Blauer Diamant
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
29. Folge
„Wir bringen Sie noch zu Ihrer Pension. Sie werden bei einer Familie Breuer in der Uhlandstraße wohnen. Es sind Bekannte von uns. Frau Breuer brennt schon darauf, endlich ebenfalls Neuigkeiten aus der Heimat zu hören.“
Man hatte bereits ein möbliertes Zimmer im Obergeschoß des Breuerschen Hauses für mich kurzfristig angemietet.
Und so machten wir uns auf den Weg zu Familie Breuer. Mein Chef nahm den Türklopfer an der Haustür und klopfte dreimal laut und sofort wurde geöffnet. Frau Breuer hatte wohl hinter der Gardine stehend bereits auf uns gewartet. Herr Breuer kam aus dem Wohnzimmer und begrüßte meinen Chef und seine Familie herzlich wie alte Bekannte. Im Laufe der Zeit stellte ich später fest, dass man den Baron als Geschäftsmann in ganz Windhuk sehr schätzte. Er hatte eine feine vornehme, aber verbindliche Art gegenüber jedermann, so wie sie einen wirklich guten Kaufmann ausmachte.
In diesem Kreis musste ich zunächst von meiner Überfahrt und aus Deutschland berichten. Natürlich waren Breuers auch gespannt, wer da bei ihnen einziehen würde und so erzählte ich ihnen von Wolfenbüttel und meiner Familie, ohne jedoch den Grund meines fluchtartigen Abschieds zu erwähnen. Dann drehte sich das Gespräch um die Entwicklung des Landes. Später sprach man allgemein über das Geschäft und als Herr Breuer darauf zu sprechen kam, dass das Geschäft des Barons offensichtlich besonders gut florierte, meinte der Baron, was mir allerdings schon seit Dresden geläufig war, dass das Erfolgsgeheimnis eines guten Kaufmanns in der freundlichen Behandlung der Kundschaft liegt. Bei uns ist der Kunde König und Streitgespräche mit einem Kunden sind tabu. Jeder Besucher wird zuvorkommend behandelt, auch wenn er nichts kaufen sollte. Er sprach mich nicht direkt an, aber ich verstand schon die indirekten, an mich gerichteten Hinweise. Ich bestätigte ihm, dass wir da ganz einer Meinung waren. Nicht jeder Mensch kann jeden Tag in jedem Laden etwas kaufen. Manchmal wollte man sich halt nur informieren oder einfach auch nur bummeln. Wichtig ist, dass der Kunde gern wiederkommt, wenn er etwas braucht. Das unterschied sich hier in Windhuk in keiner Weise von den Gepflogenheiten in Dresden.
Schließlich verabschiedete sich mein neuer Chef mit seiner Frau und dem Töchterchen, das zwischenzeitlich ziemlich müde geworden war, mit der Bemerkung, dass er mich am Montag um 8 Uhr in seinem Büro erwarte. Ich ging in mein Zimmer, um auszupacken und mich einzurichten.
Erste Sonntag in Windhuk
Heute war Sonntag. Der erste Sonntag für mich in Windhuk. Den wollte ich nutzen, um die Stadt kennenzulernen. Ich stand gegen 8 Uhr auf. Der Morgen war noch kühl, aber man wusste, der Tag würde wieder heiß werden. Am Himmel war kein Wölkchen zu sehen.
Meine Wirtin hatte schon den Frühstückstisch gedeckt und war in der Küche. Als sie mich kommen hörte, kam sie zu mir.
„Guten Morgen, Herr Willy“, begrüßte sie mich. Sie konnte vom Alter her meine Mutter sein und ich hatte ihr deshalb angeboten, mich einfach Willy zu nennen. Aber wir waren uns wohl noch zu fremd, jedenfalls meinte sie, das ,Herr‘ noch voranstellen zu müssen.
„Haben Sie gut geschlafen?“, wollte sie wissen.
„Wunderbar. Am liebsten wäre ich den ganzen Vormittag in dem riesigen Daunenbett geblieben, aber ich muss heute unbedingt die Stadt kennenlernen. Endlich kann ich nach langer Zeit wieder unter Bäumen spazieren gehen. In Lüderitzbucht und Swakopmund war die Vegetation wirklich sehr spärlich. Ja und dann wollte ich nachher noch bis zur imposanten Festung, von der ich schon gehört habe.“
Frau Breuer war heute allein. Ihr Mann, ein Beamter in der Bauabteilung der Stadtverwaltung, war schon um 6 Uhr zur Jagd ausgeritten. Ihr einziger Sohn war bei der Schutztruppe und kam nur selten nach Hause.
