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Der weiße Buschmann

Vom Wilderer zum Wildhüter
Im Jahre 1929 in Windhoek geboren, lernt Peter Stark, wie so viele „Südwester", schon als Kind den Umgang mit einer Jagdwaffe und von einem Farmarbeiter das Verhalten des Wildes. Sein Leben zur freien Natur, dem Reitsport und vor allem der Jagd, verführten ihn zu Abenteuern, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten. Seine Einstellung zur Jagd ändert sich drastisch, als er von der Abteilung Naturschutz der ehemaligen SWA-Administration angestellt wird und er nun die Wilddiebe aufspüren muss, um das Wild im Etoscha-Nationalpark als Wildhüter zu beschützen.
44. Folge

Elefanten

Ungefähr fünf Meilen nordwestlich von Harib, lag die Quelle //oantsas. Mit dem richtigen Schnalzlaut ausgesprochen heißt //oantsas: Elefantenquelle. Um diese und die beiden anderen Quellen auf Onguma waren in den Kalk große, tiefe Löcher gegraben, die die Urbevölkerung als Fallgruben für Elefanten gebraucht haben soll. Nach den Überlieferungen der alten Buschleute, sollen es Ovambo-jäger gewesen sein, aber niemand hatte es selbst gesehen. Also, Elefanten muss es schon immer auf Onguma gegeben haben. Schon Jahrzehnte lang waren keine Elefanten mehr auf Onguma gesichtet worden. Nicht weit von meinem Zimmer entfernt lag ein Luzernegarten. Abends musste Hanjama, der ältere Bruder von Stefanus, immer einen Arm voll grüner Luzerne schneiden, für die Lieblinge von Herrn Böhme, die zahmen Elands und Zebras. Dabei musste Banner, mit dem ich ja die meisten dieser Tiere gefangen hatte, mit hungrigen Augen zusehen; er bekam nichts.

Während das Ehepaar Böhme für einige Tage weggefahren war, nahm ich die Gelegenheit wahr und sperrte Banner nachts in den Luzernegarten. Eines Nachts tobte Banner, wie verrückt schnaubend, in dem Luzernefeld umher. Ich dachte, es wären Löwen, ergriff meine .303 und ging mit einer Taschenlampe zu Banner in den Garten, um die Löwen wegzujagen. Es war stockdunkel, das Licht der Taschenlampe genügte nicht, ich konnte nichts Verdächtiges sehen.

Nachdem ich im Garten ein paar Mal auf und ab gelaufen war, beruhigte Banner sich wieder und ich ging zurück in mein Zimmer und legte mich schlafen.

