Blauer Diamant
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
26. Folge
Wie es immer ist, in der Gruppe waren die Mädchen mutig und kreisten mich ein. Eine ganz Kesse setzte sich neben mich und wollte wissen, wohin ich reise.
„Nach Windhuk“, befriedigte ich ihre Neugier. „Aber wer hat euch denn losgelassen? Seid ihr eurer Aufseherin entwischt?“ Sie kicherten.
Meine Nachbarin klärte mich auf: „Wir fahren ebenfalls nach Windhuk, aber ohne Aufseherin. Wir brauchen keine Gouvernante, die auf uns aufpasst. Wir sind bestens ausgebildete, selbständige Siedlersfrauen.“
Ich starrte sie verständnislos an: „Was seid ihr? Siedlersfrauen? Wo sind denn eure Männer?“
Wieder Gegackere und vernichtende Blicke ob meiner Unwissenheit.
„Die werden wir uns hier in Windhuk suchen“, klärte mich eine Zweite auf.
„Und warum hier? Ihr hättet es doch nicht nötig gehabt, soweit zu fahren. Bei eurem Aussehen hättet ihr sicherlich auch in Deutschland ohne Probleme jemanden gefunden.“ Für Schmeicheleien sind junge Damen immer empfänglich und für die lange, gemeinsame Fahrt musste ich sie freundlich stimmen.
„Hier im Land sind die Chancen aber besser, eine gute Partie zu machen“, bekam ich zur Antwort. „Hier kann man Herrin auf einer riesigen Farm werden, oder noch besser, wenn man Glück hat, einen reichen Diamantenhändler ergattern.“
„Wir sind alle eineinhalb Jahre auf der Kolonialfrauenschule in Bad Weilbach gewesen“, erklärte eine Dritte. „Und jetzt sind wir perfekte Kolonistenfrauen, wir können alles!“
„Alles?“, ich sah sie halb belustigt, halb skeptisch an.
„Alles!“ schallte es im Chor aus allen Richtungen.
Mir drängte sich eine Frage auf, doch verkniff ich mir eine tiefergehende Hinterfragung, ob dieses „Alles“ auch wirklich alles umfasste. Sonst hätte ich meine Hintergedanken noch erläutern müssen, obwohl sie mich ganz sicher verstanden hätten. Bei dieser Übermacht von Frauen musste ich Zurückhaltung üben.
Eine vierte erläuterte dann, was dieses ,Alles‘ umfasste und es war wirklich erstaunlich. Man hatte ihnen nicht nur das, was eine normale Hausfrau alles in der Küche und im Haus zu erledigen hatte, wie Kochen, Backen, Fleischverarbeitung, Herstellung von Konserven, Waschen, Bügeln, Nähen oder Putzen, sowie Kinder- und Krankenpflege dort beigebracht, nein, sie konnten auch Obstwein bereiten und Schnaps brennen, Löten und Bienen züchten, die Bücher führen und vieles mehr. Sie waren sozusagen Super-Universalweiber! Jedenfalls, wenn man eine Frau brauchte, die zupacken konnte, wäre eine von diesen die Richtige. Jetzt waren sie auf dem Weg nach Windhuk. Dort war ihr Ziel zunächst das „Heimathaus für junge Mädchen“ und von dort würden sie dann ausschwärmen. Ich war beeindruckt.
Lustig wäre natürlich auch eine Versteigerung gewesen. Ich stellte mir vor, unten Farmer mit von Sonne und Wind gegerbtem Gesicht und großen, groben, von der Arbeit rissigen Händen und oben auf einem Podest diese jungen, noch kindlich verspielten Mädchen. Und der meistbietende bekam das hübscheste Mädchen. Vielleicht hätte ich mitgesteigert. Aber das wäre ja letztendlich Sklaverei gewesen und die Leibeigenschaft war leider schon lange abgeschafft. Hätte sicher aber auch Vorteile gehabt. Für Männer!
Es geht los!
Ein lauter Pfiff der Lokomotive ließ uns in unserer Konversation innehalten und unterbrach meine ins Frivole abgleitenden Gedanken.