Besorgt wie um ihren eigenen Sohn meinte sie, ich solle auf jeden Fall einen Hut aufsetzen, damit ich in der intensiven Sonne keinen Sonnenstich bekomme. Das hätte ich auch ohne Frau Breuers guten Rat getan. Tagsüber war es hier unter der ständig scheinenden südlichen Sonne trotz der Höhe von 1 600 bis 1 700 Metern sehr heiß und nachts wegen der Höhe wiederum empfindlich kühl. Allerdings war die Hitze wegen der geringen Luftfeuchte gut zu ertragen. Insofern stimmte die damalige Aussage meines Reiseberaters in Braunschweig, das Klima wäre gut verträglich.
Bevor ich mich jedoch auf den Weg machte, schrieb ich noch schnell zwei gleichlautende Postkarten, eine an meine Mutter und eine, ich hatte es ja versprochen, an meinen Freund Kurt. Ich musste ihnen doch mitteilen, dass ich nach einer abenteuerlichen Fahrt wohlbehalten in Windhuk angekommen war. Die Karten konnte ich gleich bei meiner Stadtvisite am Postamt in den Briefkasten werfen.
Kurz nach 9 Uhr verließ ich das Haus und ging zunächst zur Kaiserstraße, der Hauptstraße von Windhuk. Diese, wie auch die anderen Straßen, war für europäische Verhältnisse enorm breit und dadurch sonnendurchflutet, dafür aber, bis auf die Fußwege an den Seiten, sandig und nicht befestigt. Nach wenigen Metern waren meine frisch geputzten Schuhe über und über mit Staub bedeckt.
Hier auf der Kaiserstraße herrschte um diese Zeit schon reges Treiben. Offensichtlich strebten die meisten Frühaufsteher der Kirche zu. Die im Stil einer Basilika erbaute Christuskirche war noch nicht ganz fertig, aber Gottesdienste wurden schon abgehalten. Doch mir stand der Sinn nicht nach Gottesdienst. Nein, dafür hatte ich heute keine Zeit. Ich wollte heute die Stadt erkunden. Gott hatte damals auch keine Zeit für uns gehabt, als unser Nachbar meinen Vater erschossen hatte. Jedenfalls hatte er das seinerzeit nicht verhindert und das hatte und konnte ich nicht vergessen.
Windhuk, in einem welligen Hügelland gelegen und in Sichtweite das Auasgebirge, war eine aufstrebende, eine schöne Stadt. Selbstverständlich im vertrauten deutschen Baustil, richtig heimelig. Ihren Namen verdankte sie einem ständig spürbaren, kräftigen Wind, der im September bis November zum Wirbelsturm werden konnte. Die Stadt gefiel mir, wenn sich auch fast überall eine Baustelle an die andere reihte. Die meisten Häuser waren oder wurden zurzeit mit aufwendigen Fassaden ausgestattet und hatten alle einen villenartigen Charakter. Sehr beliebt waren turmartige, seitliche Anbauten. Ebenso wie die Straßen ungewöhnlich breit waren, hatten auch die Grundstücke entsprechende Ausmaße und waren teilweise noch größer als in Swakopmund. So hatte man genügend Abstand zum Nachbarn. Überall gab es zudem noch genügend Bauplätze. Zum Leidwesen der Bauherren war der Untergrund größtenteils felsig, so dass der Bau eines Kellers problematisch war.
Auch die öffentlichen Gebäude waren interessant gestaltet. Das Postamt, an dem ich gerade vorbei kam, war ein für meinen Geschmack sehr eigenwilliger Bau. Links, rechts und vorn an den Seiten Säulengänge, was wegen der Sonne ganz praktisch war, sowie links, rechts und in der Mitte Treppenaufgänge. Das Besondere und auch wichtig, war jedoch der Fahnenmast auf dem Turm in der Mitte. Eine aufgezogene blaue Fahne gab bekannt, Post aus der Heimat ist angekommen. Eine rote Fahne dagegen signalisierte den Annahmeschluss für Post in die Heimat. Einmal im Monat beförderten dann die Schiffe der Woermann-Linie die Post zwischen Swakopmund und Hamburg.
