Blauer Diamant
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
11. Folge
Ich legte mich wieder in meinen Liegestuhl und blieb noch etwa eine Stun¬de aufgewühlt liegen. Frauen! Warum war es sinnlos, nach ihr zu suchen? Sicherlich, weil sie den Luxus nie aufgeben würde, den nur ihr älterer Mann bieten konnte. Sie konnte zwischen Reichtum und meiner Liebe wählen und entschied sich für das Geld. Verständlich.
Mir ging durch den Kopf, wie meine Unbekannte eben noch voller Leidenschaft war und im nächsten Moment alles abschüttelte und abrupt sachlich wurde. Ich weiß nicht, ob sie das amouröse Spiel einfach nicht weiterspielen wollte, oder ob sie Angst vor einer unkontrollierbaren Eskalation der Gefühle hatte. Kann ein Mann eine Frau jemals wirklich verstehen? Jedenfalls hätte ich das Spiel gern fortgesetzt.
Ich stellte meinen Liegestuhl ganz flach und blickte in den Nachthimmel. Die Sterne funkelten immer noch wie glitzernde Diamanten. Ob dieser Sternenhaufen dort oben eventuell das Kreuz des Südens war?
Am nächsten Abend war ich wieder zur Stelle, schlenderte an den Liegestühlen vorbei, in denen wir gestern gelegen hatten, doch meine schöne Unbekannte war nicht zu sehen. Ich wanderte suchend über das ganze Deck, aber ich konnte sie nirgendwo entdecken. Enttäuscht machte ich mich auf den Weg zu Charly in die verräucherte Bar. Bei Charly war man sicher, dass er da war. Auf ihn war Verlass. Dort traf ich noch so einen einsamen, traurigen Junggesellen. Werner saß vor einem Bier, das bereits langsam verschalte.
„Hallo Willy“, begrüßte er mich. Es klang etwas apathisch. „Langsam wird es wirklich langweilig an Bord, wenn man als Single reist. Immer nur an der Bar sitzen ist auch keine Erfüllung. Inzwischen kenne ich jeden Winkel dieses verdammten Schiffes und Charly’s Repertoire an Cocktails ist inzwischen auch erschöpft. Ich habe sie alle durch. Wenn man wenigstens bei einem Annäherungsversuch abgewiesen würde. Aber wo soll man sich annähern?“
„Wem sagst du das! Ich hatte vor Antritt der Reise damit gerechnet, einige allein reisende junge Damen auf der Überfahrt anzutreffen, aber so eine Flaute auf diesem Sektor hatte ich nicht erwartet. Alle, die mitreisen, sind in festen Händen. Es muss ja nicht wie in Dresden sein, aber hier sind wir auf der total falschen Route. Eigentlich hätte man es wissen können. Welche alleinstehende Dame fährt schon, wie wir, in die Wildnis zu den Affen. Wir hätten uns nach Amerika aufmachen sollen. Hattest du in Hamburg gesehen, was auf der Deutschland, die nach New York fuhr, los war? Eine sagenhafte Auswahl schöner Damen. Das wäre was für uns gewesen.“
Von meiner nächtlichen Begegnung gestern Abend erzählte ich ihm nichts. Ich wollte ihn nicht neidisch machen.
Den Brief an Silvia hatte ich gestern verständlicherweise doch nicht mehr geschrieben, das konnte ich vielleicht nachher noch nachholen. Aber es wurde letztendlich auch an diesem Abend nichts mit dem Schreiben, obwohl ich mir ein Blatt Papier nahm und mich an den kleinen Tisch unter dem Bullauge setzte. Ich überlegte eine Weile, wie ich anfangen sollte. Das Schwerste ist für mich immer der Anfang eines Briefes. Ich schrieb: „Du fehlst mir!“ und schon stockte ich. Stimmte das? War es tatsächlich Silvia, die mir fehlte? Ich war mir da gar nicht mehr so sicher. Charlotte ging mir nicht aus dem Kopf. Meine Gedanken kreisten immer wieder um die verführerische Unbekannte. Wäre Charlotte jetzt bei mir, wäre mir das auch recht, dann könnte ich ohne weiteres auf Silvia verzichten. Was waren denn das für Gedanken? Ich nahm den angefangenen Brief, zerknüllte ihn und schmiss ihn in den Papierkorb. Meine Mutter fiel mir mit ihrer Anspielung zum Thema Frauen ein, sie hatte anscheinend Recht.
