Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
Im Jahre 1929 in Windhoek geboren, lernt Peter Stark, wie so viele „Südwester", schon als Kind den Umgang mit einer Jagdwaffe und von einem Farmarbeiter das Verhalten des Wildes. Seine Liebe zur freien Natur, dem Reitsport und vor allem der Jagd, verführten ihn zu Abenteuern, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten. Seine Einstellung zur Jagd ändert sich drastisch, als er von der Abteilung Naturschutz der ehemaligen SWA-Administration angestellt wird und er nun die Wilddiebe aufspüren muss, um das Wild im Etoscha-Nationalpark als Wildhüter zu beschützen.
84. Folge
Unsere Lausbuben 2/2
Nico
Auf Heikos folgte Nicos Geburt. Ich habe alle Vornamen auf „O“ enden lassen, nach dem Motto „O, noch einer!“ Nico war der Kleinste von den Vieren, die älteren Brüder hatten ihm wohl alle Muttermilch weggetrunken. Dafür hatte er aber auch die größte Klappe.
Wir waren eines Sonntags zum Ekuma hochgefahren, er führte Wasser und wir wollten übers Wochenende am Fluss kampieren, schwimmen und fischen.
Wir hatten die drei Baas-Mädchen mitgenommen, Ute, Gundula und Annette. Ich fuhr einen 1½ Tonner International mit hohem Aufbau. Wir legten quer oben eine Sitzplanke über den Aufbau, so dass man weit sehen konnte. Dieser Sitz war aber nicht für kleine Kinder bestimmt, da der Weg ausgewaschen und voller Erdschweinlöcher war. Die Kinder hätten herunterpurzeln können, deshalb mussten sie auf der Ladefläche stehen. Als wir am späten Nachmittag nach Hause fuhren, konnte ich die Schatten der Kinder vom Steuer aus beobachten. Nico, der kleine Knirps, saß wohlig zwischen Gundula und Annette oben auf der Planke. Von der Kabine aus rief ich nach außen, Nico solle von der Planke runter und im Auto stehen. Er folgte, nur um kurz drauf wieder oben neben seiner lieben Gundula zu sitzen. Wieder rief ich: „Runter Nico!“ und wieder das Gleiche; kaum war er runter, war er auch schon wieder oben. Nun wurde ich sehr energisch und verwies ihn wieder nach unten. Nach einer kleinen Pause kam seine Antwort, klar und deutlich und mit voller Inbrunst: „Papa, du Arschloch!“ Das war zuviel des Guten! Von Gundula hörte ich nur ein erschrecktes „Weioha!“ Ruhig hielt ich an und stieg aus. Ich schlage nicht gern Kinder, aber wenn es sein muss, muss es halt sein. Zu Nico sagte ich freundlich: „Na mein Jung, dann hol dir mal ein Stöckchen!“ Erst weigerte er sich, aber seine Mutter sagte: „Geh, Nico!“ Schnell rannte er zu einem Salzbusch und kam mit einem winzigen Zweiglein zurück, das er mir wortlos entgegenhielt. „Nun gut, dann muss ich’s halt selbst holen, dafür gibt’s ein bisschen mehr!“ Letzten Endes holte ich von einem Beerenbusch einen zünftigen Stock und Nico bekam seine wohlverdiente Strafe.
