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Händler im Hafen von Las Palmas (ca. 1909)
Händler im Hafen von Las Palmas (ca. 1909)

Blauer Diamant

„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
8. Folge

Da unser Schiff hier in Las Palmas Kohle und Wasser übernehmen musste, hatten wir sieben Stunden Aufenthalt und konnten die Zeit zu einem Trip in die Stadt nutzen. Kurz nach dem Anlegen holten meine Freunde mich in meiner Kabine ab und wir machten uns auf den Weg, die Stadt zu besichtigen.

War das ein buntes Gewimmel am Kai. Fliegende Händler, die unser Schiff belagerten, boten Bananen, Tomaten, Fischprodukte und alle möglichen anderen Waren und Andenken an und Droschkenkutscher suchten Fahrgäste für eine Rundfahrt durch die Stadt. Diese Gelegenheit ließen wir uns nicht entgehen und bestiegen zu viert eine dieser mit Sonnendach versehenen Kutschen.

Als wir am Postamt vorbeikamen, ließ ich den Kutscher anhalten, sprang schnell hinüber und gab meine Karte ab. Als ich wieder aus dem Postamt trat und zur Kutsche ging, fuhr gerade eine andere Kutsche an uns vorüber und in ihr saß die unbekannte Schöne mit dem älteren Mann. Verdammt, wer mag diese wunderschöne Frau sein, fragte ich mich in Gedanken und wer, zum Teufel, ist der Mann neben ihr?

Ich war überwältigt von der völlig anderen, üppigen Vegetation mit Palmen und riesigen, mir unbekannten Bäumen und von den imposanten, alten Bauten. Die hatte ich hier auf dieser Insel nicht erwartet. Und wenn die Vegetation hier schon so üppig war, wie musste es erst in Deutsch-Südwestafrika aussehen, dort würde ich sicher ein tropisches Paradies vorfinden. Gleich nach der Ankunft würde ich mich erst einmal am Strand unter eine Palme legen und eine ganze Weile nichts tun und ein Schwarzer müsste mir dann kühle Getränke bringen.

Unser Kutscher erzählte uns währenddessen in gebrochenem, aber gut verständlichem Deutsch von der Geschichte seiner Insel. Kolumbus hatte hier immer Zwischenstation bei seinen Amerikafahrten gemacht und im 16. Jahrhundert widerstand Las Palmas der Belagerung durch die Engländer unter Francis Drake. Auch die Niederländer hatten zu der Zeit vergeblich versucht, die Insel zu erobern. Bisher hatte ich nicht gewusst, dass Las Palmas eine so bewegte Vergangenheit hatte. Ich war überrascht und beeindruckt.

Irgendwann hörten wir in der Ferne das dumpfe, langgezogene Signal der Windhuk. Jetzt hatten wir noch eine Stunde Zeit, um das Schiff vor seiner Weiterfahrt zu erreichen. Wir brauchten dem Kutscher nichts zu sagen, er wusste Bescheid und fuhr direkt zurück zum Hafen.

Als ich das Schiff wieder betrat, wurde mir bewusst, dass ich von nun an die ganze Kabine für mich hatte. Das war sehr angenehm und wäre nur noch durch die Anwesenheit einer hübschen Dame, die hier in Las Palmas zustieg und das zweite Bett in meiner Kabine zugewiesen bekam, zu übertreffen gewesen. Aber das blieb leider bloß ein unerfüllter Traum.

Jetzt konnte ich mir sogar aussuchen, auf welcher Seite der Kabine ich schlafen wollte und die Toilette hatte ich für mich allein. Auch nicht schlecht. Irgendwie ist es doch lästig, drei lange Wochen immer mit einer fremden, männlichen Person auf engem Raum zusammenleben zu müssen. Gegen eine hübsche Eva hätte ich allerdings nichts einzuwenden gehabt. Ich machte mich frisch und ging an Deck. Mit Volldampf und langer Rauchfahne fuhren wir weiter unserem Ziel entgegen. Las Palmas verschwand hinter uns in der Ferne.

An der Reling hatten sich bereits einige Passagiere eingefunden, die den kurz bevorstehenden Sonnenuntergang genießen wollten. Ich suchte und fand sogar einen freien Liegestuhl und machte es mir bequem. Heute war der Himmel fast wolkenlos und nur ganz entfernt am Horizont machte sich ein durchsichtiger Dunstschleier bemerkbar. So klar wie heute hatten wir den abendlichen Himmel bisher noch nicht gehabt. Als die Sonne schon dicht über dem Horizont stand, erschien es mir, als ob sie immer schneller werdend der Meeresoberfläche entgegenstrebte. Jemand neben mir sagte: „Gleich taucht sie ein.“

Wir hatten nun wieder eine weite Strecke fernab vom Land vor uns. In etwa drei Tagen würden wir die Kapverdischen Inseln ohne Halt passieren und dann ging es in Richtung Äquator weiter. Nachts änderten sich jetzt langsam die Sternbilder über uns und die Dämmerungsphasen morgens und abends wurden deutlich kürzer. Die Sonne tauchte am Morgen schnell aus dem Dunkel auf und stand mittags senkrecht über uns. Wenn sie am Abend unterging, war es im Nu finster.

