Auf Kupfersuche in Lüderitzland
Die Angra Pequena-Expedition
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
10. Folge
Sachsen und Angelsachsen
Das deutsch-britische Verhältnis in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts könnte man als respektvoll-distanziert umschreiben. Die Außenpolitik des Vereinigten Königreiches war im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts darauf ausgerichtet, auf dem europäischen Kontinent ein politisches Machtgleichgewicht sicherzustellen. Dadurch wollte man den Rücken frei haben für die eigenen globalen Expansionsbestrebungen, die weniger auf Europa, sondern vielmehr auf die anderen vier Kontinente ausgerichtet waren. Nur wenn eine europäische Kontinentalmacht zu stark wurde und als Konkurrent aufzutreten drohte – oft war dies Frankreich –, beteiligte man sich an europäischen Auseinandersetzungen. Da Preußen als kontinentale Macht keine nennenswerten kolonialen Ambitionen hatte, war es der ideale Verbündete im Gegengewicht zu Frankreich. Dies war z. B. im Siebenjährigen Krieg oder in den militärischen Auseinandersetzungen mit Napoleon der Fall. Eine weniger rühmliche Verbindung war die Anwerbung bzw. der Verkauf von Untertanen deutscher Kleinstaatenfürsten für die koloniale Kriegführung Großbritanniens z. B. in Amerika. Darüber hinaus gab es zahlreiche verwandtschaftliche Verbindungen zwischen deutschen Fürstenhäusern und der englischen Krone. Dementsprechend war das deutsch-britische Verhältnis bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts als durchaus gut zu bezeichnen. 1871 begann ein vollkommen neues Kapitel der deutsch-britischen Beziehungen, als das neu gegründete Deutsche Reich nach Auffassung des britischen Premierministers Benjamin Disraeli „das überlieferte europäische Gleichgewicht völlig zerstörte und dazu die Position England bedrohte“. Allerdings wurden Bismarcks Bemühungen, das Machtgefüge in Europa mit geschickter Bündnispolitik auszubalancieren, von Großbritannien positiv zur Kenntnis genommen, sodass das Verhältnis der beiden Staaten bis Anfang der 80er Jahre ungetrübt blieb. Zu einer ersten Belastungsprobe kam es erst mit Beginn des deutschen kolonialen Engagements. Das „Englandbild“ in Deutschland war ambivalent. Einerseits bewunderte und beneidete man die „angelsächsischen Vettern“ auf der anderen Seite der Nordsee, denen es gelungen war, ein Weltreich aufzubauen, andererseits ließ der gestiegene Nationalstolz nicht mehr zu, aus dieser Dominanz Nachteile für die eigene Nation hinzunehmen. Dies galt auch für die eigentlich anglophil geprägten norddeutschen Kaufleute. Die zunehmende Konkurrenzsituation, die in Berichterstattung und Presse beider Nationen ihren Niederschlag fand, führte zwangsläufig zu wachsendem gegenseitigen Misstrauen, was wiederum die kollektive Wahrnehmung in der deutschen Öffentlichkeit und die Meinungsbildung der Bürger beeinflusste.
Entsprechend überkritisch kommentiert der Sachse Robert Baer seine ersten Eindrücke eines Landes, dessen Einwohner nach wie vor als Angelsachsen bezeichnet wurden. Der gemeinsame Name des westgermanischen Stammes, den beide über divergierende Wege der Geschichte geerbt hatten, durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es kulturelle Unterschiede gab, die Robert in einem seiner ersten Briefe nicht immer ganz sachlich kommentiert, wobei sich seine Kritik vorrangig auf die Esskultur bezieht.