„Die waren noch nie hier“

Früh am nächsten Morgen saß ich auf der Veranda am Frühstückstisch und trank meinen Kaffee. Hanjama war schon im Luzernefeld und ging kopfschüttelnd, Spuren suchend, herum. Ich fragte ihn, was er denn sähe. Er antwortete mit einem Buschmannwort, das ich damals noch nicht kannte. Willie, der auch nicht weit von mir stand, übersetzte mir das Wort: „Elefanten“. „Elefanten?“ fragte ich erstaunt. „Die waren noch nie hier“ erwiderte ich. Ich stand sofort vom Kaffeetisch auf, Willie und ich gingen zu Hanjama, der zeigte uns die frischen Trittsiegel der Elefanten. Ich hatte nachts zuvor den Wald vor Bäumen nicht gesehen. Ich fragte Hanjama, der Elefanten vom Ovamboland her kannte, ob wir die Elefanten einholen könnten, wenn wir die Spuren verfolgten, was Hanjama bejahte. Willie und ich gingen sogleich los. Hanjama rief hinter uns her, um bloß nicht die Hunde mitzunehmen, die Elefanten würden sehr böse werden. Ich schlug seine Warnung in den Wind und ging mit Willie und den Hunden weiter. Die Elefanten, es waren drei Bullen, waren nach Westen in Richtung der Zwei Palmenquelle gegangen. Bevor man jedoch die Zwei Palmen erreichte, musste man durch den Omuramba Ovambo, der an seiner Mündung in die Etoshapfanne ein paar tiefe Wasserstellen hatte, die lange Wasser hielten. Die Gegend liegt am Rande der Pfanne und ist fast baumlos. Nachdem wir durch den Buschgürtel gegangen waren, sahen wir die drei Elefantenbullen im Wasser stehen. Der Wind wehte von Osten nach Westen, also sehr ungünstig für uns. Da sah ich wie alle Hunde in Richtung der Elefanten rasten, ahnte natürlich nichts Gutes. Ich hatte kurz zuvor das Buch „Pari Tupu“ gelesen, da war ein Kapitel, in welchem der Elefantenjäger schrieb, dass er den Sohn eines Freundes aufsuchte und nach seinem Freund fragte. Dieser soll den Jäger in einen Außenraum geführt haben und auf zwei blutige Schuhe mit Knochensplittern hingewiesen haben, mit den Worten: „Das ist alles, was von meinem Vater noch übrig ist. Die Elefanten haben gestern Abend meinen Vater getötet und zu Brei zertreten!“ Sofort dachte ich an die zwei blutigen Schuhe mit den Knochensplittern und dachte nur: „Nicht mit mir!“ Die Bullterrier hatten sich sofort an den Rüssel und die Ohren der Elefanten gehängt. Erst waren die Elefanten verdutzt und wussten wohl nicht recht, was ihnen geschah. Dann ergriffen sie die Initiative. Laut trompetend pflückten sie die Bullterrier wie Buschläuse von ihren Säulen und Ohren, ich sah nur weiße Bündel durch die Luft fliegen. Bei all diesem Durcheinander trompeteten die Elefanten unaufhörlich, auch nicht eben beruhigend fürs Gemüt. Ich sagte zu Willie nur: „Komm Willie, wir müssen zurück zum Haus, das ist die einzige Rettung!“

Wir drehten um und nahmen die Beine unter die Arme, Richtung Heimat. Knapp bevor wir den Buschgürtel erreichten, drehten wir uns noch einmal um und schauten kurz zurück. Was ich befürchtete, hatte sich verwirklicht. Die gesamte Hundemeute war auf dem Wege zurück zu Herrchen. Hinter der Hundemeute kamen die drei erbosten, wild trompetenden Bullen. Das Schlimmste war, dass wir Ostwind hatten und der Wind von uns genau zu den Elefanten hin wehte. Ein lähmendes Gefühl durchfuhr meine Beine und im Geiste sah ich wieder die blutigen Schuhe. Der Buschgürtel war gute sechs Kilometer breit, eh man zum Onguma Haus kam. Wir liefen, was die Beine tragen konnten, im Rücken das wütende Trompeten der Elefanten. Ungefähr in der Mitte des Buschgürtels schaute ich mich wieder einmal zum soundsovielten Male um. Knapp dreißig Meter hinter uns kam ein großer Elefantenbulle durch den Busch. Die einzige Rettung war aus dem Wind zu kommen. Mit Handzeichen zeigte ich Willie, wie ich vorhatte zu laufen, er nickte nur. Dann änderten wir unsere Taktik, im Halbkreis liefen wir zurück hinter den Elefanten herum und von da aus erst nordwärts, dann wieder im großen Bogen zum Haus hin. Das war kein leichter Entschluss, aber die einzige Möglichkeit, um aus dem Wind herauszukommen und uns zu retten. Wir mussten alles aufs Spiel setzen. Die Beine trugen uns kaum noch, die Lungen fühlten sich an, als ob sie zur Weißglut erhitzt seien. Gott sei Dank haben Elefanten von Natur aus eine sehr schwache Sicht. Während wir hinter dem Elefanten vorbeiliefen, sah ich nur, dass der Elefant unschlüssig hin- und herlief. Er hatte den Geruch verloren. Das Manöver gelang uns, wir konnten die Elefanten abschütteln. Auf Umwegen erreichten wir total erschöpft das Onguma-Haus und fielen wie nasse Säcke auf die Treppe der Veranda. Während wir auf der Treppe lagen und versuchten wieder zu Atem zu gelangen, kam Stefanus an uns vorbeigelaufen. Ich befahl ihm, sofort Banner zu satteln. Ich wollte die Rechnung mit den Elefanten begleichen.