Neben meinem Reitplatz in Okaukuejo hatte ich einen Gemüsegarten. Dort etwas zum Wachsen zu bringen, grenzt schon an Kunst. Vom 19. Breitengrad brachte ich jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, eine Fracht guter Erde mit und mit viel Geduld und Spucke fängt man eine Mucke! Der Gemüsegarten gedieh, ich hatte sogar ein schönes Maisfeld, auf das ich besonders stolz war. Von meinem Haus aus fuhr ich regelmäßig an dem Garten und dem Pferdestall vorbei und freute mich jedes Mal über meinen schönen Garten. Als ich an einem Spätnachmittag nach Hause kam, dachte ich, mich trifft der Schlag: Mein Mais war weg. Traurig lagen die umgebrochenen Maisstauden im Garten herum. „Da müssen wohl die Elefanten reingekommen sein“, dachte ich entsetzt, hielt an und stieg aus. Im Garten waren aber keine Elefantenspuren, sondern nur Fußspuren kleiner Menschen und ich erkannte sofort Nicos Spuren. Während ich noch ratlos im Garten stand, kam Hebakoib vom Pferdestall her und sagte: „Nico und der andere kleine Mister Andrew haben hier mit Holzmessern all die Mielies kaputt geschlagen!“ Andrew war der Sohn von Jock und Louise du Preez, die beiden waren unverbesserliche Lausbuben. Diese Tat war eine saftige Tracht Prügel wert, meine mühevolle Arbeit war in kürzester Zeit zunichte gemacht. Ich ließ Alarich satteln, ich wollte noch ein bisschen mit ihm arbeiten. Dann fuhr ich schnell zum Haus, um mich fürs Reiten umzuziehen. Elke gegenüber war ich kurz angebunden und sagte ihr nur, ihr lieber Nico solle sich bei mir mit einer Reitpeitsche beim Reitplatz melden. Elke kannte mich nur zu gut und ahnte nichts Gutes. Dann ging ich zum Reitplatz und longierte Alarich. Als ich aufsitzen wollte, kam Nico mit einer Reitpeitsche angerannt. Der kleine nackte Oberkörper passte nicht zu seiner dick ausstaffierten Hose. Es war zuoberst eine Hose seiner Mutter, darunter so zehn – zwölf kleinere Hosen. Er sah mit diesem Riesensteiß aus wie ein kleines Hottentottenmädchen. Ich musste mit einem Lachanfall kämpfen und schaute schnell in die entgegengesetzte Richtung. Der Knirps rannte bis kurz vor meine Füße und blickte mich herausfordernd mit seinen braunen Augen an und sagte, mir die Peitsche hinhaltend: „So, Papa, jetzt kannst du mich schlagen!“ Ich erstieg Alarich und ritt schnell davon; er sollte mein Lachen nicht sehen. Alle Wut in mir war verflogen.
Sam
Ob Buschmann oder nicht, Sam zählte zu meinen Kindern. Sein Vater, Moses, gab ihn mir, als er vielleicht zehn Jahre alt war. Bei der Übergabe sagte Moses: „Da, nimm ihn, es ist deiner, mach was aus ihm“. Sam war bei mir Pferdejunge, Hausjunge und Leibgarde. Er war, wie sein Vater, ein Draufgänger, verstand sich aber nicht mit Elke, manchmal musste eine Männerhand ihn wieder auf die richtigen Wege leiten. So hatte ich Sam zum Turnier nach Swakopmund mitgenommen, er wiederum nahm seinen Freund Piet zur Gesellschaft mit. Als ich mit meinem International Dreitonner, mit den Turnierpferden hinten drauf, wieder nach Okaukuejo zurückfuhr, hatte ich fortwährend Probleme mit der Benzinzufuhr. Mit der Luftpumpe musste ich immer wieder zum Säubern die Leitungen und den Vergaser ausblasen. Dann ging es drei bis sechs Meilen gut und danach stand mein Auto wieder. Die Fahrt von Swakopmund bis Okaukuejo dauerte achtzehn Stunden. Ich war „leicht erzürnt“, als ich endlich um Mitternacht mit schreienden Kindern und durstigen Pferden in Okaukuejo anlangte. Am nächsten Morgen früh gab ich Moses den Auftrag, den Benzintank auszubauen und gut zu säubern. Nach einiger Zeit ließ er mich rufen. Im Benzin schwammen lauter Stücke Papier. „Guck, was die Schweine gemacht haben“, sagte Moses. „Die haben mit Draht Stücke Papier in den Tank gesteckt, um sich mit dem benzingetränkten Papier einen Rausch einzuatmen. Die Stücke Papier sind dann im Tank vom Draht abgefallen und haben das Auslassrohr verstopft!“ Mit den „Schweinen“ hatte Moses seinen Sohn Sam und den Piet gemeint. Genug war genug. Ich nahm mir einen handfesten Knüppel. Sam und Piet fand ich schlafend im Pferdeanhänger. Ich griff Sam am Kragen und er bekam die Tracht Prügel seines Lebens. Elke, durch sein Geschrei angezogen, bat mich, ich solle aufhören, ihn zu verdreschen. Ausgerechnet Elke, die immer wieder darauf angedrungen hatte, dass Sam auf Vordermann gebracht werden sollte. Während ich Sam „panierte“, war Piet schleunigst geflohen und nicht mehr gesehen. Er arbeitete danach auf verschiedenen Farmen. Sam wurde ein ausgezeichneter Junge und war treu wie Gold. In der Reiterei machte er mir alles von sich aus nach. Ich hab ihn oftmals aus einem Versteck heraus mit Alarich alle Seitengänge, fliegenden Galoppwechsel und selbst eine gute Piaffe üben sehen. Er war ein geborener Reiter. Sam ist schon lange tot. Als ich den Naturschutz verließ, wurde er nach Otjovazandu versetzt. Dort soll er eine Giraffe gewildert haben und im Gefängnis von der Polizei misshandelt worden sein. Er ist jedenfalls im Gefängnis gestorben. Schade, er hatte gute Anlagen!
