Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
Im Jahre 1929 in Windhoek geboren, lernt Peter Stark, wie so viele „Südwester", schon als Kind den Umgang mit einer Jagdwaffe und von einem Farmarbeiter das Verhalten des Wildes. Sein Leben zur freien Natur, dem Reitsport und vor allem der Jagd, verführten ihn zu Abenteuern, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten. Seine Einstellung zur Jagd ändert sich drastisch, als er vom Ministerium für Naturschutz angestellt wird und er nun die Wilddiebe aufspüren muss, um das Wild im Etoscha-Nationalpark als Wildhüter zu beschützen.
33. Folge
Die Vergenoeg Giraffe
Neben Onguma lag die Farm Vergenoeg. Mit dem damaligen Besitzer dieser Farm stand Herr Böhme auf Kriegsfuß. Der Besitzer von Vergenoeg schoss damals alle Zebras auf seiner Farm ab, um sie zu Seife zu verarbeiten. Dabei wurde vom Auto aus mit automatischen Waffen auf die fliehenden Zebras geschossen. Was fiel, wurde zu Seife und Fleischmehl verarbeitet. Viele angeschweißte Tiere verendeten auf Onguma; Raubausbeutung im schlimmsten Grade. Wir wollten das nicht dulden, niemand durfte die Grenze des anderen missachten. Ich berichtete schon, dass ich in den Vollmondnächten meine Hunde nahm, Pfeil und Bogen, Wurfspeer und zur Sicherheit auch meine .303, falls wir Raubwild begegnen sollten. Willie hatte mir viel von Vergenoeg erzählt, unter anderem von einem Buschdickicht, welches die Buschleute !khaeseb xa nâderes (Von der Mamba gebissen) nannten. In jenem Dickicht sollte es viele Leoparden geben. Ich wollte immer so gerne mit Pfeil und Bogen einen Leoparden erlegen. Also beschloss ich, mit Willie und noch einigen Buschleuten bei Mondschein in dem Dickicht nach Leoparden zu suchen. So um zehn Uhr nachts zogen wir bei Onguma los auf dem Weg nach Vergenoeg. Es war eine herrliche Mondnacht, der Himmel sternenklar, so dass die Nacht beinahe zum Tage wurde. Wir waren schon lange über die Vergenoeggrenze und nicht mehr weit von dem besagten Buschgürtel, als die Hunde plötzlich Hetzlaut und dann Standlaut gaben. Wir blieben stehen und lauschten. Dann hörten wir unmissverständlich wiederholt die Doppelaufschläge von Giraffenhufen. Die Bullterrier hatten ein Rudel Giraffen zusammengetrieben und hielten die Giraffen zusammen. Diese Giraffen wehrten durch Ausschlagen mit den Vorderbeinen die Hunde ab. Ausgerechnet Giraffen, das passte überhaupt nicht in unser Jagdvorhaben. Ich kannte meine Bullterrier. Sie würden nicht ablassen. Außerdem passte dieses Hundespektakel mir gar nicht. Wer wusste, vielleicht waren die Besitzer von Vergenoeg irgendwo in dieser Vollmondnacht auch auf Ansitz. Die Hunde mussten stillgemacht werden, aber wie. Da Bullterrier von Haus aus nicht parieren, musste man mit ihnen auf die harte Manier verkehren. Ich übernahm meine .303, lud durch und machte mich auf allen Vieren auf den Weg zu den Hunden. Ich wollte jeden Hund ergreifen, ein paar Schläge verabreichen, um ihn somit zu überreden von den Giraffen abzulassen. Also kroch ich auf allen Vieren unter den Dornbüschen durch in Richtung Hunde und Giraffen. Ich war ganz kurz vor den Hunden, als plötzlich eine Giraffe aus dem Rudel ausbrach und durch die Hundemeute direkt auf mich zu stürmte. Es fehlten noch knapp zwei Sprünge bevor die Giraffe mich erreicht hätte, als ich im allerletzten Moment das Gewehr hochriss und mit dem Lauf in Richtung Giraffe abdrückte. Der Knall des Gewehres und das blendende Mündungsfeuer ließen mich im Ungewissen. Plötzliche Totenstille. Als ich wieder sehen konnte, sah ich direkt vor mir Hundeschwänze.
Die Bullterrier zausten an irgendetwas auf der Erde. Dann sah ich den Giraffenkopf direkt neben mir auf der Erde liegen. Da kam mir zu Bewusstsein, dass die Hunde am Hals der Giraffe zausten, die tot neben mir lag. Ich schlotterte am ganzen Körper und kroch aus dem Dornbusch heraus, um aufrecht stehen zu können. Wieder einmal war ein Wunder geschehen. Das allerletzte, was ich gewollt hätte, war, eine Giraffe auf Vergenoeg zu erlegen. Ich hatte im allerletzten Moment aus reiner Notwehr gehandelt. Ich kann bis heute nicht verstehen, warum die Giraffe mich so plötzlich angegriffen hatte. Da ich auf allen Vieren im Dornbusch herumkroch, muss die Giraffe mich auch als Hund angesehen und angegriffen haben, wie die Giraffen das mit den anderen Hunden getan hatten. Etwas anderes konnte ich mir nicht erklären. Tatsache war, dass eine tote Giraffe neben mir auf Farm Vergenoeg lag. Giraffen waren strengstens geschützt. Ich weiß nicht, wieviel Jahre Gefängnisstrafe ich bekommen hätte, wenn das herausgekommen wäre. Die Giraffe musste mit Haut und Haar verschwinden. Derjenige der weiß, was es heißt, eine Giraffe wegzutragen, würde auch sagen: Unmöglich.
Ich besprach die Situation mit meinen Buschleuten. Dann schickte ich Willie, der ja das meiste Ansehen unter seinen Mitbürgern genoss, nach Onguma auf die Buschmannwerft um alles, Frauen, Greise, Kinder, alles was tragen konnte, hierher zu bringen, um die Giraffenteile nach Onguma zu schaffen. Mit den anderen Buschleuten wollte ich inzwischen die Giraffe unabgehäutet zerteilen, sodass keine Zeit verloren ging. Gesagt, getan. Wieder einmal lieferte, wie schon so oft, mein Halbschwert unschätzbare Dienste. In kürzester Zeit hatten wir die Giraffe in tragbare Teile zerlegt. Als Willie mit seiner Buschmannsippe bei uns ankam, wurden je nach Alter und Vermögen die Traglasten eingeteilt. Jeder sollte ein Teil des Fleisches tragen; das wirkt bei Buschleuten. Beladen wie die Wanderameisen begann der Rückzug nach Onguma. Außer dem Mageninhalt und geronnenem Blut blieb nichts übrig. Wir stopften das Übriggebliebene in die umliegenden Erdschweinlöcher und verkleideten den großen Blutfleck, wo die Giraffe gelegen hatte, mit Gras und Erde. Dann verwischten wir alle Spuren so gut wie möglich und traten den Nachhauseweg an. Kurz vor Morgengrauen waren wir wieder auf Onguma.
Die Woche darauf lebte ich in ängstlicher Erwartung, aber nichts geschah. Weder Naturschutz noch Polizei machten ihre Aufwartung. Die Giraffengeschichte blieb ein wohlgehütetes Geheimnis.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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