Charlotte zu Besuch
Am darauf folgenden Abend, es war kurz nach 8 Uhr, ich wollte gerade wieder meine übliche Suchrunde über das Deck beginnen, klopfte es leise an meine Kabinentür. Das war nicht das Klopfen des Kabinenstewards, sein Klopfen war, wie soll ich sagen, diskret, aber doch kräftiger und bestimmter. Dieses Klopfen war damenhaft, leiser und zaghafter, fragend, ob vielleicht eventuell jemand da wäre. Neugierig ging ich die zwei Schritte zur Tür und öffnete sie.
Und da stand sie, die Begehrenswerte, die offenbar nicht Charlotte hieß. In der linken Hand hielt sie eine Flasche „Heidsieck Monopole“ und winkte mir damit wedelnd zu.
„Ich komme, um mich für meinen abrupten Abgang vorgestern Abend zu entschuldigen, aber ich hatte ganz einfach Angst, in einem Meer der nicht mehr kontrollierbaren Gefühle zu versinken. Da ist vorbeugen auf jeden Fall besser. Ich brauchte erst einmal Zeit zum Nachdenken.“
Ich analysierte blitzschnell das eben Gehörte und sagte mir, das Fleisch ist zwar willig, aber der Geist ist noch zu stark. Vielleicht sollten wir zuerst den Champagner trinken und dann die weitere Entwicklung abwarten.
„Aber meine liebe Charlotte, Sie haben keinen Grund, sich für irgendetwas zu entschuldigen. Im Gegenteil! Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Kühnheit, aber als Sie so begehrenswert dalagen, konnte ich nicht anders, ich musste Sie küssen.“
„Ist akzeptiert. Ein Kompliment erkenne ich als Entschuldigung an. Nachdem wir uns nun gegenseitig für unser Verhalten entschuldigt haben, sollten wir den Champagner nicht warm werden lassen. Haben Sie zwei Gläser?“ Sie sah mich fragend an, während sie die Flasche demonstrativ hochhielt.
Ich hatte nur Wassergläser, die passten beim besten Willen nicht zum Champagner und der jetzigen Situation. Allein würde ich zur Not Champagner auch aus der Flasche trinken, aber hier? Mit dieser Frau?
„Wenn Sie mich zwei Minuten entschuldigen, hole ich geschwind aus der Bar zwei passende Gläser. Champagner aus Wassergläsern wäre ein zu großer Stilbruch.“
„Oh, da haben Sie Recht. Champagner aus Wassergläsern? Das geht wirklich nicht. Gehen Sie nur“, gab sie mir zur Antwort, „ich mache es mir hier inzwischen ein bisschen bequem.“
Ich sauste wie der Wind in Richtung Speisesaal und lieh mir an der Bar von Charly, der mich nun schon seit mehr als zwei Wochen als traurigen Single erlebt hatte, zwei Champagnergläser.
„Na, wollen Sie beidhändig trinken?“ Er sah mich erstaunt an, denn er wusste, dass ich immer allein war. Aber ich hatte jetzt absolut keine Zeit für Erklärungen oder Ausreden.
Als ich zurückkam, hatte Charlotte es sich tatsächlich gemütlich gemacht, jedoch anders, als ich es in meinen kühnsten Träumen erwartet hätte. Sie lag dekorativ ausgestreckt auf meinem Bett und sah mich mit einem leicht spöttischen Lächeln erwartungsvoll an, wie ich reagieren würde. Ihre vollen Lippen lockten. Die oberen Knöpfe ihres Kleides waren geöffnet. Das erlaubte mir einen Blick auf, wie es schien, makellose, ausgeprägte, aber feste, weibliche Attribute. Der gleichzeitig hochgerutschte Rock ihres Kleides gab zwei wohlgeformte Beine bis zur Hälfte der Oberschenkel frei. Nein, der Rock war nicht hochgerutscht. So konnte er nicht von allein rutschen, er musste sorgfältig von Charlotte drapiert worden sein. Ich konnte dies nur als eine Aufforderung zu weiterführenden Aktionen interpretieren. Ein eigenartiges, aber sehr angenehmes Gefühl ergriff mich und ließ mich plötzlich innerlich wieder nervös vibrieren. Wenn das man gut ging.