Unsere Lausbuben 2/2
Nico
Auf Heikos folgte Nicos Geburt. Ich habe alle Vornamen auf „O“ enden lassen, nach dem Motto „O, noch einer!“ Nico war der Kleinste von den Vieren, die älteren Brüder hatten ihm wohl alle Muttermilch weggetrunken. Dafür hatte er aber auch die größte Klappe.
Wir waren eines Sonntags zum Ekuma hochgefahren, er führte Wasser und wir wollten übers Wochenende am Fluss kampieren, schwimmen und fischen.
Wir hatten die drei Baas-Mädchen mitgenommen, Ute, Gundula und Annette. Ich fuhr einen 1½ Tonner International mit hohem Aufbau. Wir legten quer oben eine Sitzplanke über den Aufbau, so dass man weit sehen konnte. Dieser Sitz war aber nicht für kleine Kinder bestimmt, da der Weg ausgewaschen und voller Erdschweinlöcher war. Die Kinder hätten herunterpurzeln können, deshalb mussten sie auf der Ladefläche stehen. Als wir am späten Nachmittag nach Hause fuhren, konnte ich die Schatten der Kinder vom Steuer aus beobachten. Nico, der kleine Knirps, saß wohlig zwischen Gundula und Annette oben auf der Planke. Von der Kabine aus rief ich nach außen, Nico solle von der Planke runter und im Auto stehen. Er folgte, nur um kurz drauf wieder oben neben seiner lieben Gundula zu sitzen. Wieder rief ich: „Runter Nico!“ und wieder das Gleiche; kaum war er runter, war er auch schon wieder oben. Nun wurde ich sehr energisch und verwies ihn wieder nach unten. Nach einer kleinen Pause kam seine Antwort, klar und deutlich und mit voller Inbrunst: „Papa, du Arschloch!“ Das war zuviel des Guten! Von Gundula hörte ich nur ein erschrecktes „Weioha!“ Ruhig hielt ich an und stieg aus. Ich schlage nicht gern Kinder, aber wenn es sein muss, muss es halt sein. Zu Nico sagte ich freundlich: „Na mein Jung, dann hol dir mal ein Stöckchen!“ Erst weigerte er sich, aber seine Mutter sagte: „Geh, Nico!“ Schnell rannte er zu einem Salzbusch und kam mit einem winzigen Zweiglein zurück, das er mir wortlos entgegenhielt. „Nun gut, dann muss ich’s halt selbst holen, dafür gibt’s ein bisschen mehr!“ Letzten Endes holte ich von einem Beerenbusch einen zünftigen Stock und Nico bekam seine wohlverdiente Strafe.
Neben meinem Reitplatz in Okaukuejo hatte ich einen Gemüsegarten. Dort etwas zum Wachsen zu bringen, grenzt schon an Kunst. Vom 19. Breitengrad brachte ich jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, eine Fracht guter Erde mit und mit viel Geduld und Spucke fängt man eine Mucke! Der Gemüsegarten gedieh, ich hatte sogar ein schönes Maisfeld, auf das ich besonders stolz war. Von meinem Haus aus fuhr ich regelmäßig an dem Garten und dem Pferdestall vorbei und freute mich jedes Mal über meinen schönen Garten. Als ich an einem Spätnachmittag nach Hause kam, dachte ich, mich trifft der Schlag: Mein Mais war weg. Traurig lagen die umgebrochenen Maisstauden im Garten herum. „Da müssen wohl die Elefanten reingekommen sein“, dachte ich entsetzt, hielt an und stieg aus. Im Garten waren aber keine Elefantenspuren, sondern nur Fußspuren kleiner Menschen und ich erkannte sofort Nicos Spuren. Während ich noch ratlos im Garten stand, kam Hebakoib vom Pferdestall her und sagte: „Nico und der andere kleine Mister Andrew haben hier mit Holzmessern all die Mielies kaputt geschlagen!“ Andrew war der Sohn von Jock und Louise du Preez, die beiden waren unverbesserliche Lausbuben. Diese Tat war eine saftige Tracht Prügel wert, meine mühevolle Arbeit war in kürzester Zeit zunichte gemacht. Ich ließ Alarich satteln, ich wollte noch ein bisschen mit ihm arbeiten. Dann fuhr ich schnell zum Haus, um mich fürs Reiten umzuziehen. Elke gegenüber war ich kurz angebunden und sagte ihr nur, ihr lieber Nico solle sich bei mir mit einer Reitpeitsche beim Reitplatz melden. Elke kannte mich nur zu gut und ahnte nichts Gutes. Dann ging ich zum Reitplatz und longierte Alarich. Als ich aufsitzen wollte, kam Nico mit einer Reitpeitsche angerannt. Der kleine nackte Oberkörper passte nicht zu seiner dick ausstaffierten Hose. Es war zuoberst eine Hose seiner Mutter, darunter so zehn – zwölf kleinere Hosen. Er sah mit diesem Riesensteiß aus wie ein kleines Hottentottenmädchen. Ich musste mit einem Lachanfall kämpfen und schaute schnell in die entgegengesetzte Richtung. Der Knirps rannte bis kurz vor meine Füße und blickte mich herausfordernd mit seinen braunen Augen an und sagte, mir die Peitsche hinhaltend: „So, Papa, jetzt kannst du mich schlagen!“ Ich erstieg Alarich und ritt schnell davon; er sollte mein Lachen nicht sehen. Alle Wut in mir war verflogen.
Sam
Ob Buschmann oder nicht, Sam zählte zu meinen Kindern. Sein Vater, Moses, gab ihn mir, als er vielleicht zehn Jahre alt war. Bei der Übergabe sagte Moses: „Da, nimm ihn, es ist deiner, mach was aus ihm“. Sam war bei mir Pferdejunge, Hausjunge und Leibgarde. Er war, wie sein Vater, ein Draufgänger, verstand sich aber nicht mit Elke, manchmal musste eine Männerhand ihn wieder auf die richtigen Wege leiten. So hatte ich Sam zum Turnier nach Swakopmund mitgenommen, er wiederum nahm seinen Freund Piet zur Gesellschaft mit. Als ich mit meinem International Dreitonner, mit den Turnierpferden hinten drauf, wieder nach Okaukuejo zurückfuhr, hatte ich fortwährend Probleme mit der Benzinzufuhr. Mit der Luftpumpe musste ich immer wieder zum Säubern die Leitungen und den Vergaser ausblasen. Dann ging es drei bis sechs Meilen gut und danach stand mein Auto wieder. Die Fahrt von Swakopmund bis Okaukuejo dauerte achtzehn Stunden. Ich war „leicht erzürnt“, als ich endlich um Mitternacht mit schreienden Kindern und durstigen Pferden in Okaukuejo anlangte. Am nächsten Morgen früh gab ich Moses den Auftrag, den Benzintank auszubauen und gut zu säubern. Nach einiger Zeit ließ er mich rufen. Im Benzin schwammen lauter Stücke Papier. „Guck, was die Schweine gemacht haben“, sagte Moses. „Die haben mit Draht Stücke Papier in den Tank gesteckt, um sich mit dem benzingetränkten Papier einen Rausch einzuatmen. Die Stücke Papier sind dann im Tank vom Draht abgefallen und haben das Auslassrohr verstopft!“ Mit den „Schweinen“ hatte Moses seinen Sohn Sam und den Piet gemeint. Genug war genug. Ich nahm mir einen handfesten Knüppel. Sam und Piet fand ich schlafend im Pferdeanhänger. Ich griff Sam am Kragen und er bekam die Tracht Prügel seines Lebens. Elke, durch sein Geschrei angezogen, bat mich, ich solle aufhören, ihn zu verdreschen. Ausgerechnet Elke, die immer wieder darauf angedrungen hatte, dass Sam auf Vordermann gebracht werden sollte. Während ich Sam „panierte“, war Piet schleunigst geflohen und nicht mehr gesehen. Er arbeitete danach auf verschiedenen Farmen. Sam wurde ein ausgezeichneter Junge und war treu wie Gold. In der Reiterei machte er mir alles von sich aus nach. Ich hab ihn oftmals aus einem Versteck heraus mit Alarich alle Seitengänge, fliegenden Galoppwechsel und selbst eine gute Piaffe üben sehen. Er war ein geborener Reiter. Sam ist schon lange tot. Als ich den Naturschutz verließ, wurde er nach Otjovazandu versetzt. Dort soll er eine Giraffe gewildert haben und im Gefängnis von der Polizei misshandelt worden sein. Er ist jedenfalls im Gefängnis gestorben. Schade, er hatte gute Anlagen!
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen