Blauer Diamant
„Blauer Diamant“ ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika, nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff ,Windhuk'? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
4. Folge
Am 2. Oktober 1909, einen Tag vor dem Auslaufen des Dampfers, fuhren wir, meine Mutter und ich, bereits morgens zusammen nach Hamburg. Für die folgende Nacht hatten wir dort zwei Zimmer im Hotel Savoy genommen, das nur einen Katzensprung vom Bahnhof entfernt lag. Meinen doch ziemlich schweren Überseekoffer ließ ich bei der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof. Dort konnte er bis morgen früh stehen bleiben. Die wenigen Dinge, die ich für eine Nacht im Hotel brauchte, hatte ich in einem zweiten Handkoffer.
Wir waren beide bisher noch nicht in Hamburg gewesen und so nahmen wir uns vor, zunächst, nachdem wir uns im Hotel erfrischt hatten, einen ausgedehnten Stadtbummel zu machen. Diese altehrwürdige Hansestadt hatte Besuchern aus dem Binnenland ja viel an Geschäften und Sehenswürdigkeiten zu bieten.
Aber zuvor wollten wir unsere Neugier befriedigen und uns einen Eindruck vom Hafen verschaffen. Geschäfte gab es überall, doch ein Überseehafen, das war schon etwas Einmaliges für uns Landratten. Vom Portier ließen wir uns den Weg beschreiben und dann machten wir uns auf in Richtung Elbe.
In der Nacht hatte es etwas geregnet, doch inzwischen schien die Sonne vom von Wolken fast leergefegten Himmel. Für Anfang Oktober war es noch angenehm warm. Der Wind hatte die Straßen bereits wieder trocken geblasen, nur hier und da stand noch eine kleine Pfütze. Nach kurzer Zeit stießen wir auf einen breiten Kanal und sahen als erstes die beeindruckende, mehrere hundert Meter lange Front der aus roten Ziegeln erbauten, mehrstöckigen Lagerhäuser auf dem gegenüberliegenden Ufer, dem Freihafen. Dort drüben prangten die Namen der verschiedenen Handelskompanien in großen Lettern weithin sichtbar auf den aufwendig gestalteten Fassaden. Einige kamen mir bekannt vor. Hatte ich sie nicht auf den Kisten in unserem Lager gesehen?
Es war ein geschäftiges Treiben drüben auf der anderen Flussseite. Kleinere Leichter, das waren kleine flache Schiffe, hatten im Umschlaghafen die Waren aus Übersee von den großen Frachtern übernommen und hierher gebracht. Sie lagen jetzt vertäut vor den Lagerhäusern und wurden entladen. Mit Flaschenzügen wurden Säcke und Kisten hochgehievt und verschwanden in den dunklen Öffnungen der Lagerhäuser. Sicherlich hatten auch viele Dinge wie Tee, Kaffee und exotische Gewürze, die wir in unserem Kolonialwarenladen verkauften, den gleichen Weg genommen. Wir schlenderten langsam weiter. Der Weg zog sich ganz schön in die Länge.
Hafen Besichtigung
„Sollen wir weitergehen und uns den Hafen ansehen, oder machen wir das morgen früh? Wir müssen morgen ja sowieso zum Hafen. Dann könnten wir uns jetzt eine Droschke nehmen und im Zentrum bummeln.“ Ich sah meine Mutter fragend an.
„Ich kann noch laufen, falls du darauf versteckt anspielen wolltest. Nun, ich denke, wir können noch das letzte Stück in Richtung Hafen gehen, ohne heute eine umfassende Hafenbesichtigung zu machen. Nur damit man einen ersten Eindruck gewinnt.“
Die Neugier trieb uns also doch bis zum Hafen. Ein Hafen ist für Inländer nun einmal interessanter als noch so schöne Geschäfte. Wir gingen weiter am Kanal entlang, bis wir diesen wichtigen europäischen Seeterminal erreichten und einen Überblick über den Passagierschiffbereich hatten.