Mein überraschtes Gesicht schien sie sichtlich zu amüsieren. Dieses von Charlotte vorgelegte Tempo war ja vielversprechend. Vielleicht hatte sie das Motto ihres Mannes, Zeit ist Geld, etwas umgemünzt. Sie hatte ja vorgestern angedeutet, dass das Leben zu schnell verrinnt und war offensichtlich in der Zwischenzeit zu einem Entschluss gekommen.
„Haben Sie Angst, dass ich Ihnen Ihr Bett zerwühle? Sie schauen so verdutzt drein“, meinte sie spöttisch.
Jetzt keine Zeit verlieren, sagte ich mir. Ich stellte die Gläser auf den kleinen Tisch unter dem Bullauge, schloss die Kabinentür ab, öffnete die Champagnerflasche professionell, so dass nur ein leises Zischen zu hören war, füllte die beiden Gläser, ging zu Charlotte und reichte ihr ein Glas. Sie richtete sich mit dem linken Ellenbogen abstützend etwas auf und nahm das Glas entgegen.
„Angst um mein Bett? Nein, natürlich nicht. Meine liebe Charlotte, nichts ist mir lieber, als wenn mein Bett von Ihnen zerwühlt wird. Aber sehen Sie, eine schöne Frau, die freiwillig zu mir kommt und dann auf meinem Bett liegt, das geht über meine Kräfte. Einer solchen massiven Versuchung widerstehen zu müssen, ist unmenschlich.“
„Wer sagt denn, dass Sie der Versuchung widerstehen müssen? Habe ich etwas Derartiges verlangt?“ Sie hob das Glas. „Der Champagner wird warm. Zum Wohl!“ Sie prostete mir zu.
Wir tranken einen Schluck. Blitzte da wieder Spott in ihren dunklen Augen auf? Diese Frauen! Immer müssen sie Katze und Maus spielen und das Dumme war, dass ich dabei immer die Rolle der Maus erwischte.
Ich legte mich wieder in meinen Liegestuhl und blieb noch etwa eine Stun¬de aufgewühlt liegen. Frauen! Warum war es sinnlos, nach ihr zu suchen? Sicherlich, weil sie den Luxus nie aufgeben würde, den nur ihr älterer Mann bieten konnte. Sie konnte zwischen Reichtum und meiner Liebe wählen und entschied sich für das Geld. Verständlich.
Mir ging durch den Kopf, wie meine Unbekannte eben noch voller Leidenschaft war und im nächsten Moment alles abschüttelte und abrupt sachlich wurde. Ich weiß nicht, ob sie das amouröse Spiel einfach nicht weiterspielen wollte, oder ob sie Angst vor einer unkontrollierbaren Eskalation der Gefühle hatte. Kann ein Mann eine Frau jemals wirklich verstehen? Jedenfalls hätte ich das Spiel gern fortgesetzt.
Ich stellte meinen Liegestuhl ganz flach und blickte in den Nachthimmel. Die Sterne funkelten immer noch wie glitzernde Diamanten. Ob dieser Sternenhaufen dort oben eventuell das Kreuz des Südens war?
Am nächsten Abend war ich wieder zur Stelle, schlenderte an den Liegestühlen vorbei, in denen wir gestern gelegen hatten, doch meine schöne Unbekannte war nicht zu sehen. Ich wanderte suchend über das ganze Deck, aber ich konnte sie nirgendwo entdecken. Enttäuscht machte ich mich auf den Weg zu Charly in die verräucherte Bar. Bei Charly war man sicher, dass er da war. Auf ihn war Verlass. Dort traf ich noch so einen einsamen, traurigen Junggesellen. Werner saß vor einem Bier, das bereits langsam verschalte.
