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Auf Kupfersuche in Lüderitzland

Vergessen in Laus – Aufregung in Aus
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
32. Folge

Vergessen in Laus – Aufregung in Aus

Viel Zeit zum Ausruhen bleibt nicht. Bereits am nächsten Tag steht für Robert eine neue Exkursion auf dem Programm. Pohle ergreift jeden Strohhalm, um doch noch Erfolg zu haben. In Laus (gemeint ist wahrscheinlich Klein Aus), ca. 30 engl. Meilen südwestlich von Aus hat ein Nama auf der Jagd einige lose Felsstücke gefunden, die Spuren von Kupfer enthalten. Um dieses Vorkommen genauer untersuchen zu können, will Pohle mit Robert und den beiden, mittlerweile aus Angra Pequena eingetroffenen Bergleuten Rau und Barth auf einem Ochsenwagen, der auch das notwendige Handwerkszeug mitführt, über Kubub dorthin fahren. Martin, der Nama, der den Fund gemacht hat, begleitet sie.

Robert berichtet:

Der Fundort ist gänzlich unbewohnt. Dass er überhaupt einen Namen hat, verdankt er dem Vorkommen von Wasser daselbst. Es ist überhaupt befremdend und nur durch die Menschenarmut des Landes erklärlich, dass selbst an Orten, die prachtvolles Quell- oder Flusswasser haben, keine Menschenseele sich aufhält. So ist z. B. auch Kuibes, von dem auch Ihr bereits gehört und welches auf allen Karten verzeichnet ist, gänzlich unbewohnt. In Laus findet man nur Regenwasser in Bänken. Bänke nennt man Vertiefungen, ausgewitterte Höhlen im Urgestein, gewöhnlich Gneis oder Granit. In diesen Bänken an Berglehnen oder wie hier in Laus am Fuße eines Gebirgszuges sammelt sich das Wasser bei größeren Niederschlägen. Da letzteres hier selten genug, so ist auch kein Verlass auf diese Wasserreservoirs, oftmals verdunstet das Wasser in denselben gänzlich oder es verrät seine Existenz bereits von Weitem und ist für Menschen und Tiere nicht zu trinken. Dass trotzdem solch abgestandenes Wasser im Notfall getrunken werden muss und getrunken worden ist, habe ich Euch schon in meinem vorigen Briefe, der von der Rückreise vom Oranje River erzählt, geschrieben. Jetzt haben wir in Laus gutes Wasser in den Bänken gefunden, da es erst am 2. Pfingsfeiertag tüchtig geregnet hat.

In Laus selbst sind nur lose Felsstücke, die allerdings Kupferkies und Buntkupfer enthalten, zu finden. Die Exkursion wird daher auf die umliegenden Höhen ausgedehnt. Zunächst werden auch hier nur Nester, aber keine Gänge gefunden. Erst nach sechs-tägier Suche entdeckt Robert einen Quarzgang, der ebenfalls Buntkupfererz und Kupferkies enthält. An diesem Gang soll jetzt in der Hoffnung, dass er hält was er verspricht, weitergearbeitet werden. Diese Arbeit wird den Freiberger Bergleuten überlassen. Pohle will nach Aus zurück, da noch weitere Exkursionen vorzubereiten sind. Wie immer muss Robert ihn begleiten. Da die Vorräte nicht mehr allzu lange reichen und man bisher im Wagen übernachtet hat, verspricht Pohle, nach Rückkehr von Aus sofort einen Wagen mit Zelt und Proviant zurückzuschicken.

Als Pohle und Robert in Aus ankommen, herrscht dort große Aufregung. Vogelsang ist abberufen worden, er soll durch einen Herrn John Müller ersetzt werden. Vollkommen unklar ist, wie es mit der sächsischen Bergbauexpedition weitergehen soll. Zwar wird zunächst noch weitergearbeitet, die Freiberger sehen aber ihren Kontrakt als aufgelöst an, wollen einen neuen Vertrag mit dem neuen Arbeitgeber und stellen Forderungen nach Lohnerhöhung. Ansonsten würden sie es vorziehen nach Hause zu gehen. Auch Conrad und seine Leute wollen unter den alten Bedingungen nicht mehr arbeiten. Robert schildert die Gründe für die allgemeine Unzufriedenheit.

14. Juni 1885 Bin aus Laus gestern Abend zurück. Hier angekommen ist auch mir bekannt gemacht worden, dass seit 1. März, dem Tage, an dem die Expedition von einem Konsortium übernommen worden (rückwirkend!), uns für alle Bedürfnisse höhere Preise als bisher verrechnet werden. Da die Erhöhung der Preise 100 und mehr Prozent betragen, herrscht hierüber allgemeine Entrüstung, umso mehr als unser Gehalt seinerzeit von Herrn Lüderitz den Preisen der Kleidungsstücke der verschiedensten Art, Tabak etc. gemäß normiert worden. Dass nun niemand es dem Herrn Lüderitz verdenken wird, aus seinem Handelsgeschäft so viel wie möglich Nutzen zu ziehen, steht fest. Doch hätte Herr Lüderitz bedenken sollen, dass, nachdem er uns verkauft und uns nun plötzlich um 100 % alle Lebensmittel steigert, niemand mehr für den alten Gehalt arbeiten will und kann. Ferner wird uns mitgeteilt, dass in Zukunft uns für jeden Brief, den die Firma von Kapstadt bis Angra mittels eigenem Schiffes befördert, 1 Schilling (=1 Mark) und für die Beförderung von Angra bis hierher mittels Wagen resp. Boten weitere 1 Schilling berechnet wird. Dieselben Preise werden gelten für Briefe, die wir von hier aus unseren Lieben nach Hause schreiben. Es kostet also jetzt ein einfacher Brief von hier bis Kapstadt 2 Mark und von Kapstadt bis Deutschland 60 Pfennig, demnach im Ganzen 2 Mark 60 Pfennig. Vorderhand haben wir gegen dieses Verteuerungsverfahren Protest erhoben und bitte und autorisiere ich Euch Ihr Lieben, falls eine Zeitung unsere Partei ergreifen will, diese uns unter dem 9. Juni 85 von dem Vertreter der Handelsfirma F.A.E. Lüderitz in Angra Pequena, Herrn John Müller, mitgeteilten Veränderungen, zu veröffentlichen.

Es gehört wahrlich genug Mühe und Liebe zur Sache dazu, in diesem Lande bei oft mangelhafter Kost und Logis die Entbehrungen zu ertragen und durchzumachen, die mit allen Arbeiten verbunden. Ist es demnach ein Wunder, dass wenn auf vorbeschriebener Art und Weise alles getan wird, uns das Leben und den Aufenthalt hier so „angenehm“ wie möglich zu machen, kein Mensch mehr hier bleiben will. Da für uns (die Expedition Pohle) von unseren jetzigen Herren keine Instruktionen eingetroffen, ist beschlossen worden, nachdem das erwähnte Vorkommen von Kupfererzen südlich von Aar näher festgestellt, nach Angra Pequena(Bai) zurück zu gehen und nachdem daselbst den bleiglanzführenden Gang untersucht, die Arbeiten der Expedition als beendet zu erklären. Das Land, welches uns bei den lokalen Verhältnissen zugänglich, ist gewissenhaft, soweit dies unsere Ausrüstung zuließ, untersucht. Das Vorkommen von abbauwürdigen Erzen über Tage, in der Menge und Güte wie für den Abbau in diesem Lande nötig, konnte nirgends konstatiert werden. Bergbau ist Lotterie. Wer Geld übrig hat, wende es hier zum Segen des Vaterlandes an, möglich das Glück – reiche Erze – stecken in größerer Teufe.

Dass die Nachricht wahr, die noch zwei Expeditionen zur Untersuchung des Landes unterwegs sein lässt, ist mir nicht glaublich. Denselben ist, wie man hier erzählt, der Auftrag zu Teil geworden, das Terrain, welches wir wegen Wassermangel und den Schwierigkeiten resp. der Unmöglichkeit, dahin zu gelangen, ununtersucht lassen mussten, nach Erzen abzusuchen. Bestätigt sich die Nachricht, so bedaure ich jedes der Mitglieder dieser Expeditionen, da ohne Verlust von Menschenleben diese Territorien, namentlich des Küstenstriches, (des eigentlichen Lüderitzlandes) sich kaum bewerkstelligen lassen wird.

Pohle verliert Vertrauen seiner Leute

In der ganzen Aufregung hat es Pohle versäumt, wie versprochen einen Wagen mit Zelt und Proviant für die beiden Bergleute nach Laus zu schicken. Zwei Tage nach Rückkehr bedrängt Robert ihn, sein Versprechen endlich in die Tat umzusetzen. Nachmittags regnet es heftig, Rau und Barth, „die armen Kerle“, sind ohne Schutz. Es wird ein weiterer Tag vergehen, bis Robert endlich, von einem Wagen und dem Treiber Samuel begleitet, zu Pferde aufbrechen darf. Er legt die Strecke im Eilritt zurück und erreicht Laus und die Kameraden noch vor Einbruch der Dunkelheit; nachts um 12 Uhr trifft auch Samuel mit dem Wagen ein. Es ist höchste Zeit, da die Bergleute kaum noch Proviant haben. Im höchsten Grade verärgert über die Verzögerung bzw. das nicht eingehaltene Versprechen des Expeditionsleiters wollen sie nicht mehr alleine in der abgelegenen Wildnis arbeiten. Da Robert bevollmächtigt war, die Untersuchungsarbeiten bei nicht befriedigendem Ergebnis einstellen zu lassen, trifft er genau diese Entscheidung, die er auch aus bergmännischer Sicht rechtfertigen kann. Der Kupfergehalt im untersuchten Gang war zwar durchaus gut, dennoch würden auch hier, da die Erze in Quarz vorkommen, wie an vielen anderen Stellen im Lande bedeutende Aufbereitungs- und Gewinnungskosten entstehen. Dr. Schenck, der das Vorkommen vier Wochen später nochmals begutachtet, kommt zu demselben Ergebnis.

Durch das wenig fürsorgliche Verhalten des Expeditionsleiters hatte das Vertrauen seiner Leute weiteren Schaden genommen. Pohle befand sich, davon muss man ausgehen, in einer Situation der deutlichen Überforderung. Da war vor allem der zunehmende Erfolgsdruck, endlich brauchbare Ergebnisse zu liefern. Das Gerücht, dass andere Expeditionen ausgerüstet und ins Land geschickt werden sollten, setzte ihn unter zunehmenden Zeitdruck. Hinzu kam, dass der 55-Jährige den körperlichen Belastungen der Expedition kaum noch gewachsen war. Darüber hinaus war er fast wehrlos hämischen und ehrenrührigen Presseberichten aus der Heimat ausgesetzt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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