„Wir bringen Sie noch zu Ihrer Pension. Sie werden bei einer Familie Breuer in der Uhlandstraße wohnen. Es sind Bekannte von uns. Frau Breuer brennt schon darauf, endlich ebenfalls Neuigkeiten aus der Heimat zu hören.“
Man hatte bereits ein möbliertes Zimmer im Obergeschoß des Breuerschen Hauses für mich kurzfristig angemietet.
Und so machten wir uns auf den Weg zu Familie Breuer. Mein Chef nahm den Türklopfer an der Haustür und klopfte dreimal laut und sofort wurde geöffnet. Frau Breuer hatte wohl hinter der Gardine stehend bereits auf uns gewartet. Herr Breuer kam aus dem Wohnzimmer und begrüßte meinen Chef und seine Familie herzlich wie alte Bekannte. Im Laufe der Zeit stellte ich später fest, dass man den Baron als Geschäftsmann in ganz Windhuk sehr schätzte. Er hatte eine feine vornehme, aber verbindliche Art gegenüber jedermann, so wie sie einen wirklich guten Kaufmann ausmachte.
In diesem Kreis musste ich zunächst von meiner Überfahrt und aus Deutschland berichten. Natürlich waren Breuers auch gespannt, wer da bei ihnen einziehen würde und so erzählte ich ihnen von Wolfenbüttel und meiner Familie, ohne jedoch den Grund meines fluchtartigen Abschieds zu erwähnen. Dann drehte sich das Gespräch um die Entwicklung des Landes. Später sprach man allgemein über das Geschäft und als Herr Breuer darauf zu sprechen kam, dass das Geschäft des Barons offensichtlich besonders gut florierte, meinte der Baron, was mir allerdings schon seit Dresden geläufig war, dass das Erfolgsgeheimnis eines guten Kaufmanns in der freundlichen Behandlung der Kundschaft liegt. Bei uns ist der Kunde König und Streitgespräche mit einem Kunden sind tabu. Jeder Besucher wird zuvorkommend behandelt, auch wenn er nichts kaufen sollte. Er sprach mich nicht direkt an, aber ich verstand schon die indirekten, an mich gerichteten Hinweise. Ich bestätigte ihm, dass wir da ganz einer Meinung waren. Nicht jeder Mensch kann jeden Tag in jedem Laden etwas kaufen. Manchmal wollte man sich halt nur informieren oder einfach auch nur bummeln. Wichtig ist, dass der Kunde gern wiederkommt, wenn er etwas braucht. Das unterschied sich hier in Windhuk in keiner Weise von den Gepflogenheiten in Dresden.
Schließlich verabschiedete sich mein neuer Chef mit seiner Frau und dem Töchterchen, das zwischenzeitlich ziemlich müde geworden war, mit der Bemerkung, dass er mich am Montag um 8 Uhr in seinem Büro erwarte. Ich ging in mein Zimmer, um auszupacken und mich einzurichten.
Erste Sonntag in Windhuk
Heute war Sonntag. Der erste Sonntag für mich in Windhuk. Den wollte ich nutzen, um die Stadt kennenzulernen. Ich stand gegen 8 Uhr auf. Der Morgen war noch kühl, aber man wusste, der Tag würde wieder heiß werden. Am Himmel war kein Wölkchen zu sehen.
Meine Wirtin hatte schon den Frühstückstisch gedeckt und war in der Küche. Als sie mich kommen hörte, kam sie zu mir.
„Guten Morgen, Herr Willy“, begrüßte sie mich. Sie konnte vom Alter her meine Mutter sein und ich hatte ihr deshalb angeboten, mich einfach Willy zu nennen. Aber wir waren uns wohl noch zu fremd, jedenfalls meinte sie, das ,Herr‘ noch voranstellen zu müssen.
„Haben Sie gut geschlafen?“, wollte sie wissen.
„Wunderbar. Am liebsten wäre ich den ganzen Vormittag in dem riesigen Daunenbett geblieben, aber ich muss heute unbedingt die Stadt kennenlernen. Endlich kann ich nach langer Zeit wieder unter Bäumen spazieren gehen. In Lüderitzbucht und Swakopmund war die Vegetation wirklich sehr spärlich. Ja und dann wollte ich nachher noch bis zur imposanten Festung, von der ich schon gehört habe.“
Frau Breuer war heute allein. Ihr Mann, ein Beamter in der Bauabteilung der Stadtverwaltung, war schon um 6 Uhr zur Jagd ausgeritten. Ihr einziger Sohn war bei der Schutztruppe und kam nur selten nach Hause.
