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Auf Kupfersuche in Lüderitzland

Nachbetrachtung
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden abbauwürdiger Erze war Lüderitz' letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
43. Folge

Verschollen (Teil 2/2)

Am 21. Oktober sieht Raynier Coetzee, ein Farmer, der in Kort Dorn am Oranje, etwa neun Meilen vor der Mündung wohnt, wie die beiden Deutschen den Fluss in einem Canvas-Boot hinunter rudern. Er bewirtet sie in seinem Haus und Lüderitz erzählt ihm von seiner Absicht, mit dem Boot über See bis nach Angra Pequena zu segeln. Coetzee rät ihm dringend davon ab, während der junge Steuermann Steingröver, auf seine See-Erfahrung verweisend, die Gefahr verneint.

Willem Tootjes, ein Nama, der noch weiter flussabwärts, kurz vor der Mündung, vom Fischfang lebt, will die Beiden ebenfalls noch lebend gesehen haben. Zusammen mit drei weiteren Eingeborenen hilft er, das leichte Boot zur nahe gelegenen Alexander Bay zu tragen (man hatte wohl eingesehen, dass eine Durchfahrt durch die Oranjemündung doch nicht möglich war!). Von Alexander Bay ruderten Lüderitz und Steingröver auf die offene See hinaus, setzten Segel und steuerten nach weiteren Zeugenaussagen in westliche Richtung. Sie wurden nie wieder gesehen.

Zeitung berichtet

Am Montag, den 14. Februar 1887 berichtet der „Dresdner Anzeiger“ (auszugweises Zitat):

Ueber den mißglückten Versuch des Afrikareisenden F.A.C. Lüderitz, die Reise von der Mündung des Oranjeflusses nach Angra Pequena in einem offenen Boote zurückzulegen, liegen jetzt aus Capstadt nähere Nachrichten vor ...

Am 23. November erfuhr Iselin, daß Lüderitz bis 20. desselben Monats noch nicht an seinem Reiseziel angelangt war. Am 6. Dezember ging von Angra Pequena aus die Meta unter Führung des Herrn John Müller in See, um Herrn Lüderitz zu suchen und nahm ein wohlausgerüstetes und mit einer vollzähligen und erfahrenen Mannschaft besetztes Rettungsboot mit sich. Zugleich ging eine Landexpedition von Angra Pequena aus nach der Alexanderbay. Am 23. Dezember kam die Meta in Port Nolloth an, ohne daß während des 17-tägigen Suchens die geringste Spur von dem vermißten Boote entdeckt worden wäre. Herr Müller verließ Port Nolloth am 25. Dezember und begab sich zu Pferde, die Küste entlang, nach der Alexander-Bay, woselbst er unzweifelhafte Spuren dafür vorfand, daß Lüderitz und Steingröver von dort aus die Bootsreise angetreten haben müssen; weiteres wurde von ihm jedoch nicht ermittelt. Auch Hesilein, der Führer der Landexpedition, war an der Alexander-Bay bereits angekommen. Am 30. Dezember traf Müller wieder in Port Nolloth ein, von wo aus er am 1. d.M. in dem großen Rettungsboote die Rückreise nach Angra Pequena angetreten hat, um, soweit es bei der starken Brandung möglich ist, sich der Küste zu nähern, nochmals jede kleine Bucht zu durchforschen. Auf die Nachricht von dem Vorgefallenen hat auch der Führer des Spenceschen Schoner „Seabird“, Kapitän Petersen, sofort seine Hülfe angeboten und die sämtlichen Inseln an der Küste abgesucht, ohne jedoch eine Spur zu entdecken. Herr Iselin hat Kapstadt mit dem nach Angra Pequena und nach Walfishbay bestimmten Schoner „Louis Alfred“ am 24. Dezember verlassen; derselbe beabsichtigte von Angra Pequena, wenn irgend möglich an der Küste entlang bis zur Mündung des Oranjeflusses vorzudringen. Es ist somit nichts unversucht gelassen, um Nachrichten über das Schicksal der Verunglückten zu erhalten. Auch die Möglichkeit, daß dieselben von einem vorüberfahrenden Schiff aufgenommen und gerettet wurden, erscheint ausgeschlossen.

Nach Ansicht des Schiffers Biester, Führer der Meta, ist es mehr als wahrscheinlich, daß der Untergang des Bootes bereits in den ersten 24 Stunden nach der Abreise aus der Alexander-Bay erfolgt ist. Der Wind, welcher bis zum 20. October Süd und Süd-Süd-Ost war, schlug an jenem Tage bei sehr hoher See nach Norden um, so daß es einem kleinen Boote, gegen Wind und See ankämpfend, ganz unmöglich gewesen sein muß, seinen Curs nach Norden zu verfolgen. Am 10. Januar ist auch der Spencesche Schoner „Lilla“ in Capstadt eingetroffen mit Nachrichten aus Walfish-Bay vom 22. Dezember, aus Sandwich Harbour vom 28. Dezember und aus Angra Pequena vom 18. Dezember v. J. ohne daß bis dahin an einem dieser Plätze von den Vermißten etwas gehört worden wäre.

Nach alledem scheint es festzustehen, daß Herr Lüderitz bei der gefahrvollen Fahrt seinen Tod gefunden hat.

Eigenschaften wurden zum Verhängnis

Die Tragik seines Schicksals besteht darin, dass die Eigenschaften, die Lüderitz zum Gründer des Deutschen Schutzgebietes Südwestafrika und zum unbestrittenen Wegbereiter und Motor des Wandels der Bismarckschen Kolonialpolitik machten, ihm auf seiner letzten Fahrt zum Verhängnis wurden. Er war ein unbeugsamer Visionär, der seine Ideen und Ziele mit Hingabe und Entschlossenheit bis hin zur Verbissenheit verfolgte. Bei aller Bewunderung seines Wagemutes, der in der abschließenden Betrachtung seines Biographen Schüßler zum Heroismus und zur Opferbereitschaft hochstilisiert wurde, muss nüchtern festgestellt werden, dass die beschriebenen Wesenszüge, verbunden mit dem ungeduldigen Drang, endlich Erfolg zu haben, zur Einschränkung von Objektivität und Urteilsfähigkeit geführt haben. Das machte ihn anfällig gegenüber sogenannten Beratern, die ihm, auf eigene berufliche Vorteile hoffend, nach dem Munde redeten. Seine letzte Expedition war ein absolut unnötiges Unterfangen, bei dem keine neuen Erkenntnisse gewonnen, sondern, wie bei objektiver Betrachtung nicht anders zu erwarten war, lediglich die Untersuchungsergebnisse der sächsischen Bergbauexpedition des Vorjahres bestätigt wurden. Sein letzter Entschluss war eine tollkühne Herausforderung des Schicksals.

Nachdem sein Tod endgültig feststand, beschloss der Deutsche Kolonialverein, die Bucht von Angra Pequena ihm zu Ehren „Lüderitzbucht“ zu nennen. Die dort entstehende Stadt trägt noch heute seinen Namen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-22

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