Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
Im Jahre 1929 in Windhoek geboren, lernt Peter Stark, wie so viele „Südwester", schon als Kind den Umgang mit einer Jagdwaffe und von einem Farmarbeiter das Verhalten des Wildes. Seine Liebe zur freien Natur, dem Reitsport und vor allem der Jagd, verführten ihn zu Abenteuern, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten. Seine Einstellung zur Jagd ändert sich drastisch, als er von der Abteilung Naturschutz der ehemaligen SWA-Administration angestellt wird und er nun die Wilddiebe aufspüren muss, um das Wild im Etoscha-Nationalpark als Wildhüter zu beschützen.
80. Folge
Gelungene Überlebenskurse
Früher war ich ein gewöhnlicher Truppler bei dem sogenannten „Skietkommando“ in Outjo. Zivilisten wurden zu gewissen Zeiten im Kommando zu Wehrmachtsübungen herangezogen. Es wurde dann hauptsächlich mit .303-Gewehren auf Scheibe geschossen. Eigentlich war ich wegen meines Beines dienstuntauglich. Man hatte mich in eine braune Uniform gesteckt und soweit ich konnte, musste ich alle Übungen mitmachen. Nur rennen und marschieren konnte ich nicht, aber immer noch lange Strecken laufen. Mein Name kam in den amtlichen Papieren der Wehrmacht nicht vor. Deshalb konnte ich nicht befördert werden. Mit der Zeit merkte man, dass ich die besten Buschkenntnisse hatte und sehr gut im Spurenlesen war. Brigadier Geldenhuys, der damalige Oberbefehlshaber in Südwest, wurde aufmerksam auf mich und teilte mich als Instrukteur den Spurenleserkommandos zu. Da ich aber amtlich nicht existierte, musste ein Plan gemacht werden. Auf sein Zutun bekam ich dann einen Streifen und wurde Unterkorporal Stark. Ich wurde nun als Spezialist für Überlebenskurse eingeteilt. Unter meinen Schülern waren vom Oberst der Armee abwärts bis zum Truppler, Studenten die meinen Befehlen im Busch folgen mussten. Auf dem Paradeplatz stand ich immer in der Reihe der Unfähigen „Sick, lame and lazy!“ (Krank, lahm und faul).
Meistens erkundete ich erst das Naturschutzgebiet, wo die Kurse abgehalten wurden. Ich sorgte in aller erster Linie dafür, dass das Gebiet an bestimmten Punkten mit Wasser versehen wurde, wenn kein Wasser im Busch vorhanden war. Etoscha kannte ich ja vom äußersten Osten bis zum äußersten Westen, von Norden nach Süden.
Brigadier Geldenhuys legte sehr viel Wert darauf, dass seine Soldaten im Busch überlebten und flott Spuren verfolgen konnten. Das war für mich das gefundene Fressen. Grund, dass solche Kenntnisse in dieser Armee gebraucht wurden, war der Kampf gegen Terroristen. Diese zeigten sich äußerst zäh und waren meist schon im Busch aufgewachsen und ausgebildet worden.
Um natürlichen Spuren folgen zu können, wählte ich Gebiete aus, in denen viel Wilddiebstahl vorkam. Ich konnte mit Hilfe der Soldaten die Wilddiebe fangen und meine Schüler erlernten eine Art Buschkrieg. Spurenlesen, erkennen, anpirschen, überraschen und fangen, so wie es in Wirklichkeit sein sollte. Ich verstand mich bestens mit den Kursusleitern, damals Major Jansen van Rensburg und Kapitän Hochapfel. Einer meiner besten Helfer war Korporal Gernot Raaiman aus Gobabis, Gernot war dort Farmer. Er war mit Buschleuten auf der Farm aufgewachsen und sprach zwei Buschmanndialekte, besser als seine Muttersprache Deutsch. Er war ein guter Spurenleser und kannte sich sehr gut im Busch aus. Wir wurden sofort Freunde und respektierten einander. Abends saßen wir zwei immer an unserem eigenen Feuerchen und wenn unerwünschte Gäste sich zu uns gesellten, redeten wir beide nur in der Buschmannsprache miteinander. Auch konnte er genau wie ich sehr gut barfuß laufen. Wir wurden die „zwei Buschleute vom Dienst“ genannt. Jeder hatte sein eigenes Spurenlesersyndikat und wir waren ehrliche Konkurrenten, dabei aber die besten Freunde. Während der Kurse herrschte immer die beste Kameradschaft unter allen von uns.
