Auf Kupfersuche in Lüderitzland
Die Angra Pequena-Expedition
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
11. Folge
Die letzten Stunden vor Ankunft und seine Gedanken kurz vor Erreichen des afrikanischen Kontinents schildert Robert in seinem ersten Brief aus der Hauptstadt der britischen Kapkolonie.
Cape Town, den 19. September 1884
Meine Lieben!
Land! Land! Erscholl es gestern Abend 10 Uhr über Bord. Kein Passagier hatte, wie wohl sonst üblich um diese Zeit, seine Koje aufgesucht, um sein Leiden, seine Langeweile durch den Schlaf auf kurze Zeit zu vergessen. Bekannt war es allen, dass wir diese Nacht Kapstadt erreichen würden. Und so harrten wir ungeduldigen Herzens obigen Rufes vom Mastkorbe. Lauter heller Jubel begrüßte das uns die baldige Freiheit verheißende Wort. National- und Parteihass waren vergessen und den Hut fest auf die Stirn gedrückt und so dem Sturm trotzend standen wir in bunter Reihe vorn am Bug und schauten über die dunkle Wasserfläche hin nach einem Punkte, einem unsicher brennenden, flackernden Lichtchen. Es war der Leuchtturm auf der Robbeninsel, einer kleinen vor dem Hafen von Cape Town gelegenen Insel. Ha, noch ein Licht! Noch eins! Ein Meer von Lichtern zeigte uns nun die Lage von Kapstadt. Wer konnte schlafen? 15 Tage hatten wir kein Land gesehen, nichts wie den endlos scheinenden Wasserspiegel hatte das Auge ermüdet. Alle bedauerten, dass wir nicht am Tage das Ziel unserer Fahrt erreichten. Kapstadt, am Fuße des 3 700 Fuß hohen Tafelberges gelegen, soll vom Meer aus einen reizenden Anblick gewähren.
Doch in einigen Stunden, wenn es tagt, genießen wir ja den Anblick, da wir nicht in den Hafen können, sondern vor Anker liegen bleiben. Die Robbeninsel liegt jetzt links hinter uns und der Vorhafen hat uns aufgenommen. Das von der Dampfpfeife dem Hafen, respektive Dockbeamten gegebene Signal ertönt hundertfach im Echo wider. Die Maschine hört auf zu arbeiten und plötzlich steigen vom Hinterdeck Raketen und Leuchtkugeln auf, binnen 10 Minuten erhalten wir von dem in dunkeln Umrissen zu erkennenden Lande das gleiche Willkommenssignal.
Nach 21 tägiger Fahrt von Plymouth aus gerechnet, werfen wir am 19. September früh halb 1 Uhr Anker im Hafen von Kapstadt. Am Steuer hinten ist ein stilles, bequemes Plätzchen; dahin schlich ich mich, nachdem ich die letzte „Bettelstudent“ angezündet und warf noch einmal meinen Blick zurück nach Norden. Über mir der prachtvolle, klare Sternenhimmel und vor mir der dunkle Ozean und viele, viele Meilen über demselben in nord-nordöstlicher Richtung liegt die Heimat. Vor meinem Geiste zog noch einmal die letzte Zeit vorüber. Ich war noch unter Euch, Ihr Lieben. Was ein Augenblick doch oft vermag. Nicht Tage, nicht Stunden gehörten dazu, eine einzige Minute, ein Wort und wie verändert sich mein Lebensziel. Nicht jugendlicher Leichtsinn, nicht Abenteuerlust, noch weniger ein böses Gewissen tragen Schuld, dass ich den heimischen Erdteil verließ. Es war eine innere Stimme, die mich gehen hieß und wohin ich gekommen, was ich gesehen, es war mir stets, als ob ich alles bereits früher gesehen. Nicht mit Gold ist es zu bezahlen, was ich alles sehen und erleben werde und weiß ich auch, dass Gefahren und Entbehrungen mitzunehmen sind, so bin ich, und ich kenne mich am besten wohl, gerade dazu geeignet, denselben nicht aus dem Wege zu gehen, und es werden die Erlebnisse dieser zwei Jahre mir im Alter noch angenehme Erinnerungen bieten. Gott möge mir auch fürder ein solch treuer Beschützer sein wie er es bisher gewesen.
