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Nach der Zeit mit Julia musste Willy das ganze erst mal mit einem Whiskey verdauen. Foto: Pixabay
Nach der Zeit mit Julia musste Willy das ganze erst mal mit einem Whiskey verdauen. Foto: Pixabay

Blauer Diamant

„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
12. Folge

Ich werde sie jetzt sofort küssen, dachte ich und beugte mich ihr entgegen. Charlotte wich jedoch gleichzeitig etwas zurück.

„Lassen Sie uns zuerst Brüderschaft trinken. Irgendwie hört es sich komisch an, wenn wir uns im Bett siezen“, sagte sie und hatte das Champagnerglas am Mund, bevor ich sie küssen konnte. Damit hatte sie natürlich Recht, wobei es mir allerdings völlig egal war, ob wir uns duzten oder siezten, die Hauptsache war, diese schöne Frau war in meinem Bett. Also verknoteten wir unsere Arme und tranken einen Schluck Champagner. Dann ein gehauchter Kuss. Wir mussten unbedingt die Gläser loswerden!

Heute war ich entschlossen, es zu einem anderen Abschluss zu bringen als damals. Ich meine, als ich dreizehn war und Marie, unser Hausmädchen, in meinem Bett lag. Inzwischen hatte ich dazugelernt und wusste, dass ein Nein nicht immer Nein bedeutete. Aber hier stand ja nicht einmal ein Nein im Raum!

Wir leerten unsere Gläser ein zweites Mal und dann forderte die Natur ihr Recht.

„Warte!“, Charlotte bat um einen Moment Geduld. „Ich ziehe mein Kleid aus, sonst muss ich nachher so zerknittert herumlaufen.“

Und hier bricht der Kavalier alter Schule in mir durch, der genießt, aber schweigt. Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich die nächste Stunde in meinem Bericht auslasse. Nur soviel: Es war wie ein Rausch für uns beide und eine solche Stunde voller Leidenschaft hatte ich bisher noch nicht erlebt. Wir waren beide ausgehungert. Im Banne ihres Parfüms ihre nackte Haut zu spüren, nach so vielen Tagen Abstinenz, machte mich verrückt. Und manchmal bin ich auch, wie soll ich es ausdrücken, etwas egoistisch.

Charlotte zog sich wieder an.

„Wohin fährst du eigentlich?“, wollte sie wissen.

„Ich bleibe zunächst mit meinen Freunden in Lüderitzbucht und werde später über Swakopmund nach Windhuk fahren“, gab ich zur Antwort.

Inzwischen war Charlotte wieder ausgehfertig.

„Dann werden wir uns sicherlich irgendwann über den Weg laufen. Überlassen wir es dem Zufall. Übrigens, ich komme dir wegen deines Traumes ein wenig entgegen. Ich heiße Julia und auch Charlotte. Charlotte ist allerdings nur mein zweiter, nicht gebrauchter Vorname.“

„Julia, ein passender Name für eine wunderschöne Frau. Leider heiße ich nicht Romeo. Aber die beiden in der bekannten Geschichte haben sich ja anscheinend nicht einmal so wie wir heute getroffen“, bemerkte ich.

Julia öffnete inzwischen die Kabinentür, warf mir symbolisch noch einen Kuss mit der Hand zu und sagte im Hinausgehen: „Es war sehr schön.“

Ich wollte darauf erwidern „Fand ich auch“ und noch etwas mit Julia und Romeo und deren Problem, zusammenzukommen, doch da hatte sie die Tür schon zugezogen. Aber sie war mit mir zufrieden gewesen! Es war sehr schön, hatte sie gesagt. Ich war stolz auf mich.

In Gedanken versunken

Inzwischen war es 10 Uhr geworden. Ich lag auf meinem Bett und träumte vor mich hin. War es Wirklichkeit oder nur Fantasie gewesen? Doch der Duft ihres Parfüms hing noch in der Luft und in meinen Fingerspitzen meinte ich noch ihre warme, weiche, glatte Haut zu spüren. Sie war also tatsächlich bei mir gewesen, ich hatte nicht geträumt. Aufgewühlt, wie ich war, konnte ich jetzt nicht schlafen, also beschloss ich, mir an Deck einen Liegestuhl zu suchen und meinen verworrenen Gedanken nachzugehen.

Als ich so dalag, war ich zunächst mit dem Verlauf dieses Abends und mit mir sehr zufrieden. Was kann man mehr verlangen, als dass eine wunderbare Frau mit einer Flasche Champagner erscheint und später sagt, es war sehr schön mit dir? Und damit hatte sie zweifellos auch aus meiner Sicht Recht. Ich konnte das Kompliment ohne jede Einschränkung erwidern. Es war zwar nur eine Stunde gewesen, die wir miteinander verbracht hatten, aber was für eine! Diese Stunde war die schönste meines bisherigen Lebens. Julia! Soviel Leidenschaft in einem zudem so makellosen Körper hatte ich noch nicht erlebt. Es war von beiden ein forderndes Geben und ein kompromissloses Nehmen ohne jedes Tabu gewesen.