Im Moment lag nur ein Schiff am Kai, aber was für eins! Es gab nur einen passenden Ausdruck: gigantisch! Kaiser Wilhelm der Große las ich in großen Lettern am Bug.
Als wir, an das Geländer des Weges gelehnt, das riesige Schiff bestaunten, gesellte sich ein älterer Mann zu uns. Er sprach uns mit dem typischen Hamburger Dialekt an und wollte wissen, woher wir kämen. Es war einer jener freundlichen Menschen, die immer gesprächsbereit sind und mit ihrem Wis-sen den Fremden helfen wollen. So entwickelte sich tatsächlich ein für uns sehr informatives Gespräch.
Es stellte sich heraus, dass der Mann offensichtlich alle Daten der großen Schiffe bis ins Detail kannte. Er war ein wandelndes Lexikon und erzählte uns, dass das vor uns liegende Schiff 1897 in der Vulkanwerft in Stettin gebaut worden war. Es hatte 14 349 Bruttoregistertonnen, war 196 Meter lang und 20 Meter breit. Es besaß zwei Schrauben, die von zwei modernen Dreifach-Expansions-Dampfmaschinen angetrieben wurden. Die Mannschaft bestand aus 488 Mann. Das riesige Schiff hatte Platz für 558 Passagiere in der 1. Klasse, 338 in der 2. Klasse und im Zwischendeck konnten 1 074 Passagiere untergebracht werden. Noch immer gehörte es, trotz seiner inzwischen zwölf Jahre, zu den schnellsten Schiffen auf dem Nordatlantik. Vier riesige Schornsteine zeugten von der enormen Kraft dieses trotz seiner Größe schlank wirkenden Schiffes. Es war ein überwältigender Anblick.
Im Inland erzählt man immer und ich habe es geglaubt, die Hamburger wären stur und schwer zugänglich. Zumindest hier wurden wir eines Besseren belehrt. Wir dankten dem Unbekannten für die informative Unterhaltung. Fast hätte ich ihm ein Trinkgeld gegeben.
So mit Fachwissen vollgestopft, sahen wir vom erhöhten Fußweg hinunter auf die langen Schwimmpontons, an denen der Luxusliner festgemacht war. Diese schwimmenden Laufstege waren an der Hafenmauer befestigt und schwammen im Wasser auf riesigen Hohlkörpern. Dadurch passten sie sich den unterschiedlichen Wasserhöhen bei Ebbe und bei Flut an und man hatte immer eine gleichbleibende Ebene zum vertäuten Schiff. Eine raffinierte Lösung.
An das Geländer gelehnt betrachteten wir noch die Details dieses mehrstöckigen Schiffes und sahen eine Weile dem Gewimmel am Kai zu. Morgen würden wir uns den Hafen noch etwas genauer ansehen und vielleicht eine Hafenrundfahrt machen. Mit diesem ersten Eindruck vom Hafen gaben wir uns zunächst einmal zufrieden und ließen uns von einer Droschke in das Zentrum fahren, um durch die Geschäftsstraßen zu bummeln.
Am späten Nachmittag saßen wir in einem Café mit Blick auf die Alster. Es war erstaunlich, wie sich das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir in den letzten Wochen positiv verändert hatte. Soviel Harmonie auf einmal zwischen uns war mir schon fast unheimlich.
„Pass gut auf dich auf und lass dich nicht in dubiose Geschichten ein. Und schreibe gleich, wenn du angekommen bist.“ Meine Mutter hatte, wie Mütter so sind, einen ganzen Korb voller guter Ratschläge für mich.
