Auf Kupfersuche in Lüderitzland
Die „Rotgültigaffäre“
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden abbauwürdiger Erze war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
34. Folge
Die „Rotgültigaffäre“ (Teil 2/2)
Die Öffentlichkeit in Deutschland, insbesondere in der sächsischen Heimat, war natürlich sehr erfreut über die günstigen Resultate, bis zu Beginn der 2. Aprilwoche die Zeitungen eine Notiz von Freiberg brachten, die die Freude deutlich abkühlte. Die aus Südwestafrika eingesandten Proben waren mittlerweile untersucht worden. Jetzt wurde in den Zeitungsberichten verlautbart, dass der Herr Bergwerksdirektor in einer unglücklichen Stunde Eisenglanz für Rotgültigerz angesehen habe und man auf einen Erzgang von 0,5 m Mächtigkeit seine ganze Hoffnung gesetzt habe.
Lüderitz war jetzt gezwungen, Stellung zu beziehen. Es sei zwar bedauerlich, dass Herr Direktor Pohle sich so geirrt habe und die Sendung sei gewiss nicht unter der Bezeichnung Rotgültigerz abgegangen, wenn der Chemiker Dr. Schenck nicht gerade abwesend (in Bethanien) gewesen sei. Diese Bemerkung bezieht sich auf Schencks Brief vom 2. Dezember, während sich Pohles Bewertungen möglicherweise in erster Linie auf die späteren Funde am Elisabethberg beziehen. Wie dem auch sei, als er Anfang Juni von der Berichterstattung erfuhr, muss ihm klar geworden sein, welche verheerende Wirkung diese „Rotgültigaffäre“ auf seine Reputation als Bergbauingenieur haben musste. Er stand blamiert da und konnte sich angesichts der damaligen Kommunikationsmöglichkeiten nicht wehren, obwohl er umgehend eine Gegendarstellung verfasste und per Post nach Deutschland schickte.
Gegenüber seinen Leuten behauptete der Expeditionsleiter, Lüderitz habe ein Bruchstück seines Briefes veröffentlicht, obwohl er (Pohle) gebeten hatte, dies zu unterlassen. Die beigegebene Sendung an seinen Freund, den Berginspektor Henke habe, so versichert er, nur relativ wertlose Gesteinsproben enthalten. Dem entsprach, wie von Robert bestätigt wird, auch ein entsprechendes Begleitschreiben. Die Expeditionsteilnehmer sind daher zunächst auf Seiten ihres Chefs und vermuten einen Zusammenhang zwischen der „Rotgüldigaffäre“ und dem Angra Pequena-Verkauf.
Am 18. Juni erhält Robert von seinem Freund Theodor Eichler einen Brief, dem der besagte Artikel des „Dresdner Anzeigers“ beigefügt ist. Jetzt, da er und seine Kameraden den Anlass des Skandals erstmals schwarz auf weiß lesen können, sind sie alle entsetzt. Tagebucheintrag: „Der Alte hat entsetzlich geschwindelt, wir alle sind empört, hat uns mit blamiert“. Ähnliche Aussagen finden sich in einem Brief vom selben Tag: „Herr Direktor Pohle mag die Suppe ausessen, die er eingebrockt hat“. Vollkommen unabhängig davon, wie er die Proben deklariert hatte; Pohle hatte in seiner positiven Darstellung total übertrieben und überzogene Hoffnungen erweckt. Möglicherweise hatte auch Lüderitz ihm gegenüber nicht korrekt agiert und die Veröffentlichung der nicht abgesicherten optimistischen Bewertung zu einem für ihn geschäftlich günstigen Zeitpunkt lanciert oder zumindest zugelassen, obwohl er es nach Schencks Warnung eigentlich besser hätte wissen müssen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Pohle und Lüderitz, der zwar im Juni 1885 nicht mehr der alleinige Arbeitgeber war, immerhin aber noch mit 40 % an der Kolonialgesellschaft beteiligt war und entsprechenden Einfluss hatte, muss nach diesen Vorkommnissen nachhaltig gestört gewesen sein.
Zum ersten Mal hat Robert seinen Vorgesetzten in seinem Tagebuch als den „Alten“ bezeichnet. Vorher hatte er ihn auch in diesen ganz persönlichen Aufzeichnungen stets „Herr Direktor“ genannt. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass er noch am selben Tag einen Brief an seinen Freund Fritz Schneider nach Spanien schreibt. Dieser ist dort als Ingenieur in einem Bleibergwerk beschäftigt und hatte Robert bereits vor dessen Abreise eingeladen, ebenfalls nach Spanien zu kommen, er könne ihm eine Stelle vermitteln.