„Einen Elefant festgemacht“

Als ich mich einigermaßen erholt hatte, holte ich mein Schrotgewehr mit Vogeldunstpatronen, bestieg den inzwischen gesattelten Banner, pfiff meinen Hunden, die inzwischen auch eingetrudelt waren und auf ging’s, zurück in Richtung Elefanten. Auf der Pfanne sah ich sie in Richtung Namutoni laufen. Nach kurzer Zeit hatte ich sie eingeholt und stellte mich ihnen erneut. Im Wind stehend, rief ich ihnen zu, mich doch freundlichst zu begleiten. Sie waren noch immer erbost, außerdem griffen die Hunde sie abermals an. Im Nu ging der Hexentanz von vorn los, nur dieses Mal saß ich auf einem guten Pferd. Mit Leichtigkeit konnte ich auf dem baumlosen Gelände den Elefanten entkommen. Die beiden Jüngeren gaben das Spiel bald auf, der Ältere versuchte aber immer wieder, mich zu erreichen. Mit List und Tücke konnte ich sie wieder zu dem Buschrand von Onguma zurückbewegen. Zuletzt war nur noch der größte Elefantenbulle bei mir. Auch ihm war die Puste ausgegangen. Seine Angriffe wurden kürzer und flauer. Um ihn anzuspornen, schoss ich mit dem Schrotgewehr ein paar Mal über ihn hinweg. Anfangs hatte das die erwünschte Wirkung, aber als die Mittagshitze einsetzte, stellte er sich kurzerhand unter einen großen Musharabaum. Die Hunde lagen auch total ermattet unter den Bäumen ringsherum und hechelten nach Luft. Nur der kleine, unermüdliche Piekie-Pieks stand fortwährend vor seinem Rüssel, bellte und hetzte und versuchte, seine müden Krieger zum Mitmachen zu bewegen. Ich saß auf Banner nur ein paar Meter von dem Elefanten entfernt und fühlte mich sehr sicher. Ab und zu stand die Hundemeute wieder auf, griff den Elefanten erneut an, um sich kurz darauf wieder in einiger Entfernung irgendwo in den Schatten zu legen. Das ganze Spiel war langweilig geworden. Während einmal die Hunde wieder angriffen, hob der Elefant den Rüssel hoch über sich und brach einen großen Ast von dem Baum ab unter dem er stand. Mit dem Ast fegte er die Hunde von seinen Säulen weg und behielt den Ast am Rüsselende. Jedes Mal, wenn die Hunde erneut angriffen, dasselbe Spiel. Die Hunde blieben daraufhin in respektvoller Entfernung.

Während ich nun so mit Banner neben dem Elefanten stand, sah ich am Horizont auf dem Wege von Namutoni nach Onguma eine Staubwolke. Es entpuppte sich beim Näherkommen als Ellas Jeep. Der Weg führte nah an dem Elefanten vorbei. Schnell ritt ich zum Wege und hielt die Böhmes an: „Ich hab Euch einen Elefanten festgemacht; er steht da unter dem großen Baum. Fahrt hin und guckt ihn Euch mal gut an!“ rief ich ihnen als Begrüßung zu. Ella schluckte erst ein paar Mal und wollte es nicht glauben. Dann fuhren sie hinter mir her, ich brachte sie auf sichere Distanz an den Elefanten heran, so dass Rudolf ihn auch gut sehen konnte. Danach fuhren sie nach Hause und abends hatte ich viel zu erzählen, wie alles gekommen war. Damals ahnte ich noch nicht, dass dieser Vorfall die Geburt meines Elefantentreibens später als Naturschutzbeamter sein sollte. Es waren nach vielen Jahren Abwesenheit die ersten Elefanten, die sich wieder auf Onguma einstellten.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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