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Der Niedergang deutscher Wissenschaft

Mit dem Berufsverbot jüdischer Akademiker, Forscher und Angestellter nach 1933 begann der Niedergang der deutschen Wissenschaft. „Wenn die Entlassung jüdischer Wissenschaftler die Vernichtung deutscher Wissenschaft bedeutet, dann werden wir etliche Jahre ohne Wissenschaft auskommen." Zitat von Hitler aus dem vorliegenden Buch.
Rauswurf

„Mit diesen Worten“, so schlussfolgern die Autoren Jean Medawar und David Pyke, „hat Adolf Hitler das Tor nach fünfzig Jahren deutscher Überlegenheit in den Wissenschaften geschlossen.“

Dieses aufschlussreiche Werk zweier englischer Zeitgenossen über Hitlers rassistische Razzia gegen die deutsch-jüdische Intelligenz während der zwölf Jahre des Dritten Reiches ist zwar schon 2001 erschienen. Das repräsentativ aufgearbeitete Thema, das durch die Holocaust-Aufarbeitung an den Rand gedrängt war, trägt jedoch anschaulich zum breiteren Verständnis des abgrundtiefen, seltszerstörerischen Verfalls der Werte bei, der die NS-Diktatur gekennzeichnet hat. Das Buch hat neuerdings im Januar 2024 bei der jährlichen „Summer School“ der Universität von Kapstadt ausgelegen.

Bereits drei Monate nach der Machtergreifung 1933 hat Hitler im Wahn des fanatischen Rassismus das sofortige Berufsverbot gegen alle deutsch-jüdischen Wissenschaftler, Forscher sowie Angestellte aller öffentlichen Arbeitsbereiche verhängt. Über 2 500 international anerkannt führende Physiker, Mediziner, Biologen und andere Akademiker, viele von ihnen Nobelpreisträger haben – oft ungläubig und fassungslos – dennoch beizeiten die Zeichen extremer Repression erkannt und Deutschland - sowie Österreich nach dem Anschluss - verlassen. Unter ihnen befanden sich betont deutsch-national gesinnte Juden, Träger des Eisernen Kreuzes aus dem 1. Weltkrieg. In vielen Fällen haben der bereits etablierte gute Ruf der Wissenschaftler sowie bestehende Verbindungen infolge früherer internationaler Fachtagungen und durch den wissenschaftlichen Austausch mit ausländischen Fachkollegen die Aufnahme an britischen und teils an US-amerikanischen Universitäten und Institutionen erleichtert. Der Fluchtweg führte auch über die Schweiz.

Soweit die Statistik, die durch verständnisvolle Schilderung repräsentativer Einzelschicksale der Emigranten und und die innere Not der vererbliebener deutscher Berufskollegen aufgehellt wird.

Emigrantenschicksale

Die Autoren – selbst Wissenschaftler – haben über 20 der Emigranten nach dem 2. Weltkrieg noch interviewt und sind dem Schicksal weiterer nachgegangen. Die Autoren gaben zu Protokoll: „Weit davon entfernt, den Geist deutscher Wissenschaft zu zerstören, haben die Nazis ihn über die ganze Welt verteilt. Nur Deutschland war der Verlierer.“ Neben Albert Einstein haben die Autoren den schwierigen Einstieg und weiteren Lebensweg der Emigranten verfolgt, wobei sie individuelle Persönlichkeitsmerkmale und Schrullen durchaus beachten, die bei hoch talentierten Menschen scheinbar häufiger vorkommen.

Britische Wissenschaftler an renommierten Universitäten haben schnell auf die Notlage ihrer deutsch-jüdischen Kollegen reagiert und den „Academic Assistance Council“ gegründet, der sich aus diversen Spenden finanziert hat. Die Universitäten und Wissenchaftslabore von Oxford und Cambridge waren führend in der Aufnahme. In den USA war es der „Rockefeller Trust for Acedemicians and Refugees“, der Unterhaltshilfe geleistet hat. Der Trust hat auch vor 1933 verdiente deutsche Wissenschaftler in der Forschungsarbeit unterstützt. Etliche Wissenschaftler, vor allem Physiker, wurden in Britannien und den USA in die Rüstungstechnik, z.B. Entwicklung der Atombombe, eingespannt. In England haben die Betreuer der Exilanten sich nach Ausbruch des 2. Weltkriegs erfolgreich bemüht, Wissenschaftler aus der pauschalen Internierung wieder freizuhandeln.

Emigrant wird „enemy alien“

Derweil die wissenschatlichen Emigranten nach 1933 zunächst als „Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland“ Asyl erlangten, änderte und verschlechterte sich ihr Status bei Ausbruch des 2. Weltkriegs schlagartig zu „enemy aliens“. Sie wurden in England wie in Commonwealth-Staaten und britischen Kolonien in Lagern interniert (wie deutsche Männer aus Südwestafrika). Die deutsch-jüdischen Wissenschaftler befanden sich dann unter den 27 000 als „feindliche Untertanen“ Groß Britanniens, darunter auch Österreicher nach dem Reichsanschluss. Rund 20 000 Emigranten auf der Isle of Man inteniert, der Insel zwischen England und Irland.