Die „Hängepartie“ in Aus geht weiter. Die Expeditionsteilnehmer sind verunsichert, enttäuscht über die bisherigen Ergebnisse und empört über die von der Kolonialgesellschaft angehobenen Preise.
Aus, den 15. Juni 1885
Meine Lieben!
Ob Ihr nun wollt oder nicht wollt, zu Weihnachten werdet Ihr schon einen Platz in meiner Mitte einräumen müssen. Die Expedition kommt nach unserem Dafürhalten Ende Oktober oder Anfang November 1885 nach Hause. Uns allen groß und klein ist die Lust geschwunden, länger hoffnungslos in dieser Einöde zu arbeiten. Herr Direktor Pohle hat nun speziell bereits vor einigen Tagen, den Leuten aber heute erklärt, dass er mit dieser Post Herrn Lüderitz erklärt, nicht länger hier zu bleiben, da die Aufgabe der Expedition so gut es die durch die lokalen Verhältnisse bereiteten Schwierigkeiten gestattet haben, erfüllt ist und um seine Entlassung bittet, da die erzielten Resultate wenig hoffnungserweckend sind. Ein gleiches Gesuch senden Herr Dr. Schenck, Herr de Jongh, ich und alle Leute. Es herrschte in der letzten Zeit eine gewisse Spannung wie nach Verkauf des Landes sich alles gestalten würde. Dass nun so kurz ein Ende gemacht werden soll, kommt mir doch fremd vor. Herr Ingenieur Conrad sowie seine Leute haben ebenfalls bereits gekündigt. Kurz, alles, alles will die erste deutsche Kolonie verlassen. Unter uns gesagt ist aber auch eigentümlich von Herrn Lüderitz gehandelt worden. Da ist z. B. sein Verkauf des Landes. Bis jetzt ist uns darüber noch kein Wort mitgeteilt worden. Nur durch Zwischenpersonen und aus Zeitungen haben wir es erfahren. Sind wir eine Ware, die man verkauft?........
Das Verfahren des Herrn Lüderitz nach Verkauf von Angra, uns Händlerpreise für Waren anzurechnen, ist gelinde gesagt, eine Unverschämtheit. Unser Gehalt ist nach den gegebenen alten Warenpreisen gewährt und jetzt plötzlich 100 % mehr ohne Gehaltszulage?? Nee Aujust, det jeht nich; es müssten denn in Berlin keine Richter mehr wohnen.
Zunächst einmal wird formaler Protest gegen die erhöhten Preise eingelegt.
Die „Rotgültigaffäre“ (Teil 2/2)
Die Öffentlichkeit in Deutschland, insbesondere in der sächsischen Heimat, war natürlich sehr erfreut über die günstigen Resultate, bis zu Beginn der 2. Aprilwoche die Zeitungen eine Notiz von Freiberg brachten, die die Freude deutlich abkühlte. Die aus Südwestafrika eingesandten Proben waren mittlerweile untersucht worden. Jetzt wurde in den Zeitungsberichten verlautbart, dass der Herr Bergwerksdirektor in einer unglücklichen Stunde Eisenglanz für Rotgültigerz angesehen habe und man auf einen Erzgang von 0,5 m Mächtigkeit seine ganze Hoffnung gesetzt habe.
Lüderitz war jetzt gezwungen, Stellung zu beziehen. Es sei zwar bedauerlich, dass Herr Direktor Pohle sich so geirrt habe und die Sendung sei gewiss nicht unter der Bezeichnung Rotgültigerz abgegangen, wenn der Chemiker Dr. Schenck nicht gerade abwesend (in Bethanien) gewesen sei. Diese Bemerkung bezieht sich auf Schencks Brief vom 2. Dezember, während sich Pohles Bewertungen möglicherweise in erster Linie auf die späteren Funde am Elisabethberg beziehen. Wie dem auch sei, als er Anfang Juni von der Berichterstattung erfuhr, muss ihm klar geworden sein, welche verheerende Wirkung diese „Rotgültigaffäre“ auf seine Reputation als Bergbauingenieur haben musste. Er stand blamiert da und konnte sich angesichts der damaligen Kommunikationsmöglichkeiten nicht wehren, obwohl er umgehend eine Gegendarstellung verfasste und per Post nach Deutschland schickte.
Gegenüber seinen Leuten behauptete der Expeditionsleiter, Lüderitz habe ein Bruchstück seines Briefes veröffentlicht, obwohl er (Pohle) gebeten hatte, dies zu unterlassen. Die beigegebene Sendung an seinen Freund, den Berginspektor Henke habe, so versichert er, nur relativ wertlose Gesteinsproben enthalten. Dem entsprach, wie von Robert bestätigt wird, auch ein entsprechendes Begleitschreiben. Die Expeditionsteilnehmer sind daher zunächst auf Seiten ihres Chefs und vermuten einen Zusammenhang zwischen der „Rotgüldigaffäre“ und dem Angra Pequena-Verkauf.
Am 18. Juni erhält Robert von seinem Freund Theodor Eichler einen Brief, dem der besagte Artikel des „Dresdner Anzeigers“ beigefügt ist. Jetzt, da er und seine Kameraden den Anlass des Skandals erstmals schwarz auf weiß lesen können, sind sie alle entsetzt. Tagebucheintrag: „Der Alte hat entsetzlich geschwindelt, wir alle sind empört, hat uns mit blamiert“. Ähnliche Aussagen finden sich in einem Brief vom selben Tag: „Herr Direktor Pohle mag die Suppe ausessen, die er eingebrockt hat“. Vollkommen unabhängig davon, wie er die Proben deklariert hatte; Pohle hatte in seiner positiven Darstellung total übertrieben und überzogene Hoffnungen erweckt. Möglicherweise hatte auch Lüderitz ihm gegenüber nicht korrekt agiert und die Veröffentlichung der nicht abgesicherten optimistischen Bewertung zu einem für ihn geschäftlich günstigen Zeitpunkt lanciert oder zumindest zugelassen, obwohl er es nach Schencks Warnung eigentlich besser hätte wissen müssen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Pohle und Lüderitz, der zwar im Juni 1885 nicht mehr der alleinige Arbeitgeber war, immerhin aber noch mit 40 % an der Kolonialgesellschaft beteiligt war und entsprechenden Einfluss hatte, muss nach diesen Vorkommnissen nachhaltig gestört gewesen sein.
Zum ersten Mal hat Robert seinen Vorgesetzten in seinem Tagebuch als den „Alten“ bezeichnet. Vorher hatte er ihn auch in diesen ganz persönlichen Aufzeichnungen stets „Herr Direktor“ genannt. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass er noch am selben Tag einen Brief an seinen Freund Fritz Schneider nach Spanien schreibt. Dieser ist dort als Ingenieur in einem Bleibergwerk beschäftigt und hatte Robert bereits vor dessen Abreise eingeladen, ebenfalls nach Spanien zu kommen, er könne ihm eine Stelle vermitteln.
Die „Hängepartie“ in Aus geht weiter. Die Expeditionsteilnehmer sind verunsichert, enttäuscht über die bisherigen Ergebnisse und empört über die von der Kolonialgesellschaft angehobenen Preise.
Aus, den 15. Juni 1885
Meine Lieben!
Ob Ihr nun wollt oder nicht wollt, zu Weihnachten werdet Ihr schon einen Platz in meiner Mitte einräumen müssen. Die Expedition kommt nach unserem Dafürhalten Ende Oktober oder Anfang November 1885 nach Hause. Uns allen groß und klein ist die Lust geschwunden, länger hoffnungslos in dieser Einöde zu arbeiten. Herr Direktor Pohle hat nun speziell bereits vor einigen Tagen, den Leuten aber heute erklärt, dass er mit dieser Post Herrn Lüderitz erklärt, nicht länger hier zu bleiben, da die Aufgabe der Expedition so gut es die durch die lokalen Verhältnisse bereiteten Schwierigkeiten gestattet haben, erfüllt ist und um seine Entlassung bittet, da die erzielten Resultate wenig hoffnungserweckend sind. Ein gleiches Gesuch senden Herr Dr. Schenck, Herr de Jongh, ich und alle Leute. Es herrschte in der letzten Zeit eine gewisse Spannung wie nach Verkauf des Landes sich alles gestalten würde. Dass nun so kurz ein Ende gemacht werden soll, kommt mir doch fremd vor. Herr Ingenieur Conrad sowie seine Leute haben ebenfalls bereits gekündigt. Kurz, alles, alles will die erste deutsche Kolonie verlassen. Unter uns gesagt ist aber auch eigentümlich von Herrn Lüderitz gehandelt worden. Da ist z. B. sein Verkauf des Landes. Bis jetzt ist uns darüber noch kein Wort mitgeteilt worden. Nur durch Zwischenpersonen und aus Zeitungen haben wir es erfahren. Sind wir eine Ware, die man verkauft?........
Das Verfahren des Herrn Lüderitz nach Verkauf von Angra, uns Händlerpreise für Waren anzurechnen, ist gelinde gesagt, eine Unverschämtheit. Unser Gehalt ist nach den gegebenen alten Warenpreisen gewährt und jetzt plötzlich 100 % mehr ohne Gehaltszulage?? Nee Aujust, det jeht nich; es müssten denn in Berlin keine Richter mehr wohnen.
Zunächst einmal wird formaler Protest gegen die erhöhten Preise eingelegt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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