Auf Kupfersuche in Lüderitzland
Die Angra Pequena-Expedition
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
17. Folge
In seinem ersten Brief aus Angra Pequena schildert Robert seine ersten Eindrücke von dem Land, das sie in den nächsten Wochen erforschen sollten, bevor es Richtung Oranje weiterging:
Angra Pequena/ Fort Vogelsang, den 30. Oktober 1884
Habe ich mir Angra Pequena so vorgestellt wie unseren Heller in Dresden, auf dem ich als Soldat manchmal fluchend herumgestiegen bin, so habe ich mich gewaltig geirrt, letzterer ist noch ein Paradies gegen Angra. Hausfarbe resp. Flagge des Herrn Lüderitz ist weiß-blau, ein weißer Anker auf blauem Grund, warum ist mir erst jetzt klar geworden; weiß ist sein Land, blau das Meer und der ewig heitere Himmel über ersterem. Der Anblick von Angra vom Meere aus und auch wenn man dasselbe durchwandert, ist alles andere nur nicht ermutigend, keinen Baum, keinen Strauch, kein grünes Grashälmchen findet das trostlos über diese Einöde irrende Auge. Einförmig und flach ist jedoch die Gegend nicht. Wo nicht das bloße Urgestein über die Sandfläche hervorragt, hat der Wind Berge, Hügel und Täler mit Hilfe des Sandes geschaffen und täglich ändert sich die Szenerie, wo heute ein größerer Sandhügel ist, sieht man morgen ein Tal usf. Der Sand rollt stets, nur deshalb sind auch bisher alle Versuche, Anpflanzungen hierselbst vorzunehmen, missglückt.
Unangenehm ist das Spielen des Windes mit dem trockenen Sande auch für Menschen und Tiere; nachmittags, wenn der Südost über die Sandflächen pfeift, lässt es sich im Freien nicht gut sein, Augen und Mund hat man stets voll Sand. Die mir mitgegebene Schutzbrille, lieber Vater, leistet mir sehr großen Nutzen und es wird Dir zur Genugtuung gereichen, wenn ich mich jetzt, nachdem ich sie nur auf Deinen speziellen Wunsch mitgenommen, herzlichst dafür bedanke. Und trotzdem lässt es sich hier recht besser leben und ich glaube, müsste ich 10 Jahre hier sein, unglücklich könnte ich mich nicht fühlen. Weiter im Innern soll es besser sein, schon weil da fast stets Windstille herrscht, ja eine deutsche Meile südlich von hier, in den Lagunen, wo wir selbst am Sonntag, der hier streng gefeiert wird, waren, gibt es schon ganz schöne, grüne Plätze. Angra soll eben von Mutter Natur am stiefmütterlichsten behandelt worden sein. Es hat nur, was allerdings auch sehr viel aufwiegt, einen sehr schönen Hafen. Dujé, der hier nach Wasser bohrt, ist heute 34 Fuß tief gekommen, er glaubt bestimmt Wasser, wenn auch in großer Teufe (bergmännischer Ausdruck für Tiefe), zu finden. Bis jetzt wird das Trinkwasser von dem 500 engl. Meilen entfernten Kapstadt bezogen. Da augenblicklich sehr viele durstige Kehlen hier sind, geht die kleine „Meta“ Freitag, also morgen, von hier weg nach K., um Wasser zu holen. Bin hierüber recht froh, bietet sich doch Gelegenheit, Euch ihr Lieben in diesem Jahre nochmals Nachricht von unserem Wohlbefinden zukommen zu lassen. Von Euch bin ich immer noch ohne Nachricht, der letzte Brief datiert vom 2. September. Hoffentlich bringt die kleine „Meta“ in ca. 4 Wochen Briefe für mich von Kapstadt mit, sollten wir allerdings in vier Wochen bereits weg sein von hier, so kann unter Umständen ein halbes Jahr vergehen, ehe ich etwas Näheres von Euch erfahre.
Wie die Aussichten augenblicklich sind, werden wir Weihnachten wohl hier in Angra feiern, da wir kein Zugvieh für unsere vier Wagen haben und dasselbe erst im Land aufkaufen müssen. Die Anzahl der Ochsen, die wir brauchen, ist enorm, 120 Stück, ca. 20 vor einen jeden Wagen, 20 zur Reserve, da bei den obwaltenden lokalen Verhältnissen ab und zu ein Stück Vieh draufgeht und 20 Stück als Schlachtvieh. Dass wir das Vieh erst kaufen müssen, ist Schuld des Herrn Lüderitz. Herr Vogelsang ist zu spät von der Angra Expedition resp. von unserem Aufbruch benachrichtigt worden. Nur mit fast zu großen Rechten versehen, hat er alle Ochsen nach der Kapkolonie zum Verkauf treiben lassen. Von hier aus werden wir in der Stärke von 24 bis 26 Mann mit vier Wagen ausrücken, und zwar mitten durchs Land nach dem Oranje River. Herr L. hat nochmals geschrieben, dass wir mit der „Meta“ zu Wasser nach letzterem Flusse geschafft werden sollen. Kapitän Piester will dies aber nur, der großen Gefahren für unser Schiff und unser Leben wegen, gegen schriftliche Entbindung seiner Verantwortlichkeit in allen Stücken tun. Es geht also per pedes nach dem Oranje River und dürften wir bei möglichst schneller Reise denselben in drei Monaten erreichen können.