Endlich – nach 16-tägigem fast ununterbrochenen Schwanken und Schaukeln – liegt das Schiff im Hafen von Kapstadt ruhig vor Anker. Als die Sonne aufgeht zeigen sich die rötlich kahlen Felsen von Tafelberg, Teufelsberg und Löwenkopf, die auf Robert einen eigentümlichen Eindruck machen. Nach Erledigung der Zollformalitäten wird er zusammen mit seinen Bergmannskollegen im Concordia Club Hotel untergebracht. Welch ein Zufall – der Wirt, ein Herr Störzel, ist Sachse aus Mittweida, sein Schwager sogar ein Bekannter von Robert aus Freiberg. Das bewirkt sofort einen freundschaftlichen Kontakt und garantiert gute Verpflegung. Eintrag im Tagebuch: „Hurrah! Deutsche Kost! Robert taut wieder auf.“
In Kapstadt
21.9.1884 - Kapstadt liegt am Fuße der Tafel- und Löwenberge. Von den ca. 40 000 Einwohnern sind ungefähr 15 000 Schwarze (Malayen, Kaffern, Buschmänner, Hottentotten etc.), 5 000 Deutsche (viele Sachsen) und der Rest sind Engländer, Holländer und Portugiesen. Unsere „Meta“58 ist vor einigen Tagen erst weg nach Angra Pequena und wir werden deshalb 8-14 Tage hier warten müssen. Na, mir kann es recht sein, wir wohnen fein, haben gutes Essen und nettes Taschengeld, die Zeit geht von den zwei Jahren ab und wird bezahlt. Wir machen fleißig Partien, auch auf den Tafelberg wollen wir. Es ist uns aber abgeraten worden, der Berg ist schwer zu besteigen, ein Paar Stiefel und Hosen gehen dabei drauf und dann gibt es bereits Tiger (Anmerkung: es sind Leoparden gemeint) in der Umgebung und wir haben keine Schusswaffen, dieselben liegen versiegelt auf dem Hafenzollamt, da wir den hohen Zoll (20 Mark pro Gewehrlauf) nicht bezahlen wollten. Wenn wir weiterreisen, bekommen wir dieselben wieder. Von den hier anwesenden Engländern werden uns keineswegs freundliche Gesichter gemacht, sobald sie erfahren, dass wir nach Angra reisen. Die hier anwesenden Deutschen sind begeistert für unsere neue Kolonie und ein halbes Dutzend habe ich abweisen müssen, die sich mir angeboten zur Mitreise. Ihnen sind die Verhältnisse auch nicht mehr so günstig wie früher. Arbeit ist schwer zu bekommen, der Verdienst ist nicht sehr groß, die Lebensmittelpreise sind aber sehr hoch. Alle Welt beneidet nun unser Engagement. Alle mitreisenden Deutschen sind ins Land nach den Diamantenfeldern bei Kimberley, unser Reiseziel hat sich auch geändert. Das Kanonenboot „Wolf“59 hat bereits Versuche angestellt mit einem Boot den Oranje-Fluß heraufzufahren. Brandung und Barrenvorlagen haben den Versuch vereitelt und auch wir würden mit unserer „Meta“, trotzdem sie klein und nur 1,8 Meter Tiefgang hat, keine besseren Resultate vor der Hand erzielen können. Wir fahren deshalb direkt bis Angra Pequena zur Lüderitz‘schen Faktorei und werden uns von da aus südlich halten.
Das bedeutet, die ursprüngliche Planung, die Expedition direkt mit dem Schiff an den Oranje zu bringen, musste auf Grund jüngster Erkundungsergebnisse vor Ort aufgegeben werden. Man muss umdisponieren und versuchen von Angra Pequena aus den Oranje auf dem Landweg zu erreichen.
Die letzten Stunden vor Ankunft und seine Gedanken kurz vor Erreichen des afrikanischen Kontinents schildert Robert in seinem ersten Brief aus der Hauptstadt der britischen Kapkolonie.
Cape Town, den 19. September 1884
Meine Lieben!
Land! Land! Erscholl es gestern Abend 10 Uhr über Bord. Kein Passagier hatte, wie wohl sonst üblich um diese Zeit, seine Koje aufgesucht, um sein Leiden, seine Langeweile durch den Schlaf auf kurze Zeit zu vergessen. Bekannt war es allen, dass wir diese Nacht Kapstadt erreichen würden. Und so harrten wir ungeduldigen Herzens obigen Rufes vom Mastkorbe. Lauter heller Jubel begrüßte das uns die baldige Freiheit verheißende Wort. National- und Parteihass waren vergessen und den Hut fest auf die Stirn gedrückt und so dem Sturm trotzend standen wir in bunter Reihe vorn am Bug und schauten über die dunkle Wasserfläche hin nach einem Punkte, einem unsicher brennenden, flackernden Lichtchen. Es war der Leuchtturm auf der Robbeninsel, einer kleinen vor dem Hafen von Cape Town gelegenen Insel. Ha, noch ein Licht! Noch eins! Ein Meer von Lichtern zeigte uns nun die Lage von Kapstadt. Wer konnte schlafen? 15 Tage hatten wir kein Land gesehen, nichts wie den endlos scheinenden Wasserspiegel hatte das Auge ermüdet. Alle bedauerten, dass wir nicht am Tage das Ziel unserer Fahrt erreichten. Kapstadt, am Fuße des 3 700 Fuß hohen Tafelberges gelegen, soll vom Meer aus einen reizenden Anblick gewähren.
Doch in einigen Stunden, wenn es tagt, genießen wir ja den Anblick, da wir nicht in den Hafen können, sondern vor Anker liegen bleiben. Die Robbeninsel liegt jetzt links hinter uns und der Vorhafen hat uns aufgenommen. Das von der Dampfpfeife dem Hafen, respektive Dockbeamten gegebene Signal ertönt hundertfach im Echo wider. Die Maschine hört auf zu arbeiten und plötzlich steigen vom Hinterdeck Raketen und Leuchtkugeln auf, binnen 10 Minuten erhalten wir von dem in dunkeln Umrissen zu erkennenden Lande das gleiche Willkommenssignal.
Nach 21 tägiger Fahrt von Plymouth aus gerechnet, werfen wir am 19. September früh halb 1 Uhr Anker im Hafen von Kapstadt. Am Steuer hinten ist ein stilles, bequemes Plätzchen; dahin schlich ich mich, nachdem ich die letzte „Bettelstudent“ angezündet und warf noch einmal meinen Blick zurück nach Norden. Über mir der prachtvolle, klare Sternenhimmel und vor mir der dunkle Ozean und viele, viele Meilen über demselben in nord-nordöstlicher Richtung liegt die Heimat. Vor meinem Geiste zog noch einmal die letzte Zeit vorüber. Ich war noch unter Euch, Ihr Lieben. Was ein Augenblick doch oft vermag. Nicht Tage, nicht Stunden gehörten dazu, eine einzige Minute, ein Wort und wie verändert sich mein Lebensziel. Nicht jugendlicher Leichtsinn, nicht Abenteuerlust, noch weniger ein böses Gewissen tragen Schuld, dass ich den heimischen Erdteil verließ. Es war eine innere Stimme, die mich gehen hieß und wohin ich gekommen, was ich gesehen, es war mir stets, als ob ich alles bereits früher gesehen. Nicht mit Gold ist es zu bezahlen, was ich alles sehen und erleben werde und weiß ich auch, dass Gefahren und Entbehrungen mitzunehmen sind, so bin ich, und ich kenne mich am besten wohl, gerade dazu geeignet, denselben nicht aus dem Wege zu gehen, und es werden die Erlebnisse dieser zwei Jahre mir im Alter noch angenehme Erinnerungen bieten. Gott möge mir auch fürder ein solch treuer Beschützer sein wie er es bisher gewesen.
Endlich – nach 16-tägigem fast ununterbrochenen Schwanken und Schaukeln – liegt das Schiff im Hafen von Kapstadt ruhig vor Anker. Als die Sonne aufgeht zeigen sich die rötlich kahlen Felsen von Tafelberg, Teufelsberg und Löwenkopf, die auf Robert einen eigentümlichen Eindruck machen. Nach Erledigung der Zollformalitäten wird er zusammen mit seinen Bergmannskollegen im Concordia Club Hotel untergebracht. Welch ein Zufall – der Wirt, ein Herr Störzel, ist Sachse aus Mittweida, sein Schwager sogar ein Bekannter von Robert aus Freiberg. Das bewirkt sofort einen freundschaftlichen Kontakt und garantiert gute Verpflegung. Eintrag im Tagebuch: „Hurrah! Deutsche Kost! Robert taut wieder auf.“
In Kapstadt
21.9.1884 - Kapstadt liegt am Fuße der Tafel- und Löwenberge. Von den ca. 40 000 Einwohnern sind ungefähr 15 000 Schwarze (Malayen, Kaffern, Buschmänner, Hottentotten etc.), 5 000 Deutsche (viele Sachsen) und der Rest sind Engländer, Holländer und Portugiesen. Unsere „Meta“58 ist vor einigen Tagen erst weg nach Angra Pequena und wir werden deshalb 8-14 Tage hier warten müssen. Na, mir kann es recht sein, wir wohnen fein, haben gutes Essen und nettes Taschengeld, die Zeit geht von den zwei Jahren ab und wird bezahlt. Wir machen fleißig Partien, auch auf den Tafelberg wollen wir. Es ist uns aber abgeraten worden, der Berg ist schwer zu besteigen, ein Paar Stiefel und Hosen gehen dabei drauf und dann gibt es bereits Tiger (Anmerkung: es sind Leoparden gemeint) in der Umgebung und wir haben keine Schusswaffen, dieselben liegen versiegelt auf dem Hafenzollamt, da wir den hohen Zoll (20 Mark pro Gewehrlauf) nicht bezahlen wollten. Wenn wir weiterreisen, bekommen wir dieselben wieder. Von den hier anwesenden Engländern werden uns keineswegs freundliche Gesichter gemacht, sobald sie erfahren, dass wir nach Angra reisen. Die hier anwesenden Deutschen sind begeistert für unsere neue Kolonie und ein halbes Dutzend habe ich abweisen müssen, die sich mir angeboten zur Mitreise. Ihnen sind die Verhältnisse auch nicht mehr so günstig wie früher. Arbeit ist schwer zu bekommen, der Verdienst ist nicht sehr groß, die Lebensmittelpreise sind aber sehr hoch. Alle Welt beneidet nun unser Engagement. Alle mitreisenden Deutschen sind ins Land nach den Diamantenfeldern bei Kimberley, unser Reiseziel hat sich auch geändert. Das Kanonenboot „Wolf“59 hat bereits Versuche angestellt mit einem Boot den Oranje-Fluß heraufzufahren. Brandung und Barrenvorlagen haben den Versuch vereitelt und auch wir würden mit unserer „Meta“, trotzdem sie klein und nur 1,8 Meter Tiefgang hat, keine besseren Resultate vor der Hand erzielen können. Wir fahren deshalb direkt bis Angra Pequena zur Lüderitz‘schen Faktorei und werden uns von da aus südlich halten.
Das bedeutet, die ursprüngliche Planung, die Expedition direkt mit dem Schiff an den Oranje zu bringen, musste auf Grund jüngster Erkundungsergebnisse vor Ort aufgegeben werden. Man muss umdisponieren und versuchen von Angra Pequena aus den Oranje auf dem Landweg zu erreichen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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