Während meiner letzten Jahre beim Naturschutz empfand ich diese Überlebenskurse bei der Armee für mich immer wie Ferien. Endlich konnte ich mal wieder aus dem verfluchten Büro in Windhoek raus und die Freiheit im Busch genießen. Am Ende eines jeden Kurses ging ich zu Major van Rensburg und bearbeitete ihn, dass er mich nicht bei dem nächsten Kursus vergesse. Die Armee hatte damals mehr Einfluss als der Naturschutz. Wenn ein Kursus zu Ende war, kam jedes Mal Brigadier Geldenhuys und wohnte dem Abschluss persönlich bei. Major van Rensburg musste ihm dann über den Verlauf des Kurses berichten. Während der Kurse ließ ich keine Notrationen zu. Was essbar war, ob Schlange oder Maus, ob Mangettinüsse aus dem Elefantenmist herausgeklaubt oder Wasserwurzeln, alles was in der Natur essbar war, wurde gesammelt, abends am Feuer geröstet und gegessen. Das rüchige Trockenfleisch, das wir den Wilddieben abnahmen, war zur Abwechslung eine „Festmahlzeit“. Zum Abschluss bekamen die Kursusteilnehmer frisch gebackenes Brot zu essen, welches ich selber im Erdloch buk.
Eines Abends, Brigadier Geldenhuys war auch anwesend, hatte ich wieder zum Abschluss ein herrliches Riesenbrot im Erdloch gebacken. All das Brot war schon aufgegessen, ich hatte nur ein kleines Stück für mich selbst behalten. Jemand wollte das Stück unter meinem Kopfkissen herausziehen und stibitzen, alle schliefen schon. Nur die beiden Diebe unterhielten sich flüsternd an meinem Kopfende. Sie stritten sich, wer das Stück Brot unter meinem Kopf herausziehen sollte. Ich schlief auf einer Decke zu ebener Erde und hatte das Brot in ein frisches Tuch gewickelt und unter meinen Kopf gesteckt.
Langsam zog man nun das eingewickelte Brot unter meinem Kopf heraus. Als es fast draußen war, sagte ich ganz ruhig: „Frag lieber, Brigadier, musst nicht klauen!“ Ein erschrecktes „Oh, die donder slaap nog nie!“ (Oh, der Kerl schläft noch nicht!) erklang und die beiden Offiziere verschwanden. Auch dieses letzte Stück Brot habe ich mit den beiden geteilt. Jedes Mal, wenn ich von der Armee angefordert wurde, war man beim Naturschutz unzufrieden. Als ich Herrn Rochér einmal wieder mitteilte, dass ich mich für den nächsten Kursus beim Kommando anmelden müsse, riss ihm die Geduld: „Warum gehst du nicht ganz zur Armee, du bist doch schon mehr dort als bei uns!“ Wie wenig ahnte er damals, wie nahe er der Wahrheit war.
Gelungene Überlebenskurse
Früher war ich ein gewöhnlicher Truppler bei dem sogenannten „Skietkommando“ in Outjo. Zivilisten wurden zu gewissen Zeiten im Kommando zu Wehrmachtsübungen herangezogen. Es wurde dann hauptsächlich mit .303-Gewehren auf Scheibe geschossen. Eigentlich war ich wegen meines Beines dienstuntauglich. Man hatte mich in eine braune Uniform gesteckt und soweit ich konnte, musste ich alle Übungen mitmachen. Nur rennen und marschieren konnte ich nicht, aber immer noch lange Strecken laufen. Mein Name kam in den amtlichen Papieren der Wehrmacht nicht vor. Deshalb konnte ich nicht befördert werden. Mit der Zeit merkte man, dass ich die besten Buschkenntnisse hatte und sehr gut im Spurenlesen war. Brigadier Geldenhuys, der damalige Oberbefehlshaber in Südwest, wurde aufmerksam auf mich und teilte mich als Instrukteur den Spurenleserkommandos zu. Da ich aber amtlich nicht existierte, musste ein Plan gemacht werden. Auf sein Zutun bekam ich dann einen Streifen und wurde Unterkorporal Stark. Ich wurde nun als Spezialist für Überlebenskurse eingeteilt. Unter meinen Schülern waren vom Oberst der Armee abwärts bis zum Truppler, Studenten die meinen Befehlen im Busch folgen mussten. Auf dem Paradeplatz stand ich immer in der Reihe der Unfähigen „Sick, lame and lazy!“ (Krank, lahm und faul).
Meistens erkundete ich erst das Naturschutzgebiet, wo die Kurse abgehalten wurden. Ich sorgte in aller erster Linie dafür, dass das Gebiet an bestimmten Punkten mit Wasser versehen wurde, wenn kein Wasser im Busch vorhanden war. Etoscha kannte ich ja vom äußersten Osten bis zum äußersten Westen, von Norden nach Süden.
Brigadier Geldenhuys legte sehr viel Wert darauf, dass seine Soldaten im Busch überlebten und flott Spuren verfolgen konnten. Das war für mich das gefundene Fressen. Grund, dass solche Kenntnisse in dieser Armee gebraucht wurden, war der Kampf gegen Terroristen. Diese zeigten sich äußerst zäh und waren meist schon im Busch aufgewachsen und ausgebildet worden.
Um natürlichen Spuren folgen zu können, wählte ich Gebiete aus, in denen viel Wilddiebstahl vorkam. Ich konnte mit Hilfe der Soldaten die Wilddiebe fangen und meine Schüler erlernten eine Art Buschkrieg. Spurenlesen, erkennen, anpirschen, überraschen und fangen, so wie es in Wirklichkeit sein sollte. Ich verstand mich bestens mit den Kursusleitern, damals Major Jansen van Rensburg und Kapitän Hochapfel. Einer meiner besten Helfer war Korporal Gernot Raaiman aus Gobabis, Gernot war dort Farmer. Er war mit Buschleuten auf der Farm aufgewachsen und sprach zwei Buschmanndialekte, besser als seine Muttersprache Deutsch. Er war ein guter Spurenleser und kannte sich sehr gut im Busch aus. Wir wurden sofort Freunde und respektierten einander. Abends saßen wir zwei immer an unserem eigenen Feuerchen und wenn unerwünschte Gäste sich zu uns gesellten, redeten wir beide nur in der Buschmannsprache miteinander. Auch konnte er genau wie ich sehr gut barfuß laufen. Wir wurden die „zwei Buschleute vom Dienst“ genannt. Jeder hatte sein eigenes Spurenlesersyndikat und wir waren ehrliche Konkurrenten, dabei aber die besten Freunde. Während der Kurse herrschte immer die beste Kameradschaft unter allen von uns.
Während meiner letzten Jahre beim Naturschutz empfand ich diese Überlebenskurse bei der Armee für mich immer wie Ferien. Endlich konnte ich mal wieder aus dem verfluchten Büro in Windhoek raus und die Freiheit im Busch genießen. Am Ende eines jeden Kurses ging ich zu Major van Rensburg und bearbeitete ihn, dass er mich nicht bei dem nächsten Kursus vergesse. Die Armee hatte damals mehr Einfluss als der Naturschutz. Wenn ein Kursus zu Ende war, kam jedes Mal Brigadier Geldenhuys und wohnte dem Abschluss persönlich bei. Major van Rensburg musste ihm dann über den Verlauf des Kurses berichten. Während der Kurse ließ ich keine Notrationen zu. Was essbar war, ob Schlange oder Maus, ob Mangettinüsse aus dem Elefantenmist herausgeklaubt oder Wasserwurzeln, alles was in der Natur essbar war, wurde gesammelt, abends am Feuer geröstet und gegessen. Das rüchige Trockenfleisch, das wir den Wilddieben abnahmen, war zur Abwechslung eine „Festmahlzeit“. Zum Abschluss bekamen die Kursusteilnehmer frisch gebackenes Brot zu essen, welches ich selber im Erdloch buk.
Eines Abends, Brigadier Geldenhuys war auch anwesend, hatte ich wieder zum Abschluss ein herrliches Riesenbrot im Erdloch gebacken. All das Brot war schon aufgegessen, ich hatte nur ein kleines Stück für mich selbst behalten. Jemand wollte das Stück unter meinem Kopfkissen herausziehen und stibitzen, alle schliefen schon. Nur die beiden Diebe unterhielten sich flüsternd an meinem Kopfende. Sie stritten sich, wer das Stück Brot unter meinem Kopf herausziehen sollte. Ich schlief auf einer Decke zu ebener Erde und hatte das Brot in ein frisches Tuch gewickelt und unter meinen Kopf gesteckt.
Langsam zog man nun das eingewickelte Brot unter meinem Kopf heraus. Als es fast draußen war, sagte ich ganz ruhig: „Frag lieber, Brigadier, musst nicht klauen!“ Ein erschrecktes „Oh, die donder slaap nog nie!“ (Oh, der Kerl schläft noch nicht!) erklang und die beiden Offiziere verschwanden. Auch dieses letzte Stück Brot habe ich mit den beiden geteilt. Jedes Mal, wenn ich von der Armee angefordert wurde, war man beim Naturschutz unzufrieden. Als ich Herrn Rochér einmal wieder mitteilte, dass ich mich für den nächsten Kursus beim Kommando anmelden müsse, riss ihm die Geduld: „Warum gehst du nicht ganz zur Armee, du bist doch schon mehr dort als bei uns!“ Wie wenig ahnte er damals, wie nahe er der Wahrheit war.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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