Auf dem Bahnsteig rief der Bahnhofsvorsteher: „Alles einsteigen und die Türen schließen.“ Dann blies er mit voller Lungenkraft in seine Trillerpfeife und hob die Abfahrkelle. Der Lokführer hatte das für ihn bestimmte Abfahrtsignal bemerkt und ließ durch das Umlegen eines Hebels den Dampf in die Zylinder strömen. Es zischte und langsam setzte sich unser Zug mit großem Geschnaufe in Bewegung. Endlich ging es dem Paradies mit Palmen entgegen.
„Und du? Bist du Farmer oder Diamantenhändler?“, wollte die Kesse, die anderen nannten sie Marie-Luise, nach der Unterbrechung wissen. Vielleicht meinte sie, sofort zugreifen zu können und nicht erst in Windhuk weitersuchen zu müssen. Wahrscheinlich legte meine stattliche Figur die Vermutung nahe, dass ich etwas Derartiges sein musste und es gab für die Mädchen offensichtlich nur diese zwei Alternativen.
„Nein, Farmer bist du nicht, die sehen anders aus. Braun und schlank. Und muskulös! Du hast keine Arbeitshände, dafür sind sie zu gepflegt“, entschied Marie-Luise nach eingehender Musterung. „Also bist du Diamantenhändler!“
„Ich habe keine Farm und leider auch keine Kiste voller Diamanten. Ich bin Kaufmann und habe eine Stellung in Windhuk.“ Diesmal war ich ehrlich, obwohl ich hier wie damals in Dresden meine Geschichte hätte ausschmücken und den jungen Damen etwas hätte vorräubern können. Ich wäre sicher ohne weiteres als Diamantenhändler durchgegangen. Aber als gebranntes Kind scheute ich im Moment das Feuer. Damit hatte ich mich allerdings als Heiratskandidat für die Damen disqualifiziert.
Trotzdem wurde es eine amüsante Fahrt. Sie wollten mich zwar nun nicht mehr heiraten, aber sie meinten, mich zum Zeitvertreib necken zu können.
„Wer von uns ist die Schönste?“, fragte mich die Kesse unvermittelt und holte aus ihrer großen Tasche einen Apfel. Sie reichte ihn mir.
„Donnerwetter! Ihr habt sogar in der Geschichte des Altertums aufgepasst.“
Ich sah mich in der Runde um und betrachtete jede Aspirantin prüfend von oben bis unten. Da gab es Stupsnasen und gebogene Nasen, braune, blaue und sogar grüne Augen, schmale und volle Lippen, braunes, schwarzes und blondes Haar, volle und scheinbar unterentwickelte Busen, schlanke und leicht pummelige Figuren. Doch jede für sich hatte etwas Interessantes oder Liebenswürdiges an sich.
„Nein, meine Liebe, nicht mit mir. Ich spiele nicht die Rolle des Paris mit dem Apfel. Erstens hat der Apfel schon im Paradies dem Mann große Probleme gebracht und die Entscheidung des Paris, Aphrodite den Apfel zuzuwerfen, gab auch nur Ärger. Ohne Eva und den Apfel wären wir Männer heute noch im Garten Eden, wo Wein und Honig fließen und hier im Zug mit sieben schönen Frauen ist es für mich ja auch fast wie im Paradies. Da brauche ich schon sieben Äpfel. So wie Nathan der Weise seinen drei Söhnen jeweils einen Ring gab, um keinen vorzuziehen, müsste ich jeder von euch einen Apfel zuwerfen. Nathan liebte alle drei Söhne gleich viel, falls ihr die Geschichte nicht kennt.“ Ich nahm den Apfel und biss hinein.
Das brachte mir von der Kessen den Titel „Spielverderber“ ein. Sie war schön und sich dessen offensichtlich auch bewusst. Ich hätte ihr ohne weiteres den Apfel zuwerfen können, aber bis Windhuk war es noch weit und sechs beleidigte oder enttäuschte Frauen auf engem Raum mit mir über viele Stunden, das konnte für mich eine Tortur werden.