Southampton, den 27. August 1884
Wir haben uns hier nun so gut es geht eingerichtet. Verflucht teures Leben, Wohnung, Essen und Trinken (wenn man 16 Grad R warmes Wasser trinken kann) haben wir frei, doch kann man hier und da mit einem Glase Bier nachhelfen. Lieber Gott man frevelt, wenn man das saure Zeugs Bier nennt; für 0,4 Liter zahlt man 3 Penny, ist 24 Pfennige ungefähr. Das ist einfaches Bier, für Porter oder Ale zahlt man für eine Flasche, so groß wie unsere Hofbräuhaus-Flaschen, 6 bis 8 Penny. Eine Flasche Sodawasser, Selters kennt man hier nicht, enthält ungefähr die Hälfte von unseren Flaschen, kostet 6 Pence. Am allerschlimmsten ist es mit Tabak und Zigarren. Das verfluchte Monopol, seid froh, dass Deutschland verschont geblieben und wollen sie es Euch wieder aufdrängen, so wehrt Euch mit Händen und Füßen dagegen. Mit Tabak haben wir uns vorgesehen, aber Zigarren. Mein Kistchen „Bettelstudent“ habe ich im Koffer gelassen und der ist wegen Schmuggel versiegelt. Gestern kaufte ich mir drei Zigarren (1 zu 1 Penny, 1 zu 2 Pence und 1 zu 3 Pence). Die zu 1 Penny brannte gar nicht, die zu 2 verbrannte halb und nur die zu 3 Penny ließ sich halbwegs rauchen. Zigarren zu 5 und 6 Pence, also zu 40 und 48 Pfennigen sollen gut sein. Nette Gegend. Für ein Päckchen türkischen Tabak, der bei uns ordinär 15 bis 25 Pfennige kostet, habe ich heute 8 Pence = 64 Pfennig bezahlt. Hier rauchen auch nur die Reichen Zigarren und der Arbeiter höchstens wenn er seinen Lohn ausbezahlt erhält. Dafür hat jeder seine kleine türkische Pfeife im Munde und selbst Jungen von 10 bis 12 Jahren betteln dich auf der Straße um Tabak an. „Schmoken, Schmoken“ betteln sie.
Southampton ist eine ältere Stadt von ca. 60 000 Einwohnern. Die Straßen sind sehr breit und die Häuser nur zwei Stock hoch. Jedes Haus meist aus Ziegel, ohne Putz, ist mit Schiefern gedeckt und hat ungefähr 24 Essen, letztere sind nur Schamotterohre. Sauberkeit und Reinlichkeit kann ich nicht rühmen. Gestern, also Montag, hatte ich den seltenen Anblick einer religiösen Demonstration. Gott weiß was für eine Seite zog mit Musik und ein großes Transparent tragend durch die Stadt. Was für ein Radau die vielleicht Hunderte von Kindern bzw. Männern und Frauen zählende Menge vollführte, könnt Ihr gar nicht glauben. Bei uns in Deutschland steckte man die Halbalbernen auf den „Sonnenstein“ (damals eine Nervenheilanstalt in Pirna), wenigstens hinter Schloss und Riegel. Die zu hunderten herumbummelnden Hafenarbeiter und arbeitslosen Matrosen betteln und rempeln jeden Fremden an. Na, wir halten tapfer zusammen.
Auch die Hafenstadt Plymouth, wo man einen kurzen Zwischenstopp hat, nachdem man Southampton an Bord des Dampfers Trojan verlassen hatte, schneidet in Roberts Beschreibung nicht besser ab:
Da es uns freigestellt war, auf eigene Kosten an Land zu fahren und wir, eine Gesellschaft von 12 Personen, ein passendes Boot fanden, so habe ich mir auch Plymouth angesehen. Der Preis für Hin- und Rückfahrt 1 Schilling war nicht so teuer. Die Stadt ist schmutzig, sehr enge Straßen, ungefähr 40-50 000 Einwohner, sehr alte Stadt. Plymouth ist sehr stark befestigt. Die Festungswerke haben wir uns, da interessant, sehr genau angesehen. Unangenehm berührt das hanswurstmäßig gekleidete englische Militär mit den Spazierstöcken. Schauderhaft lächerlich.
Die Schilderung schließt mit der Feststellung, dass „die Mädchen hier sehr frei“ seien.
Die Seereise nach Kapstadt dauerte 16 Tage. Zunächst forderte Meeresgott Neptun seinen Tribut. In der Biscaya war so schwere See, dass der stolze Dampfer wie eine Nussschale schlingerte, fast alle Passagiere seekrank wurden und die Expeditionsteilnehmer schon sehr bald den zweiten Teil der Lüderitzschen Abschiedsworte erfüllen konnten. Später wird es etwas ruhiger. Erneut gibt die Verpflegung Anlass zur Klage.