„Ich werde schon nicht unter die Räder kommen. Die Jahre in Dresden habe ich ja auch ohne dich irgendwie überstanden. Ich werde dir bereits von unterwegs schreiben, dann kann ich den Brief in Las Palmas aufgeben und er erreicht dich etwa zu der Zeit, wenn ich in Swakopmund ankomme.“
4. Folge
Am 2. Oktober 1909, einen Tag vor dem Auslaufen des Dampfers, fuhren wir, meine Mutter und ich, bereits morgens zusammen nach Hamburg. Für die folgende Nacht hatten wir dort zwei Zimmer im Hotel Savoy genommen, das nur einen Katzensprung vom Bahnhof entfernt lag. Meinen doch ziemlich schweren Überseekoffer ließ ich bei der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof. Dort konnte er bis morgen früh stehen bleiben. Die wenigen Dinge, die ich für eine Nacht im Hotel brauchte, hatte ich in einem zweiten Handkoffer.
Wir waren beide bisher noch nicht in Hamburg gewesen und so nahmen wir uns vor, zunächst, nachdem wir uns im Hotel erfrischt hatten, einen ausgedehnten Stadtbummel zu machen. Diese altehrwürdige Hansestadt hatte Besuchern aus dem Binnenland ja viel an Geschäften und Sehenswürdigkeiten zu bieten.
Aber zuvor wollten wir unsere Neugier befriedigen und uns einen Eindruck vom Hafen verschaffen. Geschäfte gab es überall, doch ein Überseehafen, das war schon etwas Einmaliges für uns Landratten. Vom Portier ließen wir uns den Weg beschreiben und dann machten wir uns auf in Richtung Elbe.
In der Nacht hatte es etwas geregnet, doch inzwischen schien die Sonne vom von Wolken fast leergefegten Himmel. Für Anfang Oktober war es noch angenehm warm. Der Wind hatte die Straßen bereits wieder trocken geblasen, nur hier und da stand noch eine kleine Pfütze. Nach kurzer Zeit stießen wir auf einen breiten Kanal und sahen als erstes die beeindruckende, mehrere hundert Meter lange Front der aus roten Ziegeln erbauten, mehrstöckigen Lagerhäuser auf dem gegenüberliegenden Ufer, dem Freihafen. Dort drüben prangten die Namen der verschiedenen Handelskompanien in großen Lettern weithin sichtbar auf den aufwendig gestalteten Fassaden. Einige kamen mir bekannt vor. Hatte ich sie nicht auf den Kisten in unserem Lager gesehen?
Es war ein geschäftiges Treiben drüben auf der anderen Flussseite. Kleinere Leichter, das waren kleine flache Schiffe, hatten im Umschlaghafen die Waren aus Übersee von den großen Frachtern übernommen und hierher gebracht. Sie lagen jetzt vertäut vor den Lagerhäusern und wurden entladen. Mit Flaschenzügen wurden Säcke und Kisten hochgehievt und verschwanden in den dunklen Öffnungen der Lagerhäuser. Sicherlich hatten auch viele Dinge wie Tee, Kaffee und exotische Gewürze, die wir in unserem Kolonialwarenladen verkauften, den gleichen Weg genommen. Wir schlenderten langsam weiter. Der Weg zog sich ganz schön in die Länge.
Hafen Besichtigung
„Sollen wir weitergehen und uns den Hafen ansehen, oder machen wir das morgen früh? Wir müssen morgen ja sowieso zum Hafen. Dann könnten wir uns jetzt eine Droschke nehmen und im Zentrum bummeln.“ Ich sah meine Mutter fragend an.
„Ich kann noch laufen, falls du darauf versteckt anspielen wolltest. Nun, ich denke, wir können noch das letzte Stück in Richtung Hafen gehen, ohne heute eine umfassende Hafenbesichtigung zu machen. Nur damit man einen ersten Eindruck gewinnt.“
Die Neugier trieb uns also doch bis zum Hafen. Ein Hafen ist für Inländer nun einmal interessanter als noch so schöne Geschäfte. Wir gingen weiter am Kanal entlang, bis wir diesen wichtigen europäischen Seeterminal erreichten und einen Überblick über den Passagierschiffbereich hatten.