Ich sinnierte über das Leben als solches und über meines im speziellen nach und fragte mich, was ich letztendlich wollte. Ich kam zu keinem vernünftigen Ergebnis. Was braucht der Mensch? Natürlich die Liebe eines anderen Menschen. Und möglichst viel Geld. Mit Geld lebt es sich leichter und angenehmer. Es war ja erst zehn Jahre her, dass der Wohlstand sich von uns verabschiedet hatte. Die Erinnerung an die Zeit, als mein Vater noch lebte und wir eine glückliche Familie waren, war noch präsent. Das Leben damals in der Villa mit Hauspersonal war sehr angenehm. Ich schloss die Augen und war plötzlich auf der im Sonnenschein liegenden Terrasse unserer Villa. Frieda und Marie deckten gerade den Tisch. Der Jasminbusch links neben der Terrasse blühte und verströmte einen betäubenden Duft. Dann ein Knall aus Nachbars Garten, mein Vater fiel in das Tulpenbeet. Da verschwand das Bild vor meinem geistigen Auge genauso schnell, wie es gekommen war. Ich werde versuchen, wieder zu Vermögen zu kommen! Aber wie? Nun, ich war auf dem Weg in das Land der Diamanten, vielleicht war mir das Glück hold. Ich hoffte es jedenfalls.

Und dann drängte sich mir plötzlich unwillkürlich ein anderer Gedanke auf. Wie war das Abenteuer mit Julia von der moralischen Seite zu bewerten? Von Julia aus war es meiner Meinung nach ein nicht gerade kleiner Seitensprung und ich hatte ebenfalls ohne Bedenken mit einer verheirateten Frau geschlafen. Mir ging der Spruch, den ich früher gehört hatte, durch den Kopf: ‚Was du nicht willst, das man dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu‘. Doch es war mir in dieser verführerischen Situation einfach nicht möglich, nein zu sagen. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch! Und die Frauen? So wie ich es gerade erlebt hatte, werden auch sie offensichtlich von starken Gefühlen beherrscht. Jedenfalls einige. Aber sie haben sich anscheinend besser unter Kontrolle. Sind sie generell zu Seitensprüngen bereit, oder trägt der jeweilige Ehemann einen Großteil Schuld am Verhalten seiner Frau? Treibt man eine Frau durch Ignorieren ihrer Wünsche zum Seitensprung? Würde auch Silvia, nur als hypothetische Frage, falls wir denn verheiratet wären, ebenfalls eine sich bietende günstige Gelegenheit zum Seitensprung bedenkenlos nutzen, oder müssen bestimmte Voraussetzungen, auf die ich selber Einfluss habe, erfüllt sein? Fragen über Fragen drängten sich mir ungewollt auf. Für mich schien die Psyche einer Frau ein Buch mit sieben Siegeln. Aber auch die Liebe selbst war ein kompliziertes Phänomen.

Whiskey soll helfen

Ich versuchte, diese unangenehmen Gedanken zu verscheuchen, weil sie mir die bisher so angenehme Stimmung zu verderben drohten. Aber, wie das so ist, manche Gedanken fressen sich fest und lassen einen nicht mehr los.

Dagegen gab es jedoch ein probates Mittel. Ich stand auf und ging zu Charly in die Bar. Charly hatte hervorragenden Whisky. Lagavulin. Kann ich nur empfehlen! Rauchig, jodhaltig, torfig. Wunderbar. Eine Medizin gegen jede Form von psychischer Depression.

Weit nach Mitternacht hatte sich meine Stimmung proportional zu meinem Whisky-Konsum deutlich gebessert und ich sagte mir: Was soll’s, es war doch schön gewesen. Ich philosophierte und theoretisierte mit Charly über Liebe und Moral. Charly war der Ansicht, dass moralische Aspekte im gewissen Rahmen wichtig seien, aber manchmal sollte man die Moral hintenan stellen. In der Politik und in der Liebe war Moral nur hinderlich. Recht hatte er! Ich war niemandem Rechenschaft schuldig, beziehungsweise zur Treue verpflichtet. Ich war schließlich nicht verlobt und erst recht nicht verheiratet. Zum Teufel mit der Moral und mit der Treue. Zumindest für heute.

Aber etwas stand, Moral hin, Treue her, seit diesem romantischen Abend fest: mein Lieblingschampagner war von nun an „Heidsieck Monopole“!

Über zwei Wochen waren wir jetzt schon unterwegs und das Leben auf dem Schiff wurde langsam wirklich eintönig. Las Palmas hatten wir besichtigt, am Äquator bin ich getauft worden und meine anonyme Julia hatte allem Anschein nach keine Zeit mehr für mich. Es ging jetzt ohne weitere Höhepunkte dem Ziel entgegen. Inzwischen kannte ich jeden Liegestuhl der Windhuk persönlich. Es wurde endlich Zeit, wieder Land unter die Füße zu bekommen.

Ein Vorteil der langen Reise war allerdings nicht zu unterschätzen. Man begegnete auf dem doch sehr begrenzten Raum des Schiffes im Laufe der drei Wochen immer wieder vielen Menschen und konnte auf diese Weise eine Reihe von Bekanntschaften machen. Ich hatte auf der Fahrt, abgesehen von meinen Freunden aus Dresden, wohl etwa ein Dutzend nette Leute kennengelernt und wir hatten uns gegenseitig versprochen, in Kontakt zu bleiben. Meistens verbleibt das zwar doch, aber in einzelnen Fällen könnte eine solche Bekanntschaft sicher auch einmal nützlich sein.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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