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Dampfer, wie er für die Überfahrt gebraucht wurde
Dampfer, wie er für die Überfahrt gebraucht wurde

Auf Kupfersuche in Lüderitzland

Die Angra Pequena-Expedition
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
9. Folge

Abschied – Großer Bahnhof in Potschappel

Am Dienstag, den 19. August 1884, war es so weit. Für Robert war der Tag der Abreise und des Abschiedes von der Heimat, von seiner Familie, seinen Freunden, Bekannten und Kollegen gekommen. Bereits um 11 Uhr waren fünf weitere Expeditionsteilnehmer, die Freiberger Bergleute Franz Barth, Gustav Dachselt, Friedrich Glöditzsch, Wilhelm Klaute und Emil Rau auf dem Bahnhof in Potschappel eingetroffen. Von dort sollte es über Dresden und Berlin nach Hamburg gehen, von wo die Schiffsreise mit einer Zwischenstation in Southampton zunächst bis nach Kapstadt vorgesehen war. Robert erhielt einen „großen Abschiedsbahnhof“. Sein Vater und die Brüder Ernst und Walter würden ihn noch bis Dresden begleiten. Theodor Eichler, sein bester Freund, wollte bis Friedrichstadt mitfahren. Sein Kollege, Steiger Schneider, sowie zahlreiche Freunde und Bekannte waren gekommen, um ihren Afrikapionier zu verabschieden. Im Garten der Bahnhofgaststätte wird ein letzter „Abschiedsseidel“ getrunken, 10 Minuten vor Abfahrt des Zuges kommt Roberts Mutter, um ihren Sohn ein letztes Mal in die Arme zu schließen. Die Eltern waren einerseits stolz auf ihren Sohn, andererseits aber auch voller Sorge. Die zwei Jahre fern der Heimat in einer noch weitgehend unerforschten und gefahrvollen Ecke der Welt bedeuteten eine lange Zeit der Trennung und der Ungewissheit.

Eine war nicht zum Abschied auf den Bahnhof gekommen – seine Freundin Marie. Dies wäre, da ihr Verhältnis noch nicht „offiziell“ war, für eine gerade einmal 20 Jahre alt gewordene junge Frau zur damaligen Zeit nicht schicklich gewesen. Noch hatte Robert sie seinen Eltern nicht als seine künftige Braut vorgestellt, auch hatte ihr Vater, der Kohlenwerkskassierer Karl Traugott Bellmann, 53, der Verbindung noch nicht zugestimmt. Der Abschied der Beiden voneinander hatte daher bereits zuvor und sicherlich an einem geheimeren Ort stattfinden müssen. In einem Brief, der Robert erst Wochen später in Afrika erreicht, erinnert sich Marie an den letzten Tanz beim Sommerfest des Chorgesangvereins. Es war ihr, als müsste sie Robert bitten, nicht fortzugehen. Doch war ihr bewusst gewesen, dass eine solche Bitte keinen Erfolg gehabt hätte. Robert hatte sich entschieden, aus der eingegangenen Verpflichtung konnte und wollte er nicht mehr aussteigen. Dennoch war ihm jetzt, als sich der Zug in Richtung Dresden in Bewegung setzte, „das Herz sehr schwer“. Seine Kameraden, die Bergleute aus Freiberg, waren in der Stunde des endgültigen Abschieds ebenfalls mit ihren Gedanken bei ihren Lieben daheim. Wie Robert seinem Tagebuch anvertraute, glich daher ihre Fahrt am Anfang „einem Leichenzuge“.

Bald aber sollte die Stimmung heiterer werden. Man war voller gespannter Erwartung auf die bevorstehenden Erlebnisse und sich sehr wohl bewusst, dass die Mission, zu der man als Teilnehmer ausgewählt war, eine nicht unerhebliche politische und wirtschaftliche Dimension hatte. Dem entsprach auch die Aufmerksamkeit, den der Start der Expedition in der sächsischen Presse fand. Nachdem der Expeditionsleiter, Direktor Herrmann Pohle, seine sechs Bergleute in Dresden in Empfang genommen hatte, ging es zunächst weiter nach Berlin. Robert, der die Hauptstadt des Deutschen Reiches nie zuvor besucht hatte, folgt voller Interesse einer kurzen Besichtigung der Innenstadt, bevor sie der Nachtzug nach Hamburg bringt, wo man fast zwei Tage Aufenthalt hat. Dort komplettieren Dr. Schenck aus Bonn, Dr. Schinz aus Zürich und der holländische Dolmetscher de Jongh das Team.