„Hallo Willy“, begrüßte er mich. Es klang etwas apathisch. „Langsam wird es wirklich langweilig an Bord, wenn man als Single reist. Immer nur an der Bar sitzen ist auch keine Erfüllung. Inzwischen kenne ich jeden Winkel dieses verdammten Schiffes und Charly’s Repertoire an Cocktails ist inzwischen auch erschöpft. Ich habe sie alle durch. Wenn man wenigstens bei einem Annäherungsversuch abgewiesen würde. Aber wo soll man sich annähern?“
„Wem sagst du das! Ich hatte vor Antritt der Reise damit gerechnet, einige allein reisende junge Damen auf der Überfahrt anzutreffen, aber so eine Flaute auf diesem Sektor hatte ich nicht erwartet. Alle, die mitreisen, sind in festen Händen. Es muss ja nicht wie in Dresden sein, aber hier sind wir auf der total falschen Route. Eigentlich hätte man es wissen können. Welche alleinstehende Dame fährt schon, wie wir, in die Wildnis zu den Affen. Wir hätten uns nach Amerika aufmachen sollen. Hattest du in Hamburg gesehen, was auf der Deutschland, die nach New York fuhr, los war? Eine sagenhafte Auswahl schöner Damen. Das wäre was für uns gewesen.“
Von meiner nächtlichen Begegnung gestern Abend erzählte ich ihm nichts. Ich wollte ihn nicht neidisch machen.
Den Brief an Silvia hatte ich gestern verständlicherweise doch nicht mehr geschrieben, das konnte ich vielleicht nachher noch nachholen. Aber es wurde letztendlich auch an diesem Abend nichts mit dem Schreiben, obwohl ich mir ein Blatt Papier nahm und mich an den kleinen Tisch unter dem Bullauge setzte. Ich überlegte eine Weile, wie ich anfangen sollte. Das Schwerste ist für mich immer der Anfang eines Briefes. Ich schrieb: „Du fehlst mir!“ und schon stockte ich. Stimmte das? War es tatsächlich Silvia, die mir fehlte? Ich war mir da gar nicht mehr so sicher. Charlotte ging mir nicht aus dem Kopf. Meine Gedanken kreisten immer wieder um die verführerische Unbekannte. Wäre Charlotte jetzt bei mir, wäre mir das auch recht, dann könnte ich ohne weiteres auf Silvia verzichten. Was waren denn das für Gedanken? Ich nahm den angefangenen Brief, zerknüllte ihn und schmiss ihn in den Papierkorb. Meine Mutter fiel mir mit ihrer Anspielung zum Thema Frauen ein, sie hatte anscheinend Recht.
Charlotte zu Besuch
Am darauf folgenden Abend, es war kurz nach 8 Uhr, ich wollte gerade wieder meine übliche Suchrunde über das Deck beginnen, klopfte es leise an meine Kabinentür. Das war nicht das Klopfen des Kabinenstewards, sein Klopfen war, wie soll ich sagen, diskret, aber doch kräftiger und bestimmter. Dieses Klopfen war damenhaft, leiser und zaghafter, fragend, ob vielleicht eventuell jemand da wäre. Neugierig ging ich die zwei Schritte zur Tür und öffnete sie.
Und da stand sie, die Begehrenswerte, die offenbar nicht Charlotte hieß. In der linken Hand hielt sie eine Flasche „Heidsieck Monopole“ und winkte mir damit wedelnd zu.
„Ich komme, um mich für meinen abrupten Abgang vorgestern Abend zu entschuldigen, aber ich hatte ganz einfach Angst, in einem Meer der nicht mehr kontrollierbaren Gefühle zu versinken. Da ist vorbeugen auf jeden Fall besser. Ich brauchte erst einmal Zeit zum Nachdenken.“
Ich analysierte blitzschnell das eben Gehörte und sagte mir, das Fleisch ist zwar willig, aber der Geist ist noch zu stark. Vielleicht sollten wir zuerst den Champagner trinken und dann die weitere Entwicklung abwarten.
„Aber meine liebe Charlotte, Sie haben keinen Grund, sich für irgendetwas zu entschuldigen. Im Gegenteil! Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Kühnheit, aber als Sie so begehrenswert dalagen, konnte ich nicht anders, ich musste Sie küssen.“
„Ist akzeptiert. Ein Kompliment erkenne ich als Entschuldigung an. Nachdem wir uns nun gegenseitig für unser Verhalten entschuldigt haben, sollten wir den Champagner nicht warm werden lassen. Haben Sie zwei Gläser?“ Sie sah mich fragend an, während sie die Flasche demonstrativ hochhielt.
