Blauer Diamant
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren Sie mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
5. Folge
Am nächsten Morgen war es dann soweit. Ich packte meine Sachen zusammen und anschließend nahmen wir eine Droschke, holten meinen Koffer vom Bahnhof und gaben dafür den Koffer meiner Mutter ab. Anschließend ging es weiter zum Hafen.
Es war beeindruckend! Hier herrschten ein reges Treiben und ein wirres Durcheinander von Reisenden, Kofferträgern, Matrosen und Souvenirverkäufern. Alle liefen scheinbar planlos durcheinander. Es erinnerte mich an einen Ameisenhaufen.
Diese riesigen Dampfer, die hier am Kai lagen und auf ihre Passagiere warteten, waren doch viel größer, als ich sie mir immer vorgestellt hatte, das hatte ich gestern schon festgestellt. Bisher kannte ich nur die Ausflugsdampfer auf der Elbe bei Dresden. Die würde man hier mit Barkassen verwechseln.
Kaiser Wilhelm der Große war verschwunden, aber seinen Platz hatte ein anderes gewaltiges Schiff von etwa der gleichen Größe mit vier rauchenden Schornsteinen eingenommen. Dort herrschte schon reges Treiben und Winken. Das Schiff musste gestern noch am späten Nachmittag oder Abend angekommen sein. Es war sicher nicht mein Schiff, weil meines erst am späten Nachmittag auslaufen sollte. Da wäre um diese Zeit bestimmt noch nicht so viel Hektik. Nein, am Bug stand ja auch in großen Buchstaben Deutschland. Trotzdem gingen wir neugierig näher heran und studierten den Fahrplan. Ein Matrose mit einer Mütze, auf der der Name Deutschland eingestickt war, kam nahe an uns vorbei. Ich nutzte die Gelegenheit, um meine Neugier zu befriedigen. Die Informationsstunde gestern hatte mich angesteckt und ich wollte auch Details über dieses riesige Schiff wissen. Ich sprach den Matrosen an und fragte ihn, wie schnell sein Schiff wäre. Stolz erzählte er, dass das Schiff 23 Knoten in der Stunde zurücklegte, das entsprach 36 Kilometern. Bereits bei seiner Jungfernfahrt hatte die 37 800 PS starke Deutschland das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung errungen. Um 13.30 Uhr wollten sie in See stechen, das heißt, zunächst musste man natürlich erst die Elbe hinunter, bevor man das Meer erreichte. Fahrtziel war New York, über Dover und Cherbourg. Voraussichtliche Fahrtzeit knapp sechs Tage.
„Donnerwetter“, entfuhr es mir, das war aber verdammt schnell. Die Windhuk brauchte nach Lüderitzbucht drei Wochen! Entweder war Lüderitzbucht soviel weiter, oder die Windhuk war viel langsamer, oder es traf von beidem etwas zu.
Nachdem wir die riesige Deutschland genügend bestaunt hatten, suchten wir die Windhuk. Da war sie ja, gleich das nächste Schiff, keine 30 Meter hinter der Deutschland. Zwar immer noch beeindruckend, aber deutlich kleiner.
Wir gingen zur Gangway und ich zeigte dem kontrollierenden Offizier meine Reisepapiere vor. Meine Mutter wollte unbedingt meine Kabine sehen und, wenn möglich, auch etwas mehr vom Schiff.
Schiffsbesichtigung
„Kein Problem“, sagte der Offizier, sie durfte selbstverständlich mit an Bord. Wann hatte man als Inländer schon einmal die Gelegenheit zu einer ausgiebigen Schiffsbesichtigung! Ein Matrose nahm meinen großen Koffer und führte uns zu meiner Kabine. Und, obwohl deutlich kleiner als die Deutschland, war ich überrascht, wie viele verwirrende Gänge sich durch dieses Schiff zogen.
Mein Reisegefährte war anscheinend noch nicht eingetroffen, jedenfalls war in der Kabine noch kein Gepäck zu sehen. Ich ging zum verschlossenen Bullauge und schaute fasziniert auf das gegenüberliegende Trockendock, in dem ein Frachter einen neuen Anstrich erhielt.
Meine Mutter hatte inzwischen genauestens die Kabine und den kleinen, separaten Waschraum inspiziert und meinte: „Klein und zweckmäßig, aber doch gemütlich. Alles sauber. Ist zwar kein Tanzsaal, aber du hast ja oben genügend Auslauf.“
„Dann lass uns doch einmal sehen, was das Schiff sonst noch zu bieten hat“, schlug ich vor.
Wir traten auf den Flur und ich schloss meine Kabine ab. Den Lageplan in der Hand schlenderten wir in Richtung Speisesaal, der laut Plan nicht weit von meiner Kabine lag. Obwohl die Gänge schmal waren, war ich überrascht, wie groß auch hier alles war. Wie weitläufig und verwirrend musste es dann erst auf den ganz großen Schiffen sein!
