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Bahnstation Kubas (ca. 1909)
Bahnstation Kubas (ca. 1909)

Blauer Diamant

„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
Claudia Reiter
28. Folge

Wir wurden auf dem Bahnhof abgekoppelt und die Lok verschwand unter großem Geschnaufe mit dem ersten Waggon im enger werdenden Tal. Es dauerte Stunden, bis alle Wagen oben waren. Bevor die Lok mit dem letzten Wagen den Bahnhof Khan verließ, übernahm sie noch Wasser und Kohle für die Weiterfahrt. Zum Beschicken der Lok mit Wasser stand neben dem Gleis ein großer Wasserbehälter auf einem Stahlgestell. Darunter befand sich ein schwenkbares Rohr mit einem Lederrüssel, der in den geöffneten Wasserbehälter der Lock geschwenkt wurde. Die Kohle wurde von Arbeitern aus Säcken in den Kohletender der Lok geschüttet. Dann konnte es weitergehen. Nach Überwindung der Steigung wurden die Wagen oben wieder aneinander gekoppelt und dann ein Pfiff aus der Trillerpfeife des Schaffners, ein Pfiff der Lokomotive als Antwort, und es ging endlich weiter.

Wieder munter nach der langen Warterei, schien sich bei den jungen Damen ein gesunder Appetit einzustellen. Jedenfalls packten sie ihre Reiseverpflegung in Form von Butterbroten aus und fingen an zu essen. Ich hatte mir nichts Derartiges mitgenommen. Da es keinen Speisewagen gab, musste ich wohl oder übel bis Karibib warten und mir dort auf dem Bahnhof etwas zu essen besorgen. Aber meine anscheinend auch in Mildtätigkeit ausgebildeten Begleiterinnen konnten nicht mit ansehen, wie ich darbte und gaben mir ein Butterbrot ab. Der Kaffee, den sie in Thermoskannen mitführten, war mit Swakopwasser gekocht und schmeckte entsprechend schauerlich. Da hatten auch die besten Bohnen keine Chance.

Die nächste Station war Kubas. In dieser Region gab es hochwertigen Marmor. Das waren wohl die weißen Felsen, die man in der Ferne sehen konnte. Als wir in den Bahnhof einrollten, sah ich zu meiner Freude ein zweites Gebäude mit einem großen Schild ,Bahnhofsrestauration H. Bosse‘. Na, der Herr Bosse wird sicher etwas zu essen für mich haben, dachte ich. Ich stieg schnell aus und fragte den Zugführer, wie lange wir Aufenthalt hätten. Etwa fünfzehn Minuten, war seine Auskunft. Für ein mehrgängiges Menü hätten wir keine Zeit, ich solle mich beeilen, jedoch würde er keinesfalls ohne mich abfahren. Bei Herrn Bosse bekam ich zwei Frankfurter Würstchen mit Kartoffelsalat, die ich in der vom Zugführer angegebenen Frist problemlos bewältigte.

Ein Pfiff aus der Trillerpfeife des Bahnhofsvorstehers, die Antwort der Lokomotive mit zwei kurzen Pfiffen und weiter ging es. Die hügelige und felsige Landschaft veränderte sich langsam und wurde jetzt abwechslungsreicher. Hier konnte man endlich von einer Vegetation sprechen. Wir fuhren durch eine Buschsteppe mit Gräsern, Büschen und Kameldornbäumen. Dies war schon Weideland für Schafe und Ziegen.

Aufenthalt in Karibib

Karibib erreichten wir lange nach Einbruch der Dunkelheit. Inzwischen hatten wir schon eine Höhe von 1 170 Metern erreicht und damit den Aufstieg zum Hochplateau überwunden. Von dem Regengebiet, das wir am Nachmittag in der Ferne gesehen hatten, waren wir verschont geblieben, wir hatten es rechter Hand liegen gelassen und auch Karibib hatte nichts davon abbekommen.

Jetzt hatten wir erst einmal sechs Stunden Aufenthalt. Nachts fuhren die Züge normalerweise nicht. Hier in Karibib befand sich auch eine Eisenbahnwerkstätte, in der unsere Lok in der Zwischenzeit überall geölt wurde, wieder Wasser nachgefüllt und Kohle übernommen wurde, damit wir die letzten 200 Kilometer bis Windhuk gut geschmiert vorankommen konnten. Übrigens wurden die Wasserreservoire der Bahnhöfe in den trockenen Regionen von extra eingesetzten Wasserzügen versorgt. Dabei machte das kalkhaltige Wasser den Lokomotiven sehr zu schaffen, sie mussten häufig überholt und die Wasserrohre ausgetauscht werden.

Meine Damenbegleitung und ich nutzten die lange Pause, um in aller Ruhe etwas zu essen. Die Würstchen in Kubas hatten nicht bis hier vorgehalten. Im Bahnhofsrestaurant war die Speisekarte um diese nachtschlafene Zeit etwas reduziert. Nur eine einzige Küchenfee war wegen unseres verspäteten Zuges freundlicherweise noch in der Küche geblieben. Aber wir konnten wählen zwischen Kaffee und zwei trockenen Kuchensorten und Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat. In Kubas hatte ich Frankfurter Würstchen gegessen, also nahm ich hier zur Abwechslung die angebotenen Wiener Würstchen. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass beide Würstchensorten aus der gleichen Dose kamen. Nach diesem opulenten Mahl trank ich noch eine Tasse Kaffee.

Meine Begleiterinnen bevorzugten statt der Würstchen ein Kännchen Kaffee und ein großes Stück Topfkuchen. Der Kaffee war gut, er schmeckte hier deutlich besser als der mit Swakopwasser gekochte. Anschließend gingen wir wieder in unser Abteil und versuchten zu schlafen.

Hier in Karibib bekamen wir einen neuen, ausgeschlafenen Lokführer und weiter ging die Reise in den grauenden Morgen hinein. Wir machten es uns wieder gemütlich, wie gehabt, und dösten im Halbschlaf vor uns hin. Irgendwann hörte ich, als der Zug hielt, den Ausruf ,Okahandja‘, aber ich war durch die zunehmende Wärme im Abteil zu träge und zu müde, um aufzustehen und aus dem Fenster zu sehen. Es ging bald weiter. Draußen wurde jetzt der Busch- und Baumbestand immer dichter. Am Abend erreichten wir gegen 9 Uhr endlich unser Ziel Windhuk.

Wir sammelten unsere Sachen zusammen und dann gab es eine große Verabschiedung. Es gab Küsschen auf die Wangen und viele gute Wünsche für die Zukunft. Von der Kessen bekam ich zu meiner Überraschung einen langen Kuss auf den Mund. „Vielleicht sieht man sich“, meinte sie zum Abschied.

„Wer weiß? Möglich ist alles“, erwiderte ich.

Windhuk! Ich hatte das Ziel meiner Träume erreicht. Und es gab tatsächlich Palmen und üppig blühende Bäume! Direkt neben dem Bahnhof! Ja, hier merkte man, dass Frühling war. Auf dem Bahnhof herrschte sprichwörtliches buntes Treiben. Weiße Männer in weißen Anzügen und weißem Sonnenhut, einer in Gamaschen und mit Tropenhelm, Einheimische in kompletten, aber ungebügeltem Anzug, andere in offensichtlicher Landestracht aus weitem Umhang mit schwarz-weißen Längsstreifen. Damen in modischen Kostümen, schwarze Frauen in weiten, bunten Kleidern oder Kostümen, aber barfuß. Es war ein verwirrendes Bild. Auffällig war, dass fast alle Schwarzen, egal wie sie gekleidet waren, barfuß liefen.

Am Ende des Bahnsteiges musterte ein elegant gekleideter Herr mittleren Alters in weißem Tropenanzug alle Angekommenen, als erwarte er jemand ihm Fremden. Begleitet war er von einer Dame und einem etwa achtjährigen Mädchen. Er hatte bemerkt, dass ich mich ebenfalls suchend umgesehen hatte und kam auf mich zu.

„Kann es sein, dass wir uns suchen?“, fragte er mit einem Lächeln, „Sie waren der Einzige unter den Angekommenen, der sich hilflos suchend umgesehen hatte“.

„Wenn Sie der Herr Baron von Scharfenberg sind, ist das richtig.“ Als er bejahte, stellte ich mich vor, verkniff mir aber den Hinweis auf das Ypsilon. Das Ypsilon war ja nur von Bedeutung, wenn mein Name geschrieben wurde.

„Es ist mir eine Ehre, von meinem Chef persönlich trotz unserer Verspätung abgeholt zu werden. Aber der Zug musste durch das Khantal fahren, die andere Strecke war nicht passierbar. Offenbar Gleisarbeiten oder Sandverwehungen“, ergänzte ich.

„Nun, das hatte ich schon vorher gehört. Die Züge kommen praktisch nie pünktlich an. Also erkundigt man sich generell am Bahnhof, wann der Zug aus Swa¬kopmund erwartet würde. So haben wir entsprechend später einen gemütlichen Spaziergang zum Bahnhof gemacht, um rechtzeitig bei Ihrer Ankunft am Bahnhof zu sein. Ja, und ohne uns wüssten Sie doch nicht, was Sie hier am Samstagabend machen und wohin Sie gehen sollten. Meine beiden Frauen sind zudem sehr neugierig, wer da aus der alten Heimat zu uns stoßen wollte und was es in Deutschland Neues gibt. Außerdem führe ich die Geschäfte hier und in unseren Filialen etwas anders, als es in den meisten Häusern üblich ist. Ich erwarte vollen Einsatz und natürlich Disziplin von meinen Mitarbeitern, aber auch von mir selbst. Andererseits kann man nur vollen Einsatz der Mitarbeiter erwarten, wenn man seine Angestellten als gleichwertige Menschen behandelt und gut bezahlt. Sie werden sehen, wir sind eine große Familie.“

Was war ich froh, dass ich mir in der Filiale in Lüderitzbucht Zigaretten gekauft hatte, sonst wäre ich heute nicht hier.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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