Blauer Diamant
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
16. Folge
Drei Tage später zog ich um. Atze wohnte in einem Neubau am Rande von Lüderitzbucht in der Talstraße. Er war noch nicht komplett eingerichtet, konnte mir aber eines der leeren Zimmer mit einem Feldbett, einem kleinen Tisch und einem Stuhl zur Verfügung stellen. Das genügte mir fürs erste vollauf. Als Sitzgelegenheit hatte ich außerdem noch meinen Überseekoffer.
„Was machst du eigentlich in deiner Freizeit hier unten?“ wollte ich von Atze wissen. „Im Park spazieren gehen kannst du hier ja nicht, dafür fehlt der Park. Wenn du zu schnell gehst, bist du im Nu auf der anderen Seite zur Stadt hinaus. Lüderitzbucht ist doch etwas kleiner als Dresden und eine Promenade habe ich auch noch nicht gesehen.“ „Du scheinst mir ja etwas enttäuscht zu sein?“ Atze sah mich mit spöttisch fragendem Blick an.
„Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich gestehen, dass diese öde, sandige und vegetationslose Gegend nicht das ist, was ich mir unter einer subtropischen, paradiesischen Kolonie vorgestellt habe. Ich sagte ja gestern schon, auf Plakaten und in Prospekten habe ich eine üppige Vegetation mit vielen wilden Tieren und fröhlichen Eingeborenen gesehen.“
„So etwas gibt es auch, aber nicht hier an der Küste. Da hat der Künstler etwas geschwindelt.“ Atze gab zu, anfangs, als er hier an Land ging, ebenfalls enttäuscht gewesen zu sein.
Inland ist schöner
„Mir ging es, als ich hier ankam, genauso wie dir. Als wir Deutschen uns Kolonien zulegen wollten, waren die besten Ecken leider schon vergriffen und wir mussten uns mit dem begnügen, was übrig geblieben war. Für diese Ecke hatte sich bisher niemand ernsthaft interessiert, weil hinter der unwirtlichen, felsigen Küste eine scheinbar endlose Wüste begann. Keiner glaubte, dass es sich lohnen würde, die enormen Strapazen auf sich zu nehmen, nur um festzustellen, was sich hinter der Wüste befand. Und von Diamanten direkt am Strand ahnte auch niemand etwas. Aber du kannst ja in das Landesinnere gehen, dort ist es wirklich schöner. Du musst nur gut 100 Kilometer Wüste durchqueren, dann ist es grün. Vor acht Jahren war die Reise noch abenteuerlich. Man musste damals mit Ochsentrecks nach Windhuk. Aber es gibt ja inzwischen unsere Staatsbahn und man kommt mit der Bahn bereits in die verschiedensten Ecken. Du kannst mittlerweile bequem in den Süden nach Warmbad, im Osten nach Keetmanshoop oder aber in den Norden nach Grootfontein fahren. Ich muss leider hier bleiben, weil ich meine Zollstation nicht einfach nach Windhuk verlegen kann. Die Schiffe kommen nun einmal hier an und nicht in Windhuk.
In der nächsten Woche bin ich genau vierzehn Monate hier unten und war erst einmal in Windhuk. Als Beamter kann ich nicht einfach kündigen und mir eine andere Stelle suchen. Ich muss warten, bis man mir eine Stelle in Windhuk anbietet. Mein Interesse habe ich schon angemeldet, aber es wollen einfach zu viele direkt nach Windhuk, viele, die bessere Beziehungen haben als ich. Ich hoffe aber, dass das im kommenden Jahr klappt. Im Mai will ich nämlich heiraten, dann kommt voraussichtlich meine Verlobte aus Deutschland nach und ich möchte ihr Lüderitzbucht nicht zumuten. Sollte mir allerdings eine bessere Position in der Heimat angeboten werden, kann es sein, dass ich wieder zurückgehe.