Wie es immer ist, in der Gruppe waren die Mädchen mutig und kreisten mich ein. Eine ganz Kesse setzte sich neben mich und wollte wissen, wohin ich reise.
„Nach Windhuk“, befriedigte ich ihre Neugier. „Aber wer hat euch denn losgelassen? Seid ihr eurer Aufseherin entwischt?“ Sie kicherten.
Meine Nachbarin klärte mich auf: „Wir fahren ebenfalls nach Windhuk, aber ohne Aufseherin. Wir brauchen keine Gouvernante, die auf uns aufpasst. Wir sind bestens ausgebildete, selbständige Siedlersfrauen.“
Ich starrte sie verständnislos an: „Was seid ihr? Siedlersfrauen? Wo sind denn eure Männer?“
Wieder Gegackere und vernichtende Blicke ob meiner Unwissenheit.
„Die werden wir uns hier in Windhuk suchen“, klärte mich eine Zweite auf.
„Und warum hier? Ihr hättet es doch nicht nötig gehabt, soweit zu fahren. Bei eurem Aussehen hättet ihr sicherlich auch in Deutschland ohne Probleme jemanden gefunden.“ Für Schmeicheleien sind junge Damen immer empfänglich und für die lange, gemeinsame Fahrt musste ich sie freundlich stimmen.
„Hier im Land sind die Chancen aber besser, eine gute Partie zu machen“, bekam ich zur Antwort. „Hier kann man Herrin auf einer riesigen Farm werden, oder noch besser, wenn man Glück hat, einen reichen Diamantenhändler ergattern.“
„Wir sind alle eineinhalb Jahre auf der Kolonialfrauenschule in Bad Weilbach gewesen“, erklärte eine Dritte. „Und jetzt sind wir perfekte Kolonistenfrauen, wir können alles!“
„Alles?“, ich sah sie halb belustigt, halb skeptisch an.
„Alles!“ schallte es im Chor aus allen Richtungen.
Mir drängte sich eine Frage auf, doch verkniff ich mir eine tiefergehende Hinterfragung, ob dieses „Alles“ auch wirklich alles umfasste. Sonst hätte ich meine Hintergedanken noch erläutern müssen, obwohl sie mich ganz sicher verstanden hätten. Bei dieser Übermacht von Frauen musste ich Zurückhaltung üben.
Eine vierte erläuterte dann, was dieses ,Alles‘ umfasste und es war wirklich erstaunlich. Man hatte ihnen nicht nur das, was eine normale Hausfrau alles in der Küche und im Haus zu erledigen hatte, wie Kochen, Backen, Fleischverarbeitung, Herstellung von Konserven, Waschen, Bügeln, Nähen oder Putzen, sowie Kinder- und Krankenpflege dort beigebracht, nein, sie konnten auch Obstwein bereiten und Schnaps brennen, Löten und Bienen züchten, die Bücher führen und vieles mehr. Sie waren sozusagen Super-Universalweiber! Jedenfalls, wenn man eine Frau brauchte, die zupacken konnte, wäre eine von diesen die Richtige. Jetzt waren sie auf dem Weg nach Windhuk. Dort war ihr Ziel zunächst das „Heimathaus für junge Mädchen“ und von dort würden sie dann ausschwärmen. Ich war beeindruckt.
Lustig wäre natürlich auch eine Versteigerung gewesen. Ich stellte mir vor, unten Farmer mit von Sonne und Wind gegerbtem Gesicht und großen, groben, von der Arbeit rissigen Händen und oben auf einem Podest diese jungen, noch kindlich verspielten Mädchen. Und der meistbietende bekam das hübscheste Mädchen. Vielleicht hätte ich mitgesteigert. Aber das wäre ja letztendlich Sklaverei gewesen und die Leibeigenschaft war leider schon lange abgeschafft. Hätte sicher aber auch Vorteile gehabt. Für Männer!
Es geht los!
Ein lauter Pfiff der Lokomotive ließ uns in unserer Konversation innehalten und unterbrach meine ins Frivole abgleitenden Gedanken.
Auf dem Bahnsteig rief der Bahnhofsvorsteher: „Alles einsteigen und die Türen schließen.“ Dann blies er mit voller Lungenkraft in seine Trillerpfeife und hob die Abfahrkelle. Der Lokführer hatte das für ihn bestimmte Abfahrtsignal bemerkt und ließ durch das Umlegen eines Hebels den Dampf in die Zylinder strömen. Es zischte und langsam setzte sich unser Zug mit großem Geschnaufe in Bewegung. Endlich ging es dem Paradies mit Palmen entgegen.
„Und du? Bist du Farmer oder Diamantenhändler?“, wollte die Kesse, die anderen nannten sie Marie-Luise, nach der Unterbrechung wissen. Vielleicht meinte sie, sofort zugreifen zu können und nicht erst in Windhuk weitersuchen zu müssen. Wahrscheinlich legte meine stattliche Figur die Vermutung nahe, dass ich etwas Derartiges sein musste und es gab für die Mädchen offensichtlich nur diese zwei Alternativen.
„Nein, Farmer bist du nicht, die sehen anders aus. Braun und schlank. Und muskulös! Du hast keine Arbeitshände, dafür sind sie zu gepflegt“, entschied Marie-Luise nach eingehender Musterung. „Also bist du Diamantenhändler!“
„Ich habe keine Farm und leider auch keine Kiste voller Diamanten. Ich bin Kaufmann und habe eine Stellung in Windhuk.“ Diesmal war ich ehrlich, obwohl ich hier wie damals in Dresden meine Geschichte hätte ausschmücken und den jungen Damen etwas hätte vorräubern können. Ich wäre sicher ohne weiteres als Diamantenhändler durchgegangen. Aber als gebranntes Kind scheute ich im Moment das Feuer. Damit hatte ich mich allerdings als Heiratskandidat für die Damen disqualifiziert.
Trotzdem wurde es eine amüsante Fahrt. Sie wollten mich zwar nun nicht mehr heiraten, aber sie meinten, mich zum Zeitvertreib necken zu können.
„Wer von uns ist die Schönste?“, fragte mich die Kesse unvermittelt und holte aus ihrer großen Tasche einen Apfel. Sie reichte ihn mir.
„Donnerwetter! Ihr habt sogar in der Geschichte des Altertums aufgepasst.“
Ich sah mich in der Runde um und betrachtete jede Aspirantin prüfend von oben bis unten. Da gab es Stupsnasen und gebogene Nasen, braune, blaue und sogar grüne Augen, schmale und volle Lippen, braunes, schwarzes und blondes Haar, volle und scheinbar unterentwickelte Busen, schlanke und leicht pummelige Figuren. Doch jede für sich hatte etwas Interessantes oder Liebenswürdiges an sich.
„Nein, meine Liebe, nicht mit mir. Ich spiele nicht die Rolle des Paris mit dem Apfel. Erstens hat der Apfel schon im Paradies dem Mann große Probleme gebracht und die Entscheidung des Paris, Aphrodite den Apfel zuzuwerfen, gab auch nur Ärger. Ohne Eva und den Apfel wären wir Männer heute noch im Garten Eden, wo Wein und Honig fließen und hier im Zug mit sieben schönen Frauen ist es für mich ja auch fast wie im Paradies. Da brauche ich schon sieben Äpfel. So wie Nathan der Weise seinen drei Söhnen jeweils einen Ring gab, um keinen vorzuziehen, müsste ich jeder von euch einen Apfel zuwerfen. Nathan liebte alle drei Söhne gleich viel, falls ihr die Geschichte nicht kennt.“ Ich nahm den Apfel und biss hinein.
Das brachte mir von der Kessen den Titel „Spielverderber“ ein. Sie war schön und sich dessen offensichtlich auch bewusst. Ich hätte ihr ohne weiteres den Apfel zuwerfen können, aber bis Windhuk war es noch weit und sechs beleidigte oder enttäuschte Frauen auf engem Raum mit mir über viele Stunden, das konnte für mich eine Tortur werden.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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