Zur Geschichte der Internierten in England gehört die Ausschiffung einiger Tausend nach Australien und Kanada verbunden mit Verlusten. Die Arandora Star verließ Liverpool am 2. Juli 1940 mit 1 600 Internierten und 200 Mann Besatzung. 200 Seemeilen westlich von Schottland hat ein U-Boot das Schiff versenkt. Ca 650 Mann konnten nicht gerettet werden. Die Überlebenden kamen zurück nach Liverpool. Und zum Entsetzen der Autoren dieses Buches hat die Internierten-Behörde die Geretteten acht Tage später auf die Dunera gesetzt und erneut in Richtung Australien geschickt. Wieder hat ein U-Boot angegriffen, aber die Torpedos gingen diesmal fehl.

Arbeit an der Kernwaffe

Dem Academic Assistance Council der Briten ist es gelungen, mehrere namhafte Wissenschaftlern entgegen den Willen der englischen Behörde aus der Internierung loszueisen. Einige waren direkt am theoretischen und experimentellen Anlauf – zuerst in England und dann in den USA - auf die Atombomben beteiligt, die die Amerikaner auf zivile Bevölkeruingsziele in Hiroshima und Nagasaki. abgeworfen haben. Die ergreifende Geschichte der Entstehung dieser Kernwaffe behandeln die Autoren Medawar und Pyke in einem getrennten Kapitel. Die Exilanten arbeiteten auch unter Druck der unvbestätigten Annahme, dass Physiker in Deutschland auch an der Atomwaffe arbeiteten.

Nach erfolgreicher Kernspaltung mit Kettenreaktion und der Gewissheit der Vernichtungskraft der Atombombe im Dezember 1942 haben sich drei Wissenschatler aus Pappbechern in Chicago zugeprostet. Die anderen waren bereits fort, während Szilard und Fermi zurückblieben. Des deutsch-ungarischen Szilards Schlussbemerkung ist überliefert: „Dieser Tag wird als der schwärzeste Tag in der Geschichte der Menschheit eingehen.“ Der zuständige Kommandeur Leslie Groves wolltel Szilard als Spion verdächtigen.

Zweifel daheim gebliebener Wissenschaftler

Die Autoren behandeln auch die Rolle prominenter Physiker, die nicht von der rassistischen Diskriminierung betroffen waren, aber unter dem Druck der anti-intellektuellen Doktrin Hitlers die Option der Emigration erwägten. Auch einzelne jüdische Wissenschaftler blieben im Land. Sie wollten die Repression in der Annahme aussitzen, dass die Reichsregierung sich wieder zu einer vernünftigen Wissenschafts- und Personalpolitik zurückfinden würde.

Max Planck, der Leiter des Kaiser Wilhem Forschungsinstituts, das heu unter seinem Namen bekannt wurde, riet dem Nobelpreisträger Werner Heisenberg von der Ausreise ab. In einem Brief an Heisenberg argumentierte er, dass all diejenigen, die nicht gezwungen seien das Land zu verlassen, sollten „bleiben, um den Grundstein für ein besseres Leben zu legen, wenn der derzeitige Albtraum vorüber ist“.

Gleichzeitig schildert Planck seinem Kollegen Heisenberg ausführlich, wie er Hitler aufgesucht hat, um ihm beizubringen, welch Schaden das über jüdische Wissenschaftler verhängte Berufsverbot für die deutschen Universitäten nach sich zog: „Ich bin darin gescheitert, mein Verständnis zu vermitteln – oder schlimmer, es gibt schlicht keine Worte, einen solchen Mann anzusprechen. Er hat jeglichen Kontakt mit der Realität verloren ...“

Ironischer Humor

Emigranten, die vom Vizepräsidenten des Academic Assistance Council, Prof. A.V. Hill, empfangen und eingewiesen wurden, erfuhren gleichzeitig eine Prise britisch-ironischen, gar sardonischen Humor. Man kennt das Aufziehmännchen in Schuhblattlertracht, das sich auf dem Schreibtisch im Kreis dreht und mit beiden Händen den Maßkrug an den Mund führt. Hill hatte eine aufziehbare Hitlerfigur, die sich ebenso drehte und den Arm zum Sieg-Heil-Gruß hob, um Neuankömmlinge aus Deutschland in England zu begrüßen, „heimisch fühlen zu lassen und Hitler zu danken, dass er die Wissenschaftler ausgewiesen hatte“.

Am Ende des Buches stellen Autoren die häufige Frage in den Raum, wie es sein konnte, dass das deutsche Volk Hitler derart überwältigende Zustimmung verleihen konnte und wie wenig Unterstützung die jüdische Intelligenz jener Jahre erfahren hat.

Jean Medawar und David Pyke haben mit packendem Detail und gründlich-sachlicher Recherche ein Stück Zeitgeschichte geschildert. Der Leser erhält einen aufschlussreichen Einblick in den Kontrast zwischen katastrophalen und humanen Umgang mit Forschung und Wissenschaft der Kriegsfeinde.

Eberhard Hofmann

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-09-20

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