Die Kost auf unserem „Trojan“ war reichlich aber englisch, mit anderen Worten schlecht zubereitet. Auf unserer ganzen Reise, die ersten zwei bis drei Tage ausgenommen, habe ich kein Fleisch essen können und mich mittags (1 Uhr) nur mit Kartoffeln, Brot und Butter, Fisch und Pudding genährt. Früh 8 Uhr gab es Tee, der für uns Deutsche, wir saßen an einer Tafel zusammen, extra schwächer gekocht wurde, Brot und Fleisch. Nachmittags 5 Uhr wieder Tee und dieselben Speisen wie zum ersten Frühstück. Abends 8 Uhr Schifferzwieback und Cheese (Käse). Nicht ein einziges Mal haben wir gekochtes Fleisch gesehen. Stets waren Keulen von 10 bis 12 Pfund Fleisch serviert. Schnitt man sich, was man selbst tun musste, ein Stück davon ab, so hatte man das schönste rohe Fleisch. Dies alles und der Umstand, dass der Engländer kein Gericht beim Kochen würzt, macht es, dass der Deutsche auch beim Essen nie ein Freund der Engländer werden kann.
Man vertreibt sich die Zeit mit diversen Kartenspielen; an den Tanzabenden, die an Bord veranstaltet werden, mag Robert nicht teilnehmen, da er in Gedanken bei seiner Marie ist. Stattdessen beteiligt er sich an einer improvisierten Konzertaufführung, die die Passagiere organisiert haben. Hierbei stellt sich heraus, dass es doch noch kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen Sachsen und Angelsachsen gibt:
Theater und ein Teil des Konzertes war englisch, ein Teil deutsch. Selbstredend habe auch ich mitgewirkt. Einige Lieder, welche eine Frau Westermann sang, habe ich begleitet, eine Ouvertüre (Freischütz) gespielt und mit vier Deutschen das Quartett „Spinn, spinn“ von Jung eingeübt.
Nach kurzem Zwischenstopp in Madeira, wo Kohlen und Schlachtvieh geladen werden, der Dampfer aber unter Quarantäne steht und die Passagiere daher nicht an Land dürfen, geht die Fahrt ununterbrochen weiter, bis am 18. September Kapstadt erreicht wird.
Sachsen und Angelsachsen
Das deutsch-britische Verhältnis in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts könnte man als respektvoll-distanziert umschreiben. Die Außenpolitik des Vereinigten Königreiches war im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts darauf ausgerichtet, auf dem europäischen Kontinent ein politisches Machtgleichgewicht sicherzustellen. Dadurch wollte man den Rücken frei haben für die eigenen globalen Expansionsbestrebungen, die weniger auf Europa, sondern vielmehr auf die anderen vier Kontinente ausgerichtet waren. Nur wenn eine europäische Kontinentalmacht zu stark wurde und als Konkurrent aufzutreten drohte – oft war dies Frankreich –, beteiligte man sich an europäischen Auseinandersetzungen. Da Preußen als kontinentale Macht keine nennenswerten kolonialen Ambitionen hatte, war es der ideale Verbündete im Gegengewicht zu Frankreich. Dies war z. B. im Siebenjährigen Krieg oder in den militärischen Auseinandersetzungen mit Napoleon der Fall. Eine weniger rühmliche Verbindung war die Anwerbung bzw. der Verkauf von Untertanen deutscher Kleinstaatenfürsten für die koloniale Kriegführung Großbritanniens z. B. in Amerika. Darüber hinaus gab es zahlreiche verwandtschaftliche Verbindungen zwischen deutschen Fürstenhäusern und der englischen Krone. Dementsprechend war das deutsch-britische Verhältnis bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts als durchaus gut zu bezeichnen. 1871 begann ein vollkommen neues Kapitel der deutsch-britischen Beziehungen, als das neu gegründete Deutsche Reich nach Auffassung des britischen Premierministers Benjamin Disraeli „das überlieferte europäische Gleichgewicht völlig zerstörte und dazu die Position England bedrohte“. Allerdings wurden Bismarcks Bemühungen, das Machtgefüge in Europa mit geschickter Bündnispolitik auszubalancieren, von Großbritannien positiv zur Kenntnis genommen, sodass das Verhältnis der beiden Staaten bis Anfang der 80er Jahre ungetrübt blieb. Zu einer ersten Belastungsprobe kam es erst mit Beginn des deutschen kolonialen Engagements. Das „Englandbild“ in Deutschland war ambivalent. Einerseits bewunderte und beneidete man die „angelsächsischen Vettern“ auf der anderen Seite der Nordsee, denen es gelungen war, ein Weltreich aufzubauen, andererseits ließ der gestiegene Nationalstolz nicht mehr zu, aus dieser Dominanz Nachteile für die eigene Nation hinzunehmen. Dies galt auch für die eigentlich anglophil geprägten norddeutschen Kaufleute. Die zunehmende Konkurrenzsituation, die in Berichterstattung und Presse beider Nationen ihren Niederschlag fand, führte zwangsläufig zu wachsendem gegenseitigen Misstrauen, was wiederum die kollektive Wahrnehmung in der deutschen Öffentlichkeit und die Meinungsbildung der Bürger beeinflusste.