Besorgt wie um ihren eigenen Sohn meinte sie, ich solle auf jeden Fall einen Hut aufsetzen, damit ich in der intensiven Sonne keinen Sonnenstich bekomme. Das hätte ich auch ohne Frau Breuers guten Rat getan. Tagsüber war es hier unter der ständig scheinenden südlichen Sonne trotz der Höhe von 1 600 bis 1 700 Metern sehr heiß und nachts wegen der Höhe wiederum empfindlich kühl. Allerdings war die Hitze wegen der geringen Luftfeuchte gut zu ertragen. Insofern stimmte die damalige Aussage meines Reiseberaters in Braunschweig, das Klima wäre gut verträglich.
Bevor ich mich jedoch auf den Weg machte, schrieb ich noch schnell zwei gleichlautende Postkarten, eine an meine Mutter und eine, ich hatte es ja versprochen, an meinen Freund Kurt. Ich musste ihnen doch mitteilen, dass ich nach einer abenteuerlichen Fahrt wohlbehalten in Windhuk angekommen war. Die Karten konnte ich gleich bei meiner Stadtvisite am Postamt in den Briefkasten werfen.
Kurz nach 9 Uhr verließ ich das Haus und ging zunächst zur Kaiserstraße, der Hauptstraße von Windhuk. Diese, wie auch die anderen Straßen, war für europäische Verhältnisse enorm breit und dadurch sonnendurchflutet, dafür aber, bis auf die Fußwege an den Seiten, sandig und nicht befestigt. Nach wenigen Metern waren meine frisch geputzten Schuhe über und über mit Staub bedeckt.
Hier auf der Kaiserstraße herrschte um diese Zeit schon reges Treiben. Offensichtlich strebten die meisten Frühaufsteher der Kirche zu. Die im Stil einer Basilika erbaute Christuskirche war noch nicht ganz fertig, aber Gottesdienste wurden schon abgehalten. Doch mir stand der Sinn nicht nach Gottesdienst. Nein, dafür hatte ich heute keine Zeit. Ich wollte heute die Stadt erkunden. Gott hatte damals auch keine Zeit für uns gehabt, als unser Nachbar meinen Vater erschossen hatte. Jedenfalls hatte er das seinerzeit nicht verhindert und das hatte und konnte ich nicht vergessen.
Windhuk, in einem welligen Hügelland gelegen und in Sichtweite das Auasgebirge, war eine aufstrebende, eine schöne Stadt. Selbstverständlich im vertrauten deutschen Baustil, richtig heimelig. Ihren Namen verdankte sie einem ständig spürbaren, kräftigen Wind, der im September bis November zum Wirbelsturm werden konnte. Die Stadt gefiel mir, wenn sich auch fast überall eine Baustelle an die andere reihte. Die meisten Häuser waren oder wurden zurzeit mit aufwendigen Fassaden ausgestattet und hatten alle einen villenartigen Charakter. Sehr beliebt waren turmartige, seitliche Anbauten. Ebenso wie die Straßen ungewöhnlich breit waren, hatten auch die Grundstücke entsprechende Ausmaße und waren teilweise noch größer als in Swakopmund. So hatte man genügend Abstand zum Nachbarn. Überall gab es zudem noch genügend Bauplätze. Zum Leidwesen der Bauherren war der Untergrund größtenteils felsig, so dass der Bau eines Kellers problematisch war.
Auch die öffentlichen Gebäude waren interessant gestaltet. Das Postamt, an dem ich gerade vorbei kam, war ein für meinen Geschmack sehr eigenwilliger Bau. Links, rechts und vorn an den Seiten Säulengänge, was wegen der Sonne ganz praktisch war, sowie links, rechts und in der Mitte Treppenaufgänge. Das Besondere und auch wichtig, war jedoch der Fahnenmast auf dem Turm in der Mitte. Eine aufgezogene blaue Fahne gab bekannt, Post aus der Heimat ist angekommen. Eine rote Fahne dagegen signalisierte den Annahmeschluss für Post in die Heimat. Einmal im Monat beförderten dann die Schiffe der Woermann-Linie die Post zwischen Swakopmund und Hamburg.
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Allgemeine Zeitung
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