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Blauer Diamant

32. Folge
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
Stefan Noechel
Und dann begann mit dem Kirchgang am Heiligen Abend das eigentliche Weihnachten. Ich war selbstverständlich von Breuers eingeladen worden, das Fest mit ihnen zu verbringen. Breuers waren jetzt zu dritt, ihr Sohn Philipp hatte über Weihnachten frei bekommen. Damit waren wir an den Weihnachtstagen zu viert im Hause. Es war das eigenartigste Weihnachten, das ich bisher erlebt hatte. Mittags, nach dem Weihnachtsgottesdienst, bei sengender Hitze, gab es ein opulentes Mal, dessen Hauptgang eine gefüllte Gans bestritt. Und der Weihnachtsbaum war hier ein mit Lametta und silbernen Kugeln geschmückter Dornbusch, an dem weiße Kerzen brannten. Später, zum Kaffee, gab es Käse- und Apfelkuchen und eine Buttercremetorte. Man durfte nur keinen Blick aus dem Fenster werfen! Draußen kein Schnee, kein Eis, statt dessen diese Hitze. Strahlende Sonne und 30 Grad im Schatten! Im Osten türmten sich über den Bergen allerdings gigantische Wolken hoch in den blauen Himmel. Das sah nach einem heftigen Regenguss aus. Doch selbst eine Verlegung des Weihnachtsfestes in den afrikanischen Winter hätte nichts gebracht. Auch da gab es weder Eis noch

Schnee. Wenn man allerdings vom Wetter und dem Weihnachtsbusch absah, war die Stimmung an diesem Tag wie bei uns zu Hause in Deutschland. Vor einem halben Jahr hatte ich noch von einem Weihnachten unter tropischer Sonne geträumt und jetzt übermannte mich die Sehnsucht nach einem

richtigen Winter mit Eis und Schnee. Plötzlich verspürte ich ein starkes Verlangen, mich bei eisiger Kälte durch einen richtigen Schneesturm kämpfen zu müssen. Mir fehlten die Myriaden von Schneeflocken, die abends glitzernd im gelben Lichtkegel der Straßenlaterne tanzten, bis sie sich endlich zu den anderen auf dem Boden gesellten. Manche schafften es nicht bis zur Erde, weil

sie sich in meinem Gesicht auf Augenbrauen und Nase niederließen oder sich im Mantel verfingen, wenn ich nach vorn gebeugt, eilig dem warmen Zuhause zustrebte. Der Mensch ist doch ein seltsames Geschöpf, nie zufrieden. Hat er das erreicht, was er erstrebte, trauert er dem Vergangenen nach. Selbst dem deutschen Winter.

Am Montag, dem 27. Dezember, erhielt ich im Geschäft eine Aufstellung der Farmen in der Umgebung und eine Liste mit den Produkten, die ich einkaufen sollte. Für jedes Produkt war der maximal zu gewährende Einkaufspreis festgelegt. Allerdings sollte ich selbstverständlich versuchen, möglichst weniger Geld auszugeben. Ebenso war vermerkt, was wir bereits von den verschiedenen Farmen bezogen hatten. Zu meiner weiteren Ausstattung gehörte die Liste unseres kompletten Warenangebotes und was nicht in der Liste enthalten war, konnte auf Festbestellung besorgt werden. Mit Beginn der nächsten Woche würde auch für mich die neue Reisetätigkeit beginnen. In der Woche war ich jeden Tag bei meinem Apoll gewesen und habe mich mit ihm unterhalten, damit er sich an mich gewöhnen konnte. Anschließend habe ich mit ihm die nähere Umgebung der Stadt erkundet. Für einen jungen Hengst war er erstaunlich ausgeglichen, fast lammfromm. Jedenfalls mir gegenüber. Mir war das ganz recht. Am Sonntag vor meiner neuen Tätigkeit war ich am frühen Vormittag wieder mit Apoll unterwegs und wollte bis Mittag die etwas weiter entfernte hügelige Umgebung Windhuks im Norden erkunden. Etwas außerhalb der Stadt sah ich plötzlich am Hang vor mir eine Ansammlung eigenartiger, kugelförmiger Bauten von geschätzten drei bis zu fünf Metern Durchmesser. Es sah aus, als würden die Kugeln zu einem Drittel in der Erde versunken sein. Ich hatte bereits davon gehört, dass die Eingeborenen hier, getrennt nach Stammeszugehörigkeit, in einem eigenen Dorf, einem Kral, wohnten. In diesem „Dorf“ mit fast 50 Wohnkugeln lebten die Hereros. Ihre Unterkünfte, die Pontoks, waren nach alter Tradition etwas anders als unsere Häuser gebaut. Neugierig ritt ich darauf zu, blieb aber außerhalb des Krals. Reges Treiben herrschte zwischen den Pontoks. Die Eingeborenen hatten sich, weil es Sonntag war, fein herausgeputzt und es war für mich interessant zu sehen, wie eigenwillig ihr modischer Geschmack teilweise war. Offensichtlich waren sie in der Kirche gewesen, denn einige Frauen hatten noch ein Gesangbuch in der Hand. Alle unterhielten sich, soweit ich das erkennen konnte, offenbar fröhlich miteinander, dabei heftig gestikulierend. Die Frauen hatten Blusen und lange Röcke oder Kleider in weiß, grau, schwarz oder geblümt an und hatten dazu große Schürzen umgebunden. Auf dem Kopf trugen sie kunstvoll drapierte Tücher oder weiße Hüte. Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, da lief doch tatsächlich ein etwa zehnjähriger schwarzer

