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Willy wurde bei dem Kauf von Anteilscheinen reingelegt. Foto: Pixabay
Willy wurde bei dem Kauf von Anteilscheinen reingelegt. Foto: Pixabay

Blauer Diamant

„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
21. Folge

Wir ritten weiter auf die im Hintergrund liegenden felsigen Hügel zu und dann entdeckte ich weit vor uns eine größere Gruppe von Menschen. Als wir der Gruppe etwas nähergekommen waren, erkannte ich darunter auch vier oder fünf bewaffnete Reiter. Nach dem Zwischenfall mit dem ermordeten Aufseher waren alle besonders aufmerksam und vorsichtig.

Langsam ritten wir jetzt direkt auf den uns am nächsten erreichbaren berittenen Aufseher zu. Atze schien ihn zu kennen, denn er sprach ihn mit seinem Namen an. Er erklärte ihm, dass ich mir als Neuankömmling gern einmal die Diamantengewinnung ansehen möchte. Der Berittene hatte nichts dagegen, wir sollten nur in seiner Nähe bleiben, nicht absteigen und nicht in die unmittelbare Nähe der schwarzen Arbeiter reiten. Man sollte wohl keine Chance haben, irgendwie einen Diamanten zugesteckt zu bekommen, falls man eventuell irgendwie mit einem der Arbeiter unter einer Decke steckte. Aber wer sollte mir, den hier keiner kannte, einen Diamanten zustecken? Bei Atze konnte das immerhin schon anders sein.

Die Diamanten wurden viel einfacher gewonnen, als ich es mir gedacht hatte. Ich hatte mir vorgestellt, man müsste Stollen graben, wie es in Australien bei der Opalsuche gemacht wird, oder in riesigen, tiefen Sandgruben nach blitzenden Steinen suchen. Aber hier lagen die Diamanten tatsächlich einfach so im Sand.

Große Drehrohrsiebe standen in der Gegend verteilt, in die der herangeschaffte Sand mit den darin erhofften Diamanten von ein oder zwei schwarzen Arbeitern hineingeschaufelt wurde. Ein oder zwei weitere schwarze Arbeiter drehten mittels einer Kurbel jeweils von Hand die ungefähr drei Meter lange Trommel mit einem Durchmesser von etwa 60 Zentimetern. Der feine Sand rieselte durch das Sieb und am etwas geneigten Ende der Trommel kamen die größeren Bestandteile an. Die wurden dann von einem Experten nach Diamanten durchsucht. Für den Transport des Sandes stand auch eine Minifeldbahn mit kleinen Kipploren zur Verfügung, die ebenfalls von schwarzen Arbeitern geschoben wurden. Jetzt, in der Mittagszeit brannte die Sonne sehr stark. Ich konnte verstehen, dass die Arbeiter bei dieser Hitze nur langsam arbeiteten und keine Lust hatten, dabei noch lustige Lieder zu singen.

Der Aufseher zeigte uns ein paar eben gefundene Diamanten. Ich war enttäuscht. Sie sahen ziemlich unscheinbar aus. Kein feuriges Funkeln. Wahrscheinlich hätte ich sie achtlos im Sand liegen lassen. Man konnte sich kaum vorstellen, dass hieraus die funkelnden Brillanten geschliffen wurden.

Für die Arbeiter waren inzwischen hier in der Wüste bereits kleine Dörfer errichtet worden. So brauchten sie nicht täglich weite Wege zur Arbeit zurückzulegen. Außerdem waren sie auf diese Weise besser zu kontrollieren. Auf Schmuggel von Diamanten standen hohe Strafen und selbst, wenn man einen Diamanten unbemerkt einstecken konnte, nützte das dem Arbeiter nicht viel. Seine Arbeitskleidung blieb immer im Camp und er selber kam erst nach Wochen wieder zurück zu seiner Familie. Vorher wurde er, wie Atze bereits erläutert hatte, jedoch gründlich durchsucht.

Diamantenschmuggel ausgeschlossen

Ich merkte schon, dass man als Außenseiter tatsächlich nur schwer an Diamanten herankommen konnte und mir wurde endgültig klar, hier würde ich auf schnelle Art nicht reich werden. Im Moment konnte ich mir auch keine Möglichkeit vorstellen, wie man hier Diamanten herausschmuggeln wollte. Das konnte nur funktionieren, wenn die Aufseher mitspielten. Da ich jedoch keinen Aufseher kannte, der mit mir Diamanten schmuggeln wollte, würde ich wohl doch in Windhuk als Kaufmann arbeiten müssen.

Am folgenden Tag hatte Atze nachmittags und abends keine Zeit für mich und so war ich allein unterwegs. Gegen Abend bekam ich Durst, das heißt, eigentlich hatte ich auch am Nachmittag schon Durst gehabt. Jedenfalls wurde jetzt der Durst so groß, dass ich eine der Bars aufsuchte, in denen sich ein bunt gemischtes Volk nach der Arbeit traf. In einer Ecke saß eine Gruppe von sechs Leuten und spielte Poker. Fast alle sprachen von Diamanten, Minen und dem Spekulieren mit Diamantminenpapieren. Ich setzte mich an die Theke, bestellte ein großes Bier und hörte interessiert zu.

Es dauerte keine Minute und ich wurde in das Gespräch einer Gruppe von vier netten Leuten einbezogen. Nach dem üblichen Woher? Wann angekom¬men? und Wohin? schien ihre Neugier befriedigt. Ich war sofort von dieser leutseligen Gruppe akzeptiert worden und sie setzten in meinem Beisein ihre unterbrochene Unterhaltung fort. Man sprach über neue Diamantenfunde und die Gewinnaussichten der Papiere dieser Gesellschaft. Die vier merkten natürlich sofort, dass ich auf diesem Gebiet ein Grünling war und sie bemühten sich rührend, mich ein wenig in die geheimnisvolle Welt der Diamanten einzuführen. Einer der vier bot mir plötzlich an, zwanzig von seinen Anteilscheinen einer neuen Diamantengesellschaft zu besonders günstigen Konditionen zu verkaufen.

Ich fragte nach dem Preis und er wollte sie mir für 3 000 Mark überlassen. Das war mir im Moment zu viel. Die Hälfte, schlug ich vor. Nach einigem Zögern war der Verkäufer einverstanden und erklärte mir, dass die Papiere noch umgeschrieben werden müssten. Das könne man sogleich bei dem nebenan wohnenden Anwalt erledigen und so geschah es. Ich zahlte an den Anwalt 48 Mark Gebühren und 1 500 Mark an den freundlichen und großzügigen Verkäufer und war daraufhin glücklicher Mitbesitzer einer Diamantenmine. Die Begleiter des Verkäufers beglückwünschten mich zu dem guten Geschäft und spendierten mir einen Whisky.

Stolz zeigte ich am späten Abend Atze meine Neuerwerbungen. Zehn Anteilscheine einer Diamantenmine für 1 500 Mark. Jetzt würden die Schwarzen für mich den Sand nach Diamanten umgraben und ich würde wider Erwarten doch in kürzester Zeit reich sein, ohne selber mühsam im Sand Diamanten suchen zu müssen. Dann könnte ich vielleicht nach meiner Rückkehr unsere Villa in Wolfenbüttel wieder zurückkaufen! Jedenfalls hatte der Verkäufer mir versichert, dass die Anteilscheine bald ein Vielfaches wert sein würden.

Atze sah sich die Scheine genauer an und sagte: „Na Willy, da hat man dich aber schön reingelegt. Derartige Papiere kauft man doch nicht in einer Bar!“

„Wieso?“, wollte ich wissen. „Sind die Papiere falsch?“

„Nein, das nicht, die Minengesellschaft existiert tatsächlich“, sagte Atze.

„Na also!“, ich war erleichtert. „Wieso bin ich dann reingelegt worden?“ wollte ich von ihm wissen.

„Ganz einfach, deine Diamantengesellschaft hat zwar tatsächlich ein Gebiet zum Diamantenabbau erworben, ist bisher aber noch nicht fündig geworden. Nach Meinung der Geologen ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, dass sie in dem Gebiet überhaupt Diamanten finden werden. Es ist eine Gegend ohne Flusslauf, in die aller Erfahrung nach keine Diamanten geschwemmt worden sind. Ich glaube, sie wissen das und haben noch nicht mal mit der Arbeit angefangen. Die Papiere hättest du bei einer Bank für ein Fünftel des Preises bekommen können! Und außerdem, überlege doch einmal, würdest du Anteilscheine mit fünfzig Prozent Rabatt verkaufen, die demnächst im Wert enorm steigen sollen? Die gibt man doch nicht weg. Das hätte dich mindestens stutzig machen müssen!“

„Vielleicht brauchte der Verkäufer jetzt dringend Geld und nicht erst in einem halben Jahr?“ Ich suchte nach einem Grund, meine Fehlentscheidung zu entschuldigen. „Aber du hast recht. Wenn ich so darüber nachdenke und die Situation in der Bar noch einmal Revue passieren lasse, hatte ich nicht den Eindruck, dass der gute Mann dringend Geld brauchte. Und soviel Entgegenkommen, einen Fremden unbedingt reich machen zu wollen, hätte mich tatsächlich stutzig werden lassen müssen. Dann werde ich morgen sofort versuchen, den Betrüger zu finden und mein Geld zurückverlangen!“

Ich war sauer auf den Verkäufer, der mich hereingelegt hatte, aber noch mehr auf mich selbst, dass ich so naiv gewesen war. So etwas durfte einem Kaufmann eigentlich nicht passieren.

Teures Lehrgeld

Atze wehrte ab: „Versuche das erst gar nicht. Das sind auf dem Gebiet Profis und du bist nicht der erste, den sie ausgenommen haben. Die suchen sich frisch eingereiste, unerfahrene Grünlinge aus, die sie mit dieser hieb- und stichfesten Masche übers Ohr hauen. Die Firma gibt es tatsächlich und der Kauf ist offiziell beglaubigt. Damit hast du keine Chance, auch nur einen Pfennig von deinem Geld zurückzubekommen. Wenn du bereit warst, soviel Geld für das Papier zu bezahlen, ist das deine Sache und interessiert einen Anwalt nicht. Der bestätigt nur den rechtmäßigen Verkauf und damit gleichzeitig, dass beide Parteien mit der Transaktion einverstanden waren. Ob das Papier dem gezahlten Wert entspricht, hat er nicht zu beurteilen. Hake es als Lehrgeld ab.“

„Das war aber sehr viel Lehrgeld. Ich bin jetzt bald pleite.“ Ich war irgendwie nicht zufrieden mit mir.

„Das war teures Lehrgeld, da hast du Recht. In diesem Zusammenhang gleich noch etwas“, fügte Atze hinzu. „Lasse dich auf kein Glücksspiel ein, egal ob Karten oder Würfel. Du wirst am Ende immer verlieren. Man lässt dich zunächst auch ein- oder zweimal gewinnen, damit du an dein Glück und die Ehrlichkeit deiner unbekannten Mitspieler glaubst. Danach nehmen die Profis dich erbarmungslos aus und du gehst ohne einen Heller nach Hause. Glaube mir, ich kenne die Szene.“

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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