung in der Aufbereitungswerkstätte der Grube „Himmelfahrt-Fundgrube“ zu Freiberg. Nach der geforderten einjährigen praktischen Tätigkeit als Bergarbeiter, bei der er bald auch unter Tage als Zimmerling und als Bohrhauer eingesetzt war, bewarb er sich am 1. Juni 1878 um die Zulassung zur Aufnahmeprüfung an der Bergschule in Freiberg/Sachsen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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