Im Moment lag nur ein Schiff am Kai, aber was für eins! Es gab nur einen passenden Ausdruck: gigantisch! Kaiser Wilhelm der Große las ich in großen Lettern am Bug.
Als wir, an das Geländer des Weges gelehnt, das riesige Schiff bestaunten, gesellte sich ein älterer Mann zu uns. Er sprach uns mit dem typischen Hamburger Dialekt an und wollte wissen, woher wir kämen. Es war einer jener freundlichen Menschen, die immer gesprächsbereit sind und mit ihrem Wis-sen den Fremden helfen wollen. So entwickelte sich tatsächlich ein für uns sehr informatives Gespräch.
Es stellte sich heraus, dass der Mann offensichtlich alle Daten der großen Schiffe bis ins Detail kannte. Er war ein wandelndes Lexikon und erzählte uns, dass das vor uns liegende Schiff 1897 in der Vulkanwerft in Stettin gebaut worden war. Es hatte 14 349 Bruttoregistertonnen, war 196 Meter lang und 20 Meter breit. Es besaß zwei Schrauben, die von zwei modernen Dreifach-Expansions-Dampfmaschinen angetrieben wurden. Die Mannschaft bestand aus 488 Mann. Das riesige Schiff hatte Platz für 558 Passagiere in der 1. Klasse, 338 in der 2. Klasse und im Zwischendeck konnten 1 074 Passagiere untergebracht werden. Noch immer gehörte es, trotz seiner inzwischen zwölf Jahre, zu den schnellsten Schiffen auf dem Nordatlantik. Vier riesige Schornsteine zeugten von der enormen Kraft dieses trotz seiner Größe schlank wirkenden Schiffes. Es war ein überwältigender Anblick.
Im Inland erzählt man immer und ich habe es geglaubt, die Hamburger wären stur und schwer zugänglich. Zumindest hier wurden wir eines Besseren belehrt. Wir dankten dem Unbekannten für die informative Unterhaltung. Fast hätte ich ihm ein Trinkgeld gegeben.
So mit Fachwissen vollgestopft, sahen wir vom erhöhten Fußweg hinunter auf die langen Schwimmpontons, an denen der Luxusliner festgemacht war. Diese schwimmenden Laufstege waren an der Hafenmauer befestigt und schwammen im Wasser auf riesigen Hohlkörpern. Dadurch passten sie sich den unterschiedlichen Wasserhöhen bei Ebbe und bei Flut an und man hatte immer eine gleichbleibende Ebene zum vertäuten Schiff. Eine raffinierte Lösung.
An das Geländer gelehnt betrachteten wir noch die Details dieses mehrstöckigen Schiffes und sahen eine Weile dem Gewimmel am Kai zu. Morgen würden wir uns den Hafen noch etwas genauer ansehen und vielleicht eine Hafenrundfahrt machen. Mit diesem ersten Eindruck vom Hafen gaben wir uns zunächst einmal zufrieden und ließen uns von einer Droschke in das Zentrum fahren, um durch die Geschäftsstraßen zu bummeln.
Am späten Nachmittag saßen wir in einem Café mit Blick auf die Alster. Es war erstaunlich, wie sich das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir in den letzten Wochen positiv verändert hatte. Soviel Harmonie auf einmal zwischen uns war mir schon fast unheimlich.
„Pass gut auf dich auf und lass dich nicht in dubiose Geschichten ein. Und schreibe gleich, wenn du angekommen bist.“ Meine Mutter hatte, wie Mütter so sind, einen ganzen Korb voller guter Ratschläge für mich.
„Ich werde schon nicht unter die Räder kommen. Die Jahre in Dresden habe ich ja auch ohne dich irgendwie überstanden. Ich werde dir bereits von unterwegs schreiben, dann kann ich den Brief in Las Palmas aufgeben und er erreicht dich etwa zu der Zeit, wenn ich in Swakopmund ankomme.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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