Drei Tagereisen waren wir bereits von Las Palmas entfernt, da hieß es morgens, wir sind jetzt auf der Höhe der Kapverdischen Inseln, die rechter Hand von uns liegen mussten. Fahrplanmäßig hatten wir die Höhe der Inseln erreicht. Alle an Deck befindlichen Passagiere suchten angestrengt den Horizont auf der rechten Seite des Schiffes nach Anzeichen von Land ab, aber wir waren viel zu weit von den Inseln entfernt. Es war nichts zu entdecken. Ebenso wenig konnten wir auf der linken Seite Kap Vert, die westliche Spitze von Senegal, ausmachen.

Die zu Portugal gehörenden Kapverdischen Inseln lagen zwar mitten im Ozean, aber wie mir ein erfahrener Mitreisender sagte, gab es dort lange Trockenperioden. Unvorstellbar! Mitten im Wasser und trotzdem zu trocken. Ursprünglich waren die Inseln unbewohnt, bis die Portugiesen sie entdeckten. Dann haben sie afrikanische Sklaven, wahrscheinlich aus dem gegenüberliegenden Senegal, hierhergebracht und Tabak- und Bananenplantagen angelegt.

Überquerung des Äquators

Wir ließen die Inselgruppe rechts liegen, ohne sie gesehen zu haben und dampften auf den Äquator zu. Die Überquerung des Äquators war einer der Höhepunkte der Reise. Jeder, der den Äquator das erste Mal überquerte, musste sich einer Taufe unterziehen. Das heißt, die Teilnahme war freiwillig, aber es gab genügend Passagiere, die sich dieses zwar sehr feuchte, aber einmalige Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Einer von diesen Furchtlosen war ich.

Und dann war es so weit. Das Schwimmbad war von vielen Neugierigen umsäumt, die sich das belustigende Schauspiel natürlich nicht entgehen lassen wollten. Wir männlichen Täuflinge standen nervös in langbeiniger Badehose und die Damen im modischen Badedress bereit und warteten gespannt auf das Erscheinen Neptuns.

Unverhofft heulte die Schiffssirene dreimal lang. Das war das Zeichen, dass wir den Äquator erreicht hatten. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür des Niedergangs und Neptun erschien mit Fischernetz über der Schulter und Dreizack in der rechten Hand und trat an den Beckenrand. Sein Kopf war voller Seetang und auch die Schultern waren mit Seetang drapiert. Majestätisch schritt er nach der Begrüßung durch den Kapitän, rituell den Dreizack schwenkend, einmal um das Becken und stieg an der flachen Seite ins Wasser, das ihm bis zur Hüfte reichte. Sein Helfer, ein Matrose, brachte eine große Wanne mit Seifenschaum und einen riesigen, anscheinend selbstgebastelten Pinsel in Form eines Malerquasts mit überlangen Borsten. Dann begann der Spaß. Einer nach dem anderen wurden die Täuflinge eingeseift und untergetaucht. Ich hatte das Gefühl, dass Neptun mich besonders lange ins Wasser drückte.

Nach meiner sehr feuchten Taufe winkte ich meinen Freunden zu, die sich das Spektakel nur als Zuschauer angesehen hatten und schaute in die Runde. Und dann sah ich sie wieder, die schöne Unbekannte. Sie stand auf dem Promenadendeck und schaute sich den Spaß von oben an. Neben ihr stand wieder der ältere Herr.

Am Ende der Massentaufe erhielten alle eine Taufurkunde, die sofort vor Ort ausgestellt wurde, mit Namen des Täuflings, Namen des Schiffes, Datum und Uhrzeit der Taufe, sowie den Unterschriften vom Kapitän und von Neptun.

„Name?“, wollte Neptun von mir wissen.

„Willy, hinten mit Ypsilon“, nannte ich ihm meinen Namen.

Abends herrschte überall ein angeregtes, geselliges Treiben und ich begoss mit meinen Freunden in der Bar meine Taufe. Die schöne Unbekannte habe ich an diesem Abend nicht mehr gesehen. Sicherlich vergnügte sie sich im Salon der ersten Klasse.

Geschichte, Buch, Blauer Diamant, Wilhelm Schneider

Seite 26

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-08

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