Ich hatte nur Wassergläser, die passten beim besten Willen nicht zum Champagner und der jetzigen Situation. Allein würde ich zur Not Champagner auch aus der Flasche trinken, aber hier? Mit dieser Frau?
„Wenn Sie mich zwei Minuten entschuldigen, hole ich geschwind aus der Bar zwei passende Gläser. Champagner aus Wassergläsern wäre ein zu großer Stilbruch.“
„Oh, da haben Sie Recht. Champagner aus Wassergläsern? Das geht wirklich nicht. Gehen Sie nur“, gab sie mir zur Antwort, „ich mache es mir hier inzwischen ein bisschen bequem.“
Ich sauste wie der Wind in Richtung Speisesaal und lieh mir an der Bar von Charly, der mich nun schon seit mehr als zwei Wochen als traurigen Single erlebt hatte, zwei Champagnergläser.
„Na, wollen Sie beidhändig trinken?“ Er sah mich erstaunt an, denn er wusste, dass ich immer allein war. Aber ich hatte jetzt absolut keine Zeit für Erklärungen oder Ausreden.
Als ich zurückkam, hatte Charlotte es sich tatsächlich gemütlich gemacht, jedoch anders, als ich es in meinen kühnsten Träumen erwartet hätte. Sie lag dekorativ ausgestreckt auf meinem Bett und sah mich mit einem leicht spöttischen Lächeln erwartungsvoll an, wie ich reagieren würde. Ihre vollen Lippen lockten. Die oberen Knöpfe ihres Kleides waren geöffnet. Das erlaubte mir einen Blick auf, wie es schien, makellose, ausgeprägte, aber feste, weibliche Attribute. Der gleichzeitig hochgerutschte Rock ihres Kleides gab zwei wohlgeformte Beine bis zur Hälfte der Oberschenkel frei. Nein, der Rock war nicht hochgerutscht. So konnte er nicht von allein rutschen, er musste sorgfältig von Charlotte drapiert worden sein. Ich konnte dies nur als eine Aufforderung zu weiterführenden Aktionen interpretieren. Ein eigenartiges, aber sehr angenehmes Gefühl ergriff mich und ließ mich plötzlich innerlich wieder nervös vibrieren. Wenn das man gut ging.
Mein überraschtes Gesicht schien sie sichtlich zu amüsieren. Dieses von Charlotte vorgelegte Tempo war ja vielversprechend. Vielleicht hatte sie das Motto ihres Mannes, Zeit ist Geld, etwas umgemünzt. Sie hatte ja vorgestern angedeutet, dass das Leben zu schnell verrinnt und war offensichtlich in der Zwischenzeit zu einem Entschluss gekommen.
„Haben Sie Angst, dass ich Ihnen Ihr Bett zerwühle? Sie schauen so verdutzt drein“, meinte sie spöttisch.
Jetzt keine Zeit verlieren, sagte ich mir. Ich stellte die Gläser auf den kleinen Tisch unter dem Bullauge, schloss die Kabinentür ab, öffnete die Champagnerflasche professionell, so dass nur ein leises Zischen zu hören war, füllte die beiden Gläser, ging zu Charlotte und reichte ihr ein Glas. Sie richtete sich mit dem linken Ellenbogen abstützend etwas auf und nahm das Glas entgegen.
„Angst um mein Bett? Nein, natürlich nicht. Meine liebe Charlotte, nichts ist mir lieber, als wenn mein Bett von Ihnen zerwühlt wird. Aber sehen Sie, eine schöne Frau, die freiwillig zu mir kommt und dann auf meinem Bett liegt, das geht über meine Kräfte. Einer solchen massiven Versuchung widerstehen zu müssen, ist unmenschlich.“
„Wer sagt denn, dass Sie der Versuchung widerstehen müssen? Habe ich etwas Derartiges verlangt?“ Sie hob das Glas. „Der Champagner wird warm. Zum Wohl!“ Sie prostete mir zu.
Wir tranken einen Schluck. Blitzte da wieder Spott in ihren dunklen Augen auf? Diese Frauen! Immer müssen sie Katze und Maus spielen und das Dumme war, dass ich dabei immer die Rolle der Maus erwischte.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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