Die langen Tischreihen wurden bereits für das Abendessen gedeckt. Schwarz gekleidete Ober liefen geschäftig mit Tafelgeschirr und Bestecken hin und her. Die Bar in der hinteren rechten Ecke war zwar noch geschlossen, doch der Barmann kontrollierte anscheinend seine Vorräte und Gläser. Wir würden uns an den nächsten Abenden bestimmt noch näher kennenlernen. Aber im Moment waren wir hier nur im Wege, und so gingen wir an Deck. Die Aufbauten schienen frisch gestrichen zu sein. An den Längsseiten hingen auch hier, wie bei der Deutschland, die Rettungsboote, wie aufgereiht, hintereinander und als wir auf unserem Weg den hinteren Teil des Schiffes erreichten, entdeckten wir sogar ein kleines Schwimmbad von schätzungsweise vier mal sechs Metern.
„Ich denke, hier wirst du es die drei Wochen gut aushalten können. Vielleicht lernst du auch nette Leute kennen.“ Meine Mutter sah sich noch einmal um. „Hoffentlich hast du eine nicht so unruhige Überfahrt. Ich glaube, ich würde schon bei der geringsten Schaukelei seekrank. Und wenn du in Afrika bist, sei nicht waghalsig. Löwen sind kräftig und schnell und Schlangengift kann tödlich sein. Pass gut auf dich auf, mein Sohn.“
„Ist schon gut. Ich werde auf mich aufpassen und keinem Löwen auf den Schwanz treten und die Schlangen machen sich ja bekanntlich durch Klappern bemerkbar, bevor sie zubeißen. Und Kannibalen gibt es dort auch nicht.“
Ich versuchte, das jetzt aufkommende, eigenartige Gefühl des nahenden Abschieds zu überspielen. Mir wurde erst jetzt richtig bewusst, dass wir uns eine lange Zeit nicht mehr sehen würden. Und dabei hatte ich gedacht, die Abreise würde mich in keiner Weise berühren.
Als wir unten auf dem Kai ankamen, umarmten wir uns. „Nochmals! Pass auf dich auf!“ Mutter war wirklich sehr besorgt um mich.
„Mach dir keine Sorgen, ich komme schon heil wieder, Maman!“. Ohne zu überlegen hatte ich das von mir über Jahre gebrauchte Wort „Mutter“ spontan durch das französische „Maman“, wie früher, ersetzt.
Am nächsten Morgen war es dann soweit. Ich packte meine Sachen zusammen und anschließend nahmen wir eine Droschke, holten meinen Koffer vom Bahnhof und gaben dafür den Koffer meiner Mutter ab. Anschließend ging es weiter zum Hafen.
Es war beeindruckend! Hier herrschten ein reges Treiben und ein wirres Durcheinander von Reisenden, Kofferträgern, Matrosen und Souvenirverkäufern. Alle liefen scheinbar planlos durcheinander. Es erinnerte mich an einen Ameisenhaufen.
Diese riesigen Dampfer, die hier am Kai lagen und auf ihre Passagiere warteten, waren doch viel größer, als ich sie mir immer vorgestellt hatte, das hatte ich gestern schon festgestellt. Bisher kannte ich nur die Ausflugsdampfer auf der Elbe bei Dresden. Die würde man hier mit Barkassen verwechseln.
Kaiser Wilhelm der Große war verschwunden, aber seinen Platz hatte ein anderes gewaltiges Schiff von etwa der gleichen Größe mit vier rauchenden Schornsteinen eingenommen. Dort herrschte schon reges Treiben und Winken. Das Schiff musste gestern noch am späten Nachmittag oder Abend angekommen sein. Es war sicher nicht mein Schiff, weil meines erst am späten Nachmittag auslaufen sollte. Da wäre um diese Zeit bestimmt noch nicht so viel Hektik. Nein, am Bug stand ja auch in großen Buchstaben Deutschland. Trotzdem gingen wir neugierig näher heran und studierten den Fahrplan. Ein Matrose mit einer Mütze, auf der der Name Deutschland eingestickt war, kam nahe an uns vorbei. Ich nutzte die Gelegenheit, um meine Neugier zu befriedigen. Die Informationsstunde gestern hatte mich angesteckt und ich wollte auch Details über dieses riesige Schiff wissen. Ich sprach den Matrosen an und fragte ihn, wie schnell sein Schiff wäre. Stolz erzählte er, dass das Schiff 23 Knoten in der Stunde zurücklegte, das entsprach 36 Kilometern. Bereits bei seiner Jungfernfahrt hatte die 37 800 PS starke Deutschland das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung errungen. Um 13.30 Uhr wollten sie in See stechen, das heißt, zunächst musste man natürlich erst die Elbe hinunter, bevor man das Meer erreichte. Fahrtziel war New York, über Dover und Cherbourg. Voraussichtliche Fahrtzeit knapp sechs Tage.