Lüderitz, der so große Hoffnungen in die Expedition setzt, hat es sich nicht nehmen lassen, von Bremen nach Hamburg zu kommen, um die Teilnehmer persönlich kennenzulernen und sie zu verabschieden. In seiner liebenswürdigen und kontaktfreudigen Art gelingt es ihm rasch, Vertrauen zu gewinnen. Die Aufnahme durch ihn wurde von Robert so empfunden, dass bald „die letzten trüben Gedanken wie Spreu zerflogen“. Lüderitz spendiert einen Besuch im Zirkus Renz und kommt noch vor Abfahrt des englischen Dampfers Arab54 an Bord, um mit allen auf das Glück der Angra Pequena Expedition anzustoßen. Das eingangs erwähnte lateinische Zitat war wohl eher für die Herren Akademiker gedacht. Für die Bergleute fand er einfachere und verständlichere Abschiedsworte: „Na Jungs, haltet Euch brav und macht mir keine Schande, findet was Ordentliches und bekommt Ihr die Seekrankheit, so kotzt Euch mal tüchtig aus“.

Spannende Eindrücke

Für Robert, der noch nie zuvor das Meer gesehen, geschweige denn eine Seereise unternommen hatte, folgten spannende erste Eindrücke.

An Bord herrschte reges Leben, nicht nur Passagiere, sondern auch Nichtmitfahrende waren an Bord. Es waren Angehörige und Freunde von Passagieren, die die letzten Stunden mit den Scheidenden verleben wollten. Punkt 12 Uhr nachts machte die Schiffsglocke den Abschiedsszenen ein Ende und Alle, wenigstens die Meisten, zogen sich in ihre Kabinen zurück, um bis halb 3 Uhr auszuruhen. Schlaf gab es nicht. Um 1 Uhr kam plötzlich die Polizei mit Diebeslaternen an Bord und revidierte die Pässe. Punkt 3 Uhr lichteten wir die Anker und halb 4 Uhr ging es mit vollem Dampf die Elbe hinunter. Um 9 Uhr wich das rechte Elbufer mehr und mehr zurück und vormittags 11 Uhr nahmen wir Abschied vom linken Elbufer, von Cuxhaven. Das letzte Winken und Grüßen vom Schiff aus und mehr und mehr hüllte sich das feste Land in Nebel bis 12 Uhr mittags selbst mein geübtes, scharfes Auge nichts mehr sehen konnte als den blauen Wasserspiegel ringsum.

Jetzt fing die Reise erst richtig an. Man hatte das deutsche Hoheitsgebiet mit dem vertrauten Kulturkreis verlassen und sich in die Einflusssphäre des Vereinigten Königreiches von Großbritannien begeben. Was in unserer heutigen globalisierten Welt für viele Menschen keine große Bedeutung mehr hat, war für Durchschnittsbürger des 19. Jahrhunderts, die in der überwiegenden Mehrzahl in engen, lokalen Verhältnissen lebten, ein viel größerer Einschnitt. Andererseits erlebte die Welt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Entwicklung, die man als ersten Globalisierungsschub bezeichnen kann. Die Entwicklung der Dampfschiff-Fahrt hatte die Fähigkeit, Personen und Waren schneller und sicherer transkontinental zu transportieren, deutlich verbessert. Die Telegrafie ermöglichte erstmals Kommunikation und Informationsweitergabe in kurzer Zeit. In größerem Tempo als in den Jahrhunderten zuvor wuchs die Welt zusammen und – es war die Blütezeit des British Empire. Bereits bei Betreten des englischen Schiffes hatte Robert bereut, dass er sich in der Schule nicht intensiver dem Studium der englischen Sprache gewidmet hatte. Vorerst aber genoss er noch seine erste Seereise.

Stundenlang habe ich an Bord gestanden und habe mich an dem herrlichen Anblick ergötzt. Aber selbst die herrlichste Gegend ermüdet im Laufe der Zeit das Auge, wenn sie tot und ohne Leben ist. Bald saßen wir unter den schattenspendenden Marquisen und plauderten, nur der Zuruf des einen oder anderen „ein Schiff“ oder „Schiff in Sicht“ rief uns an die Schiffsplanken. Unsere Gesellschaft war nicht groß, ca. 30 Passagiere waren an Bord. Die Unterhaltung war daher bald recht familiär; die Meisten haben als Ziel ihrer Reise Kapstadt und somit bleiben wir noch einige Wochen beisammen. Gestern Vormittag 11 Uhr, nachdem wir 24 Stunden ohne Land gesehen zu haben auf der Nordsee gefahren, erscholl plötzlich der Ruf „Steuerbord Land!“ Englands Küste war als dunkler Nebelstreifen sichtbar. Um 12 Uhr wurde die erste englische Stadt, Dover, sichtbar; und zwar fuhren wir so nahe an der Küste, dass uns höchstens ein Wasserstreifen von drei Elbbreiten (bei Dresden) von Dover trennte. Die Hoffnung, noch abends vor 7 Uhr in Southampton zu sein, wurde durch das neblige Wetter vereitelt. Portsmouth und Gosport, zwei größere befestigte englische Häfen, sahen wir deutlich, ebenso die Insel Wight. Abends halb 8 Uhr mussten wir im Angesicht von Southampton vor Anker gehen. Der erste Anker verschwand in den blauen Fluten, die Kette riss und der 2. und letzte Anker musste niedergelassen werden. Heute Morgen zogen wir Festtagskleidung an und betraten 10 Uhr den englischen Boden.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-16

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