Hier in unserer Kolonie kommt auf die Dauer das triste Lüderitzbucht für mich nicht in Frage. Sicher, man bemüht sich und will auch einen Park anlegen, um die Stadt attraktiver zu machen, aber es fehlt noch so viel. Da ist Windhuk schon deutlich größer als Lüderitzbucht und landschaftlich wesentlich schöner. Dort geht es städtisch und nicht mehr so rau zu und es ist dort natürlich auch mehr los. Aber ich muss einräumen, auch hier wird es von Jahr zu Jahr zusehends besser. Inzwischen wurde endlos gebaut und es siedeln sich immer mehr Diamantenfirmen hier an. Lüderitzbucht wird damit immer reicher. Trotzdem. Das größte Problem war und ist hier jedoch das Trinkwasser. Das brackige Grundwasser kann man beim besten Willen nicht trinken. Zurzeit wird eine ca. 80 Kilometer lange Wasserleitung gebaut, die uns Wasser von den fossilen Reserven des Koichab, der zwischen Aus und Lüderitzbucht in der Namib Wüste gelegen ist, bringen wird. Aber um noch einmal auf das Promenieren zurückzukommen, das kannst du hier auch. Geh mal zur Bismarckstraße!“
Nach diesem Monolog kam ich noch einmal auf meine Frage von vorhin zurück.
„Was macht man denn hier, wenn man frei hat?“ wollte ich wissen.
Atze sah mich an und sagte: „Da gibt es viele Möglichkeiten. Du kannst ausreiten oder mit dem Boot rausfahren. Ich zum Beispiel gehe Langusten fangen. Du kannst ja einmal mitkommen und mitmachen, wenn du Lust haben solltest“, schlug Atze mir vor.
,,Ich gehe tatsächlich mehrmals in der Woche, wenn es die Zeit erlaubt, Langusten fangen. Meine Abnehmer sind die Hotels und die Restaurants in Lüderitzbucht. Damit bessere ich mein Taschengeld auf. Ich sagte dir doch, ich will heiraten und da muss ein schlecht bezahlter Zollbeamter sehen, wie er etwas dazuverdienen kann. Hier an der Küste gibt es nur Langusten."
,,Gestern hatte ein hiesiger Diamantenhändler, ein gewisser Winter, aus Kol¬manskuppe eine außergewöhnlich wertvolle Diamantenlieferung erwartet und hat heute morgen den Überbringer als überfällig gemeldet.“
Hier unterbrach ich Atze. „Winter? Den kenne ich. Der war auch auf der Windhuk!“
„Stimmt“, fuhr Atze fort. „Ein Aufseher der Diamantenmine ist verschwunden, der im Geleit zweier bewaffneter Begleiter die Diamanten von der Mine hier her nach Lüderitzbucht bringen sollte. Wie man sagt, sollen ein paar außergewöhnlich große Steine darunter gewesen sein. Von den drei Männern fehlt zurzeit jede Spur. Entweder haben sich die Drei die Diamanten geteilt, oder einer der bewaffneten Begleiter oder aber der Aufseher hat die anderen beiden ausgeschaltet, oder es ist etwas anderes passiert. Da die Diamantentransporte absichtlich völlig unregelmäßig stattfinden und kurzfristig angesetzt werden, ist es für Außenstehende kaum möglich, den Transport abzufangen. Es sei denn, er schlägt an der Straße ein Lager auf und überfällt jeden Vorbeikommenden. Aber das sind alles nur Spekulationen. Wenn es ein Einzeltäter war, möchte ich nicht in seiner Haut stecken, denn bei dem Wert wird er jetzt von einer Art Kopfgeldjägern gejagt. Der eigentliche Diamantenschmuggel ist sicher streng durchorganisiert, da findet man so schnell niemand. Du brauchst dann ja auch noch verlässliche Abnehmer. Jedenfalls sind jetzt bei uns schärfste Kontrollen der abreisenden Passagiere ohne Ansehen der Person angesagt. Unser Ausflug ist deshalb aber nur verschoben, nicht aufgehoben. Ich will dich nicht um das Vergnügen bringen, die Leckerbissen selbst zu fangen. Sobald es zeitlich passt, gehen wir zusammen los.“
Drei Tage später zog ich um. Atze wohnte in einem Neubau am Rande von Lüderitzbucht in der Talstraße. Er war noch nicht komplett eingerichtet, konnte mir aber eines der leeren Zimmer mit einem Feldbett, einem kleinen Tisch und einem Stuhl zur Verfügung stellen. Das genügte mir fürs erste vollauf. Als Sitzgelegenheit hatte ich außerdem noch meinen Überseekoffer.