„Donnerwetter“, entfuhr es mir, das war aber verdammt schnell. Die Windhuk brauchte nach Lüderitzbucht drei Wochen! Entweder war Lüderitzbucht soviel weiter, oder die Windhuk war viel langsamer, oder es traf von beidem etwas zu.
Nachdem wir die riesige Deutschland genügend bestaunt hatten, suchten wir die Windhuk. Da war sie ja, gleich das nächste Schiff, keine 30 Meter hinter der Deutschland. Zwar immer noch beeindruckend, aber deutlich kleiner.
Wir gingen zur Gangway und ich zeigte dem kontrollierenden Offizier meine Reisepapiere vor. Meine Mutter wollte unbedingt meine Kabine sehen und, wenn möglich, auch etwas mehr vom Schiff.
Schiffsbesichtigung
„Kein Problem“, sagte der Offizier, sie durfte selbstverständlich mit an Bord. Wann hatte man als Inländer schon einmal die Gelegenheit zu einer ausgiebigen Schiffsbesichtigung! Ein Matrose nahm meinen großen Koffer und führte uns zu meiner Kabine. Und, obwohl deutlich kleiner als die Deutschland, war ich überrascht, wie viele verwirrende Gänge sich durch dieses Schiff zogen.
Mein Reisegefährte war anscheinend noch nicht eingetroffen, jedenfalls war in der Kabine noch kein Gepäck zu sehen. Ich ging zum verschlossenen Bullauge und schaute fasziniert auf das gegenüberliegende Trockendock, in dem ein Frachter einen neuen Anstrich erhielt.
Meine Mutter hatte inzwischen genauestens die Kabine und den kleinen, separaten Waschraum inspiziert und meinte: „Klein und zweckmäßig, aber doch gemütlich. Alles sauber. Ist zwar kein Tanzsaal, aber du hast ja oben genügend Auslauf.“
„Dann lass uns doch einmal sehen, was das Schiff sonst noch zu bieten hat“, schlug ich vor.
Wir traten auf den Flur und ich schloss meine Kabine ab. Den Lageplan in der Hand schlenderten wir in Richtung Speisesaal, der laut Plan nicht weit von meiner Kabine lag. Obwohl die Gänge schmal waren, war ich überrascht, wie groß auch hier alles war. Wie weitläufig und verwirrend musste es dann erst auf den ganz großen Schiffen sein!
Die langen Tischreihen wurden bereits für das Abendessen gedeckt. Schwarz gekleidete Ober liefen geschäftig mit Tafelgeschirr und Bestecken hin und her. Die Bar in der hinteren rechten Ecke war zwar noch geschlossen, doch der Barmann kontrollierte anscheinend seine Vorräte und Gläser. Wir würden uns an den nächsten Abenden bestimmt noch näher kennenlernen. Aber im Moment waren wir hier nur im Wege, und so gingen wir an Deck. Die Aufbauten schienen frisch gestrichen zu sein. An den Längsseiten hingen auch hier, wie bei der Deutschland, die Rettungsboote, wie aufgereiht, hintereinander und als wir auf unserem Weg den hinteren Teil des Schiffes erreichten, entdeckten wir sogar ein kleines Schwimmbad von schätzungsweise vier mal sechs Metern.
„Ich denke, hier wirst du es die drei Wochen gut aushalten können. Vielleicht lernst du auch nette Leute kennen.“ Meine Mutter sah sich noch einmal um. „Hoffentlich hast du eine nicht so unruhige Überfahrt. Ich glaube, ich würde schon bei der geringsten Schaukelei seekrank. Und wenn du in Afrika bist, sei nicht waghalsig. Löwen sind kräftig und schnell und Schlangengift kann tödlich sein. Pass gut auf dich auf, mein Sohn.“
„Ist schon gut. Ich werde auf mich aufpassen und keinem Löwen auf den Schwanz treten und die Schlangen machen sich ja bekanntlich durch Klappern bemerkbar, bevor sie zubeißen. Und Kannibalen gibt es dort auch nicht.“
Ich versuchte, das jetzt aufkommende, eigenartige Gefühl des nahenden Abschieds zu überspielen. Mir wurde erst jetzt richtig bewusst, dass wir uns eine lange Zeit nicht mehr sehen würden. Und dabei hatte ich gedacht, die Abreise würde mich in keiner Weise berühren.
Als wir unten auf dem Kai ankamen, umarmten wir uns. „Nochmals! Pass auf dich auf!“ Mutter war wirklich sehr besorgt um mich.
„Mach dir keine Sorgen, ich komme schon heil wieder, Maman!“. Ohne zu überlegen hatte ich das von mir über Jahre gebrauchte Wort „Mutter“ spontan durch das französische „Maman“, wie früher, ersetzt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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