Entsprechend überkritisch kommentiert der Sachse Robert Baer seine ersten Eindrücke eines Landes, dessen Einwohner nach wie vor als Angelsachsen bezeichnet wurden. Der gemeinsame Name des westgermanischen Stammes, den beide über divergierende Wege der Geschichte geerbt hatten, durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es kulturelle Unterschiede gab, die Robert in einem seiner ersten Briefe nicht immer ganz sachlich kommentiert, wobei sich seine Kritik vorrangig auf die Esskultur bezieht.
Southampton, den 27. August 1884
Wir haben uns hier nun so gut es geht eingerichtet. Verflucht teures Leben, Wohnung, Essen und Trinken (wenn man 16 Grad R warmes Wasser trinken kann) haben wir frei, doch kann man hier und da mit einem Glase Bier nachhelfen. Lieber Gott man frevelt, wenn man das saure Zeugs Bier nennt; für 0,4 Liter zahlt man 3 Penny, ist 24 Pfennige ungefähr. Das ist einfaches Bier, für Porter oder Ale zahlt man für eine Flasche, so groß wie unsere Hofbräuhaus-Flaschen, 6 bis 8 Penny. Eine Flasche Sodawasser, Selters kennt man hier nicht, enthält ungefähr die Hälfte von unseren Flaschen, kostet 6 Pence. Am allerschlimmsten ist es mit Tabak und Zigarren. Das verfluchte Monopol, seid froh, dass Deutschland verschont geblieben und wollen sie es Euch wieder aufdrängen, so wehrt Euch mit Händen und Füßen dagegen. Mit Tabak haben wir uns vorgesehen, aber Zigarren. Mein Kistchen „Bettelstudent“ habe ich im Koffer gelassen und der ist wegen Schmuggel versiegelt. Gestern kaufte ich mir drei Zigarren (1 zu 1 Penny, 1 zu 2 Pence und 1 zu 3 Pence). Die zu 1 Penny brannte gar nicht, die zu 2 verbrannte halb und nur die zu 3 Penny ließ sich halbwegs rauchen. Zigarren zu 5 und 6 Pence, also zu 40 und 48 Pfennigen sollen gut sein. Nette Gegend. Für ein Päckchen türkischen Tabak, der bei uns ordinär 15 bis 25 Pfennige kostet, habe ich heute 8 Pence = 64 Pfennig bezahlt. Hier rauchen auch nur die Reichen Zigarren und der Arbeiter höchstens wenn er seinen Lohn ausbezahlt erhält. Dafür hat jeder seine kleine türkische Pfeife im Munde und selbst Jungen von 10 bis 12 Jahren betteln dich auf der Straße um Tabak an. „Schmoken, Schmoken“ betteln sie.
Southampton ist eine ältere Stadt von ca. 60 000 Einwohnern. Die Straßen sind sehr breit und die Häuser nur zwei Stock hoch. Jedes Haus meist aus Ziegel, ohne Putz, ist mit Schiefern gedeckt und hat ungefähr 24 Essen, letztere sind nur Schamotterohre. Sauberkeit und Reinlichkeit kann ich nicht rühmen. Gestern, also Montag, hatte ich den seltenen Anblick einer religiösen Demonstration. Gott weiß was für eine Seite zog mit Musik und ein großes Transparent tragend durch die Stadt. Was für ein Radau die vielleicht Hunderte von Kindern bzw. Männern und Frauen zählende Menge vollführte, könnt Ihr gar nicht glauben. Bei uns in Deutschland steckte man die Halbalbernen auf den „Sonnenstein“ (damals eine Nervenheilanstalt in Pirna), wenigstens hinter Schloss und Riegel. Die zu hunderten herumbummelnden Hafenarbeiter und arbeitslosen Matrosen betteln und rempeln jeden Fremden an. Na, wir halten tapfer zusammen.
Auch die Hafenstadt Plymouth, wo man einen kurzen Zwischenstopp hat, nachdem man Southampton an Bord des Dampfers Trojan verlassen hatte, schneidet in Roberts Beschreibung nicht besser ab:
Da es uns freigestellt war, auf eigene Kosten an Land zu fahren und wir, eine Gesellschaft von 12 Personen, ein passendes Boot fanden, so habe ich mir auch Plymouth angesehen. Der Preis für Hin- und Rückfahrt 1 Schilling war nicht so teuer. Die Stadt ist schmutzig, sehr enge Straßen, ungefähr 40-50 000 Einwohner, sehr alte Stadt. Plymouth ist sehr stark befestigt. Die Festungswerke haben wir uns, da interessant, sehr genau angesehen. Unangenehm berührt das hanswurstmäßig gekleidete englische Militär mit den Spazierstöcken. Schauderhaft lächerlich.
Die Schilderung schließt mit der Feststellung, dass „die Mädchen hier sehr frei“ seien.
Die Seereise nach Kapstadt dauerte 16 Tage. Zunächst forderte Meeresgott Neptun seinen Tribut. In der Biscaya war so schwere See, dass der stolze Dampfer wie eine Nussschale schlingerte, fast alle Passagiere seekrank wurden und die Expeditionsteilnehmer schon sehr bald den zweiten Teil der Lüderitzschen Abschiedsworte erfüllen konnten. Später wird es etwas ruhiger. Erneut gibt die Verpflegung Anlass zur Klage.
Die Kost auf unserem „Trojan“ war reichlich aber englisch, mit anderen Worten schlecht zubereitet. Auf unserer ganzen Reise, die ersten zwei bis drei Tage ausgenommen, habe ich kein Fleisch essen können und mich mittags (1 Uhr) nur mit Kartoffeln, Brot und Butter, Fisch und Pudding genährt. Früh 8 Uhr gab es Tee, der für uns Deutsche, wir saßen an einer Tafel zusammen, extra schwächer gekocht wurde, Brot und Fleisch. Nachmittags 5 Uhr wieder Tee und dieselben Speisen wie zum ersten Frühstück. Abends 8 Uhr Schifferzwieback und Cheese (Käse). Nicht ein einziges Mal haben wir gekochtes Fleisch gesehen. Stets waren Keulen von 10 bis 12 Pfund Fleisch serviert. Schnitt man sich, was man selbst tun musste, ein Stück davon ab, so hatte man das schönste rohe Fleisch. Dies alles und der Umstand, dass der Engländer kein Gericht beim Kochen würzt, macht es, dass der Deutsche auch beim Essen nie ein Freund der Engländer werden kann.
Man vertreibt sich die Zeit mit diversen Kartenspielen; an den Tanzabenden, die an Bord veranstaltet werden, mag Robert nicht teilnehmen, da er in Gedanken bei seiner Marie ist. Stattdessen beteiligt er sich an einer improvisierten Konzertaufführung, die die Passagiere organisiert haben. Hierbei stellt sich heraus, dass es doch noch kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen Sachsen und Angelsachsen gibt:
Theater und ein Teil des Konzertes war englisch, ein Teil deutsch. Selbstredend habe auch ich mitgewirkt. Einige Lieder, welche eine Frau Westermann sang, habe ich begleitet, eine Ouvertüre (Freischütz) gespielt und mit vier Deutschen das Quartett „Spinn, spinn“ von Jung eingeübt.
Nach kurzem Zwischenstopp in Madeira, wo Kohlen und Schlachtvieh geladen werden, der Dampfer aber unter Quarantäne steht und die Passagiere daher nicht an Land dürfen, geht die Fahrt ununterbrochen weiter, bis am 18. September Kapstadt erreicht wird.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen