Auf Kupfersuche in Lüderitzland
Die Angra Pequena-Expedition
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
16. Folge
Strenggenommen war die Ausübung der „Schutzherrlichkeit“ noch nicht mit der Ausübung der staatlichen Souveränität gleichzusetzen. Zunächst ging es in erster Linie darum, sich wirtschaftliche Ansprüche zu sichern und das betreffende Schutzgebiet außenpolitisch zu vertreten. Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Schutzgebietes begann erst mit Aufbau einer funktionsfähigen Zentralverwaltung mit Polizei und Militär. Als Deutschland seine Truppenstärke in den 90-er Jahren erhöhte, sollten die Nama wie auch später die Herero sehr schnell feststellen, dass dies zwar auch der Sicherstellung von innerer Ruhe und Ordnung, vor allem aber der Durchsetzung deutscher Interessen diente. Die Häuptlinge behielten Hoheitsrechte, traten aber Teile davon ab und gerieten dadurch zunehmend in ein Abhängigkeitsverhältnis von der Reichsregierung. Land durfte nur noch mit deren Zustimmung veräußert werden. Deutsche durften sich im Vertragsgebiet frei bewegen, Handel treiben und sich landwirtschaftlich betätigen. Streitigkeiten zwischen der Firma Lüderitz und den Nama sollte durch einen amtlichen Vertreter der Regierung, der gleichzeitig die Gerichtsbarkeit über deutsche Staatsbürger besaß, entschieden werden. Die Namahäuptlinge behielten die richterliche Gewalt gegenüber ihren Stammesangehörigen, juristische Auseinandersetzungen zwischen Europäern und Eingeborenen sollte ein bilateral besetztes Gericht entscheiden.
Unterschiedliche Auffassungen bzgl. der Meilenfrage
Der Vertrag bestätigte ausdrücklich die Landverkäufe an Lüderitz bzw. seine Rechtsnachfolger. Allerdings bestanden zu diesem Zeitpunkt nach wie vor unterschiedliche Auffassungen bzgl. der Meilenfrage (Englische Meilen versus Geographische Meilen). Da keine Einigung erzielt wurde, schlug Nachtigal vor, die Angelegenheit der Deutschen Kaiserlichen Regierung zur Entscheidung vorzulegen. Dass er selbst Zweifel hatte, ob bei dem Kauf alles korrekt verlaufen war, zeigt sein Vermerk an Bismarck vom 9. Dezember 1884. Vogelsang, der bei den Verhandlungen anwesend war, bezeugte zwar, dass er unter den im 2. Vertrag aufgeführten „Geographischen Meilen“ „Deutsche Meilen“ (= 7,4 km) verstanden habe. Dies steht allerdings im Widerspruch zur bereits erwähnten Anweisung Lüderitz‘, man solle Kapitän Fredericks in dem Glauben belassen, es seien „englische Meilen“ gemeint (vgl. Kap. I 5 Zitat 38: Brief Lüderitz an Vogelsang vom 26.3.1884). Außerdem behaupteten die Bethanier, Vogelsang habe bei den damaligen Verhandlungen versichert, innerhalb der 20 (geographischen) Meilen läge nur Sandwüste. Dem entspricht die Aussage des Missionars Bam, Lüderitz selbst habe während seines Besuchs in Bethanien anhand eines Zirkels erläutert, sein Besitz reiche nach Abschluss des 2. Vertrages etwa bis Kaukausib, während bei Anwendung der Definition „Geographischer Meilen“ als „Deutsche Meilen“ die östliche Grenze von Lüderitzland auf der Höhe von Kuibes verlaufen würde. In diesem Falle würde das wertvolle Weideland von Aus bereits dem vom Bremer Kaufmann erworbenen Territorium angehören. Nachtigal schienen die Einwände der Bethanier als durchaus nachvollziehbar. Um dennoch zu einem Vertragsabschluss zu kommen, wurde im „Schutz- und Freundschaftsvertrag“ der Begriff „Geographische Meilen“ vermieden. Es ist dort in der Tat nur von „Meilen“ die Rede. Nachtigal hat Lüderitz seine Bedenken auch direkt schriftlich mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass dieser ohnehin auf dem gesamten Gebiet der Bethanier das alleinige Recht haben werde, Minen zu graben und auszubeuten etc. Es sei am Ende gleichgültig, ob er souveränes Recht auf einen großen Teil des Landes habe, wenn er es nur volkswirtschaftlich sich zu eigen machen könne. Wie wir später noch sehen werden, hatte das Wort Nachtigals ein so großes Gewicht, dass es bzgl. der Meilenfrage zu einer vorübergehenden Verunsicherung bei Lüderitz und seinen Mitarbeitern vor Ort führte. Allerdings ging die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika (DKGfSWA), die 1885 den Lüderitzschen Besitz erwerben sollte, in ihrem Jahresbericht von 1886 wieder von „Geographischen Meilen“ aus. Eine offizielle Klärung seitens der Regierung ist nie erfolgt.
Zur Ehrenrettung der DKGfSWA ist allerdings festzuhalten, dass sie auch ohne Regierungsentscheidung 10 Jahre später für eine Klarstellung und Entschädigung gesorgt hat. Auf Drängen von Josef Fredericks Nachfolger Paul Fredericks kam am 12. November 1894 eine erneute Verhandlung der nach wie vor schwelenden Angelegenheit zustande. Deren einvernehmliches Ergebnis wurde vertraglich fixiert. Demnach blieb es endgültig dabei, dass unter „geographischer Meile“ die alte deutsche Meile zu verstehen war. Die Sorge des Kapitäns der Bethanier, das Weideland von Aus und Kubub, das damit ohne Zweifel zu dem abgetretenen Gebiet gehörte, nicht mehr nutzen zu können, wurde aber ausgeräumt. Der Nama/Orlam-Stamm erhielt insbesondere das Recht, seine Pferde in dieser von Tierseuchen freien Region weiden zu lassen. In einer Zeit als im Namaland der Pferdebestand durch Seuchen bedroht war, hatte dieses verbriefte Recht besondere Bedeutung. Gleichzeitig sollte die genaue Entfernung von 20 geographischen Meilen von der Küste aus vermessen werden. Darüber hinaus verpflichtete sich die DKGfSWA den Neubau einer Kirche finanziell zu unterstützen. In einem ergänzenden Vertrag vom 15. Oktober 1896 wurde diese Summe auf 2 000 Mark festgelegt. Weiterhin erhielt Kapitän Fredericks eine Erhöhung der jährlich gezahlten Subventionen von 1 200 auf 2 000 Mark mit der Auflage den Mehrbetrag zum Nutzen der Gemeinde einzusetzen.
Zurück nach Angra Pequena. Nachdem sich die Expedition einigermaßen eingerichtet hatte, begann man mit den ersten Ausflügen in die unmittelbare Umgebung und dem ersten Suchen nach Erzen und anderen Bodenschätzen.
Strenggenommen war die Ausübung der „Schutzherrlichkeit“ noch nicht mit der Ausübung der staatlichen Souveränität gleichzusetzen. Zunächst ging es in erster Linie darum, sich wirtschaftliche Ansprüche zu sichern und das betreffende Schutzgebiet außenpolitisch zu vertreten. Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Schutzgebietes begann erst mit Aufbau einer funktionsfähigen Zentralverwaltung mit Polizei und Militär. Als Deutschland seine Truppenstärke in den 90-er Jahren erhöhte, sollten die Nama wie auch später die Herero sehr schnell feststellen, dass dies zwar auch der Sicherstellung von innerer Ruhe und Ordnung, vor allem aber der Durchsetzung deutscher Interessen diente. Die Häuptlinge behielten Hoheitsrechte, traten aber Teile davon ab und gerieten dadurch zunehmend in ein Abhängigkeitsverhältnis von der Reichsregierung. Land durfte nur noch mit deren Zustimmung veräußert werden. Deutsche durften sich im Vertragsgebiet frei bewegen, Handel treiben und sich landwirtschaftlich betätigen. Streitigkeiten zwischen der Firma Lüderitz und den Nama sollte durch einen amtlichen Vertreter der Regierung, der gleichzeitig die Gerichtsbarkeit über deutsche Staatsbürger besaß, entschieden werden. Die Namahäuptlinge behielten die richterliche Gewalt gegenüber ihren Stammesangehörigen, juristische Auseinandersetzungen zwischen Europäern und Eingeborenen sollte ein bilateral besetztes Gericht entscheiden.
Unterschiedliche Auffassungen bzgl. der Meilenfrage
Der Vertrag bestätigte ausdrücklich die Landverkäufe an Lüderitz bzw. seine Rechtsnachfolger. Allerdings bestanden zu diesem Zeitpunkt nach wie vor unterschiedliche Auffassungen bzgl. der Meilenfrage (Englische Meilen versus Geographische Meilen). Da keine Einigung erzielt wurde, schlug Nachtigal vor, die Angelegenheit der Deutschen Kaiserlichen Regierung zur Entscheidung vorzulegen. Dass er selbst Zweifel hatte, ob bei dem Kauf alles korrekt verlaufen war, zeigt sein Vermerk an Bismarck vom 9. Dezember 1884. Vogelsang, der bei den Verhandlungen anwesend war, bezeugte zwar, dass er unter den im 2. Vertrag aufgeführten „Geographischen Meilen“ „Deutsche Meilen“ (= 7,4 km) verstanden habe. Dies steht allerdings im Widerspruch zur bereits erwähnten Anweisung Lüderitz‘, man solle Kapitän Fredericks in dem Glauben belassen, es seien „englische Meilen“ gemeint (vgl. Kap. I 5 Zitat 38: Brief Lüderitz an Vogelsang vom 26.3.1884). Außerdem behaupteten die Bethanier, Vogelsang habe bei den damaligen Verhandlungen versichert, innerhalb der 20 (geographischen) Meilen läge nur Sandwüste. Dem entspricht die Aussage des Missionars Bam, Lüderitz selbst habe während seines Besuchs in Bethanien anhand eines Zirkels erläutert, sein Besitz reiche nach Abschluss des 2. Vertrages etwa bis Kaukausib, während bei Anwendung der Definition „Geographischer Meilen“ als „Deutsche Meilen“ die östliche Grenze von Lüderitzland auf der Höhe von Kuibes verlaufen würde. In diesem Falle würde das wertvolle Weideland von Aus bereits dem vom Bremer Kaufmann erworbenen Territorium angehören. Nachtigal schienen die Einwände der Bethanier als durchaus nachvollziehbar. Um dennoch zu einem Vertragsabschluss zu kommen, wurde im „Schutz- und Freundschaftsvertrag“ der Begriff „Geographische Meilen“ vermieden. Es ist dort in der Tat nur von „Meilen“ die Rede. Nachtigal hat Lüderitz seine Bedenken auch direkt schriftlich mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass dieser ohnehin auf dem gesamten Gebiet der Bethanier das alleinige Recht haben werde, Minen zu graben und auszubeuten etc. Es sei am Ende gleichgültig, ob er souveränes Recht auf einen großen Teil des Landes habe, wenn er es nur volkswirtschaftlich sich zu eigen machen könne. Wie wir später noch sehen werden, hatte das Wort Nachtigals ein so großes Gewicht, dass es bzgl. der Meilenfrage zu einer vorübergehenden Verunsicherung bei Lüderitz und seinen Mitarbeitern vor Ort führte. Allerdings ging die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika (DKGfSWA), die 1885 den Lüderitzschen Besitz erwerben sollte, in ihrem Jahresbericht von 1886 wieder von „Geographischen Meilen“ aus. Eine offizielle Klärung seitens der Regierung ist nie erfolgt.
Zur Ehrenrettung der DKGfSWA ist allerdings festzuhalten, dass sie auch ohne Regierungsentscheidung 10 Jahre später für eine Klarstellung und Entschädigung gesorgt hat. Auf Drängen von Josef Fredericks Nachfolger Paul Fredericks kam am 12. November 1894 eine erneute Verhandlung der nach wie vor schwelenden Angelegenheit zustande. Deren einvernehmliches Ergebnis wurde vertraglich fixiert. Demnach blieb es endgültig dabei, dass unter „geographischer Meile“ die alte deutsche Meile zu verstehen war. Die Sorge des Kapitäns der Bethanier, das Weideland von Aus und Kubub, das damit ohne Zweifel zu dem abgetretenen Gebiet gehörte, nicht mehr nutzen zu können, wurde aber ausgeräumt. Der Nama/Orlam-Stamm erhielt insbesondere das Recht, seine Pferde in dieser von Tierseuchen freien Region weiden zu lassen. In einer Zeit als im Namaland der Pferdebestand durch Seuchen bedroht war, hatte dieses verbriefte Recht besondere Bedeutung. Gleichzeitig sollte die genaue Entfernung von 20 geographischen Meilen von der Küste aus vermessen werden. Darüber hinaus verpflichtete sich die DKGfSWA den Neubau einer Kirche finanziell zu unterstützen. In einem ergänzenden Vertrag vom 15. Oktober 1896 wurde diese Summe auf 2 000 Mark festgelegt. Weiterhin erhielt Kapitän Fredericks eine Erhöhung der jährlich gezahlten Subventionen von 1 200 auf 2 000 Mark mit der Auflage den Mehrbetrag zum Nutzen der Gemeinde einzusetzen.
Zurück nach Angra Pequena. Nachdem sich die Expedition einigermaßen eingerichtet hatte, begann man mit den ersten Ausflügen in die unmittelbare Umgebung und dem ersten Suchen nach Erzen und anderen Bodenschätzen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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