„Was machst du eigentlich in deiner Freizeit hier unten?“ wollte ich von Atze wissen. „Im Park spazieren gehen kannst du hier ja nicht, dafür fehlt der Park. Wenn du zu schnell gehst, bist du im Nu auf der anderen Seite zur Stadt hinaus. Lüderitzbucht ist doch etwas kleiner als Dresden und eine Promenade habe ich auch noch nicht gesehen.“ „Du scheinst mir ja etwas enttäuscht zu sein?“ Atze sah mich mit spöttisch fragendem Blick an.
„Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich gestehen, dass diese öde, sandige und vegetationslose Gegend nicht das ist, was ich mir unter einer subtropischen, paradiesischen Kolonie vorgestellt habe. Ich sagte ja gestern schon, auf Plakaten und in Prospekten habe ich eine üppige Vegetation mit vielen wilden Tieren und fröhlichen Eingeborenen gesehen.“
„So etwas gibt es auch, aber nicht hier an der Küste. Da hat der Künstler etwas geschwindelt.“ Atze gab zu, anfangs, als er hier an Land ging, ebenfalls enttäuscht gewesen zu sein.
Inland ist schöner
„Mir ging es, als ich hier ankam, genauso wie dir. Als wir Deutschen uns Kolonien zulegen wollten, waren die besten Ecken leider schon vergriffen und wir mussten uns mit dem begnügen, was übrig geblieben war. Für diese Ecke hatte sich bisher niemand ernsthaft interessiert, weil hinter der unwirtlichen, felsigen Küste eine scheinbar endlose Wüste begann. Keiner glaubte, dass es sich lohnen würde, die enormen Strapazen auf sich zu nehmen, nur um festzustellen, was sich hinter der Wüste befand. Und von Diamanten direkt am Strand ahnte auch niemand etwas. Aber du kannst ja in das Landesinnere gehen, dort ist es wirklich schöner. Du musst nur gut 100 Kilometer Wüste durchqueren, dann ist es grün. Vor acht Jahren war die Reise noch abenteuerlich. Man musste damals mit Ochsentrecks nach Windhuk. Aber es gibt ja inzwischen unsere Staatsbahn und man kommt mit der Bahn bereits in die verschiedensten Ecken. Du kannst mittlerweile bequem in den Süden nach Warmbad, im Osten nach Keetmanshoop oder aber in den Norden nach Grootfontein fahren. Ich muss leider hier bleiben, weil ich meine Zollstation nicht einfach nach Windhuk verlegen kann. Die Schiffe kommen nun einmal hier an und nicht in Windhuk.
In der nächsten Woche bin ich genau vierzehn Monate hier unten und war erst einmal in Windhuk. Als Beamter kann ich nicht einfach kündigen und mir eine andere Stelle suchen. Ich muss warten, bis man mir eine Stelle in Windhuk anbietet. Mein Interesse habe ich schon angemeldet, aber es wollen einfach zu viele direkt nach Windhuk, viele, die bessere Beziehungen haben als ich. Ich hoffe aber, dass das im kommenden Jahr klappt. Im Mai will ich nämlich heiraten, dann kommt voraussichtlich meine Verlobte aus Deutschland nach und ich möchte ihr Lüderitzbucht nicht zumuten. Sollte mir allerdings eine bessere Position in der Heimat angeboten werden, kann es sein, dass ich wieder zurückgehe.
Hier in unserer Kolonie kommt auf die Dauer das triste Lüderitzbucht für mich nicht in Frage. Sicher, man bemüht sich und will auch einen Park anlegen, um die Stadt attraktiver zu machen, aber es fehlt noch so viel. Da ist Windhuk schon deutlich größer als Lüderitzbucht und landschaftlich wesentlich schöner. Dort geht es städtisch und nicht mehr so rau zu und es ist dort natürlich auch mehr los. Aber ich muss einräumen, auch hier wird es von Jahr zu Jahr zusehends besser. Inzwischen wurde endlos gebaut und es siedeln sich immer mehr Diamantenfirmen hier an. Lüderitzbucht wird damit immer reicher. Trotzdem. Das größte Problem war und ist hier jedoch das Trinkwasser. Das brackige Grundwasser kann man beim besten Willen nicht trinken. Zurzeit wird eine ca. 80 Kilometer lange Wasserleitung gebaut, die uns Wasser von den fossilen Reserven des Koichab, der zwischen Aus und Lüderitzbucht in der Namib Wüste gelegen ist, bringen wird. Aber um noch einmal auf das Promenieren zurückzukommen, das kannst du hier auch. Geh mal zur Bismarckstraße!“
Nach diesem Monolog kam ich noch einmal auf meine Frage von vorhin zurück.
„Was macht man denn hier, wenn man frei hat?“ wollte ich wissen.
Atze sah mich an und sagte: „Da gibt es viele Möglichkeiten. Du kannst ausreiten oder mit dem Boot rausfahren. Ich zum Beispiel gehe Langusten fangen. Du kannst ja einmal mitkommen und mitmachen, wenn du Lust haben solltest“, schlug Atze mir vor.
,,Ich gehe tatsächlich mehrmals in der Woche, wenn es die Zeit erlaubt, Langusten fangen. Meine Abnehmer sind die Hotels und die Restaurants in Lüderitzbucht. Damit bessere ich mein Taschengeld auf. Ich sagte dir doch, ich will heiraten und da muss ein schlecht bezahlter Zollbeamter sehen, wie er etwas dazuverdienen kann. Hier an der Küste gibt es nur Langusten."
,,Gestern hatte ein hiesiger Diamantenhändler, ein gewisser Winter, aus Kol¬manskuppe eine außergewöhnlich wertvolle Diamantenlieferung erwartet und hat heute morgen den Überbringer als überfällig gemeldet.“
Hier unterbrach ich Atze. „Winter? Den kenne ich. Der war auch auf der Windhuk!“
„Stimmt“, fuhr Atze fort. „Ein Aufseher der Diamantenmine ist verschwunden, der im Geleit zweier bewaffneter Begleiter die Diamanten von der Mine hier her nach Lüderitzbucht bringen sollte. Wie man sagt, sollen ein paar außergewöhnlich große Steine darunter gewesen sein. Von den drei Männern fehlt zurzeit jede Spur. Entweder haben sich die Drei die Diamanten geteilt, oder einer der bewaffneten Begleiter oder aber der Aufseher hat die anderen beiden ausgeschaltet, oder es ist etwas anderes passiert. Da die Diamantentransporte absichtlich völlig unregelmäßig stattfinden und kurzfristig angesetzt werden, ist es für Außenstehende kaum möglich, den Transport abzufangen. Es sei denn, er schlägt an der Straße ein Lager auf und überfällt jeden Vorbeikommenden. Aber das sind alles nur Spekulationen. Wenn es ein Einzeltäter war, möchte ich nicht in seiner Haut stecken, denn bei dem Wert wird er jetzt von einer Art Kopfgeldjägern gejagt. Der eigentliche Diamantenschmuggel ist sicher streng durchorganisiert, da findet man so schnell niemand. Du brauchst dann ja auch noch verlässliche Abnehmer. Jedenfalls sind jetzt bei uns schärfste Kontrollen der abreisenden Passagiere ohne Ansehen der Person angesagt. Unser Ausflug ist deshalb aber nur verschoben, nicht aufgehoben. Ich will dich nicht um das Vergnügen bringen, die Leckerbissen selbst zu fangen. Sobald es zeitlich passt, gehen wir zusammen los.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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