Während der nächsten Wochen konzentriert sich die Expedition auf die Vermessung der Landkonturen und auf die systematische Suche nach Bodenschätzen. Da Robert an der Bergschule auch eine gründliche Ausbildung in Markscheidekunde, dem Vermessungswesen im Bergbau, erhalten hat und mit dem Theodolit und anderen Instrumenten umzugehen weiß, ist er als Assistent von Pohle mit dem entsprechenden Arbeiten und Berechnungen intensiv beschäftigt.
Angra Pequena, den 12. November 1884
Die Leute schießen am Elisabethberg eine Dynamitkammer aus. Ich vermesse und trianguliere, zeichne, berechne Winkel und beaufsichtige ab und zu die Leute. Arbeit gibt es somit genug. Nächste Tage werden wir damit beginnen, das von unseren Leuten losgeschossene und alles lose Gestein ins Meer, nicht wo es am tiefsten ist, sondern am Strande hineinzuwerfen, um zu ermöglichen, dass ein Schiff hier anlegen kann, was das Löschen der Ladung bedeutend erleichtern wird. Jetzt müssen größere Schiffe ca. 100 Meter vom Ufer vor Anker gehen und die Ladung in Booten ans Land geholt werden. Zu dieser Arbeit werden wir unsere Schwarzen verwenden; da ich wahrscheinlich auch diese mit zu überwachen haben werde, muss ich mich noch fleißig im Holländischen üben (ja, ja ihr Lieben, hätte auch nicht geglaubt im Leben einmal Holländisch zu lernen). Bis jetzt bin ich ohne Lehrbuch soweit, dass ich alles verstehe und mich mit Not verständlich machen kann. Sehr viel hat mir, da Holländisch sehr viel Ähnlichkeit mit dem Plattdeutschen hat, mein Aufenthalt am Rhein und in Norddeutschland genützt.
In seinem ersten Brief aus Angra Pequena schildert Robert seine ersten Eindrücke von dem Land, das sie in den nächsten Wochen erforschen sollten, bevor es Richtung Oranje weiterging:
Angra Pequena/ Fort Vogelsang, den 30. Oktober 1884
Habe ich mir Angra Pequena so vorgestellt wie unseren Heller in Dresden, auf dem ich als Soldat manchmal fluchend herumgestiegen bin, so habe ich mich gewaltig geirrt, letzterer ist noch ein Paradies gegen Angra. Hausfarbe resp. Flagge des Herrn Lüderitz ist weiß-blau, ein weißer Anker auf blauem Grund, warum ist mir erst jetzt klar geworden; weiß ist sein Land, blau das Meer und der ewig heitere Himmel über ersterem. Der Anblick von Angra vom Meere aus und auch wenn man dasselbe durchwandert, ist alles andere nur nicht ermutigend, keinen Baum, keinen Strauch, kein grünes Grashälmchen findet das trostlos über diese Einöde irrende Auge. Einförmig und flach ist jedoch die Gegend nicht. Wo nicht das bloße Urgestein über die Sandfläche hervorragt, hat der Wind Berge, Hügel und Täler mit Hilfe des Sandes geschaffen und täglich ändert sich die Szenerie, wo heute ein größerer Sandhügel ist, sieht man morgen ein Tal usf. Der Sand rollt stets, nur deshalb sind auch bisher alle Versuche, Anpflanzungen hierselbst vorzunehmen, missglückt.
Unangenehm ist das Spielen des Windes mit dem trockenen Sande auch für Menschen und Tiere; nachmittags, wenn der Südost über die Sandflächen pfeift, lässt es sich im Freien nicht gut sein, Augen und Mund hat man stets voll Sand. Die mir mitgegebene Schutzbrille, lieber Vater, leistet mir sehr großen Nutzen und es wird Dir zur Genugtuung gereichen, wenn ich mich jetzt, nachdem ich sie nur auf Deinen speziellen Wunsch mitgenommen, herzlichst dafür bedanke. Und trotzdem lässt es sich hier recht besser leben und ich glaube, müsste ich 10 Jahre hier sein, unglücklich könnte ich mich nicht fühlen. Weiter im Innern soll es besser sein, schon weil da fast stets Windstille herrscht, ja eine deutsche Meile südlich von hier, in den Lagunen, wo wir selbst am Sonntag, der hier streng gefeiert wird, waren, gibt es schon ganz schöne, grüne Plätze. Angra soll eben von Mutter Natur am stiefmütterlichsten behandelt worden sein. Es hat nur, was allerdings auch sehr viel aufwiegt, einen sehr schönen Hafen. Dujé, der hier nach Wasser bohrt, ist heute 34 Fuß tief gekommen, er glaubt bestimmt Wasser, wenn auch in großer Teufe (bergmännischer Ausdruck für Tiefe), zu finden. Bis jetzt wird das Trinkwasser von dem 500 engl. Meilen entfernten Kapstadt bezogen. Da augenblicklich sehr viele durstige Kehlen hier sind, geht die kleine „Meta“ Freitag, also morgen, von hier weg nach K., um Wasser zu holen. Bin hierüber recht froh, bietet sich doch Gelegenheit, Euch ihr Lieben in diesem Jahre nochmals Nachricht von unserem Wohlbefinden zukommen zu lassen. Von Euch bin ich immer noch ohne Nachricht, der letzte Brief datiert vom 2. September. Hoffentlich bringt die kleine „Meta“ in ca. 4 Wochen Briefe für mich von Kapstadt mit, sollten wir allerdings in vier Wochen bereits weg sein von hier, so kann unter Umständen ein halbes Jahr vergehen, ehe ich etwas Näheres von Euch erfahre.
Wie die Aussichten augenblicklich sind, werden wir Weihnachten wohl hier in Angra feiern, da wir kein Zugvieh für unsere vier Wagen haben und dasselbe erst im Land aufkaufen müssen. Die Anzahl der Ochsen, die wir brauchen, ist enorm, 120 Stück, ca. 20 vor einen jeden Wagen, 20 zur Reserve, da bei den obwaltenden lokalen Verhältnissen ab und zu ein Stück Vieh draufgeht und 20 Stück als Schlachtvieh. Dass wir das Vieh erst kaufen müssen, ist Schuld des Herrn Lüderitz. Herr Vogelsang ist zu spät von der Angra Expedition resp. von unserem Aufbruch benachrichtigt worden. Nur mit fast zu großen Rechten versehen, hat er alle Ochsen nach der Kapkolonie zum Verkauf treiben lassen. Von hier aus werden wir in der Stärke von 24 bis 26 Mann mit vier Wagen ausrücken, und zwar mitten durchs Land nach dem Oranje River. Herr L. hat nochmals geschrieben, dass wir mit der „Meta“ zu Wasser nach letzterem Flusse geschafft werden sollen. Kapitän Piester will dies aber nur, der großen Gefahren für unser Schiff und unser Leben wegen, gegen schriftliche Entbindung seiner Verantwortlichkeit in allen Stücken tun. Es geht also per pedes nach dem Oranje River und dürften wir bei möglichst schneller Reise denselben in drei Monaten erreichen können.
Während der nächsten Wochen konzentriert sich die Expedition auf die Vermessung der Landkonturen und auf die systematische Suche nach Bodenschätzen. Da Robert an der Bergschule auch eine gründliche Ausbildung in Markscheidekunde, dem Vermessungswesen im Bergbau, erhalten hat und mit dem Theodolit und anderen Instrumenten umzugehen weiß, ist er als Assistent von Pohle mit dem entsprechenden Arbeiten und Berechnungen intensiv beschäftigt.
Angra Pequena, den 12. November 1884
Die Leute schießen am Elisabethberg eine Dynamitkammer aus. Ich vermesse und trianguliere, zeichne, berechne Winkel und beaufsichtige ab und zu die Leute. Arbeit gibt es somit genug. Nächste Tage werden wir damit beginnen, das von unseren Leuten losgeschossene und alles lose Gestein ins Meer, nicht wo es am tiefsten ist, sondern am Strande hineinzuwerfen, um zu ermöglichen, dass ein Schiff hier anlegen kann, was das Löschen der Ladung bedeutend erleichtern wird. Jetzt müssen größere Schiffe ca. 100 Meter vom Ufer vor Anker gehen und die Ladung in Booten ans Land geholt werden. Zu dieser Arbeit werden wir unsere Schwarzen verwenden; da ich wahrscheinlich auch diese mit zu überwachen haben werde, muss ich mich noch fleißig im Holländischen üben (ja, ja ihr Lieben, hätte auch nicht geglaubt im Leben einmal Holländisch zu lernen). Bis jetzt bin ich ohne Lehrbuch soweit, dass ich alles verstehe und mich mit Not verständlich machen kann. Sehr viel hat mir, da Holländisch sehr viel Ähnlichkeit mit dem Plattdeutschen hat, mein Aufenthalt am Rhein und in Norddeutschland genützt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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