Junge in einem weißen Matrosenanzug herum. So einer mit diesem großen, viereckigen Kragen mit blauen Streifen, wie ihn auch die Kinder in der Heimat trugen, wenn sie sonntags mit den Eltern spazieren gingen. Ich hatte noch auf der Windhuk geglaubt, alle Eingeborenen würden hier in Afrika nur mit einem Lendenschurz bekleidet herumlaufen. Die Männer hatten fast alle Hüte verschiedenster Art auf. Da gab es die normalen schwarzen Hüte, weiße Hüte, Safarihüte, Strohhüte mit bunten Bändern und alle Männer waren zudem recht unterschiedlich angezogen. Das reichte vom einfachen weißen Buschhemd und schwarzer Hose über einen kompletten Anzug bis hin zur Uniform. Die Pontoks selber bestanden aus einer Dreiviertel-Hohlkugel und sahen aus, wie die übergroßen Lehmkugeln eines töpfernden Riesen. Ein kunstvolles Geflecht aus Ästen, Zweigen und Stroh als Grundgerüst wurde sorgfältig mit Lehm verschmiert. Wenn Lehm knapp war, wurde er auch schon mal mit Kuhdung gestreckt, oder es wurde mit reinem Kuhdung gearbeitet. Kuhdung gab es durch die vielen Ochsengespanne überreichlich. Getrocknet wurde er auch als Heizmaterial verwendet. Manche Pontoks hatten im oberen Teil einen etwa 50 Zentimeter breiten Kranz aus Stroh, der dem Pontok das Aussehen eines überdimensionalen Kahlkopfes mit Tonsur verlieh. In etwa zwei Metern Höhe hatten alle Pontoks kleine Löcher von etwa 20 Zentimetern Durchmesser, die offensichtlich der Luftzirkulation und der Beleuchtung des Innern dienten. Vor den Türöffnungen hingen bunte Vorhänge. Einige Pontoks hatten vor dem Eingang sogar noch einen kleinen Vorbau.

Etwas weiter abseits fielen mir mehrere völlig andersartige Pontoks ins Auge. Sie sahen aus wie eine Halbkugel, waren im Durchmesser größer als die Hereropontoks und völlig mit Stroh- oder Sisalmatten abgedeckt. Hinter den Pontoks wurden gerade Ochsen vor einen geländegängigen Wagen gespannt. Vor den Pontoks saßen einige Frauen auf Stühlen, während die Männer in einer Gruppe zusammen standen. Sie sahen, obwohl sie eine dunkle Hautfarbe hatten, von den Gesichtszügen europäischer aus als die anderen Schwarzen. Das auffälligste an den Männern war, dass sie lange Bärte trugen. Ein hochaufgewachsener älterer Mann, wahrscheinlich das Oberhaupt der Familie, hatte gar einen langen, weißen Vollbart. Dazu waren sie total europäisch gekleidet. Einer der jüngeren bärtigen Männer trug sogar ein weißes Kavalierstaschentuch in seinem dunklen Anzugjackett und dazu eine weiße Hose. Das mussten die so genannten Baster sein, bei denen anscheinend etwas weißes Blut in den Adern floss. Ich hatte davon gehört.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-04

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