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Die Landungsbrücke von Swakopmund

Das Tor zur Kolonie
Die deutsche Bauforscherin und Buchautorin Yoko Rödel ist Chefredakteurin der Fachmagazine METALL und COLOR in Wien. Für die AZ wirft sie einen Blick auf die vielschichtige Vergangenheit der Swakopmunder Hafenbauten. Erst kürzlich veröffentlichte sie das Buch „Die Landungsbrücke von Swakopmund", das die Entwicklungsgeschichte jener Anlagen von der Grundsteinlegung bis in die Gegenwart wiedergibt.
Teil 1/7

Swakopmund galt einst als der wichtigste Schiffslandestandort von Deutsch-Südwestafrika, dabei ging der Landungsbetrieb in den ersten Jahren mehr schlecht wie recht von statten.

Ein früher Morgen in Swakopmund. Die aufgehende Sonne wirft ihr goldenes Licht auf das Meer und taucht den Horizont in ein sanftes Rot. Allmählich legt sich der raue Ostwind und eine unwillkürliche Stille durchdringt die malerischen Straßen des Küstenortes – doch da ist etwas, dem sich niemand so ganz entziehen kann: Selbst von weiter Ferne hört man sie, die Gischt der aufbäumenden Wellen des Atlantiks. Ohne es zu wollen, zieht es uns an den Strand, lassen wir den Blick schweifen über das weitläufige Ufer und dann sehen wir sie: Die Landungsbrücke – man könnte schon fast sagen „unsere“ Landungsbrücke, ist doch ein Spaziergang auf ihr bei jedem Besuch in Swakopmund ein absolutes Muss! Sage und schreibe 110 Jahre ist es nun her, dass die Deutschen nördlich der Swakop-Mündung die ersten eisernen Brückenpfeiler in das Meer setzten. Seitdem ist vieles passiert, und doch ist manches auch gleich geblieben. So gilt Swakopmund, das einst das „Tor zur Kolonie“ bildete, bis heute als die deutscheste Stadt südlich des Äquators. Die historischen Ursprünge von Deutsch-Südwestafrika sind jedoch an anderer Stelle zu suchen. Der belesene Südwester weiß es längst: Die Rede ist von Lüderitzbucht, ehemals Bucht von Angra Pequena. Hier erreichten Anfang der 1880er Jahre die ersten deutschen Schiffe westafrikanisches Ufer. Unter der Leitung des Bremer Tabakwarenhändlers Eduard Adolf von Lüderitz wurde der Stützpunkt sukzessiv um weitere Areale im Hinterland erweitert. Dies gab dem ersten Reichkommissar Göring (kein geringerer als der Vater des späteren Nationalsozialisten Hermann Göring) Anlass dazu, den Verwaltungssitz der jungen Kolonie im Jahr 1885 nach Otjimbingwe zu verlagern. Gleichzeitig wurde die Suche nach einem neuen, zentraleren Hafen eröffnet – doch das war leichter gesagt, als getan.

Da es augenscheinlich entlang der gesamten Küste keinen anderen Hafen gab, galt es zunächst die bestehenden Buchten dahingehend zu überprüfen, ob sich diese für die Etablierung eines Hafens eigneten. Zwar gab es in Walfischbucht einen Landungsstandort, der dafür bestens infrage gekommen wäre, doch dieser unterstand der britischen Flagge und stellte daher keine Alternative dar. Da es ansonsten keinen anderen zur Verfügung stehenden Landungsstandort gab, wurde die erneute Vermessung der Westküste veranlasst – mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass keine einzige Stelle gefunden wurde, die für die Errichtung eines langfristig nutzbaren Hafens infrage gekommen wäre. Das bedeutete wiederum, dass nun andere Kriterien herangezogen werden mussten, um den Standort für den neuen Kolonialhafen zu besiegeln. Es war kein geringerer, als Curt von François, der in dieser Angelegenheit die Initiative ergriff und im Jahr 1892 nördlich der Swakop-Mündung die Kolonialstadt Swakopmund gründete – dies geschah aus zweierlei Gründen: Einerseits ging er davon aus, dass das Wasser des Swakop trinkbar war – was sich im Übrigen bald als ein Irrtum herausstellte, da immer mehr Menschen nach Trinken des Flusswassers an einem Magen-Darm-Infekt erkrankten (später bekannt als „Swakopmunder Krankheit“). Zweitens stellte das Gebiet rund um den Swakop die von Windhoek aus gesehene kürzeste Wegstrecke zur Küste dar. Somit hatte François zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Damit war ihm nach Windhoek die zweite erfolgreiche Stadtgründung gelungen, denn schließlich hat auch die Stadt Swakopmund die Jahrzehnte bis zum heutigen Tag überdauern können und ist nicht etwa der Wüste zum Opfer gefallen, wie dies etwa bei Elisabethbucht oder der berühmten Geisterstadt Kolmannskuppe im Hinterland von Lüderitz der Fall war.

Eine weitere Besonderheit Swakopmunds ist, dass der Stadtgründung eine umfangreiche städtebauliche Planung vorausging, wobei ebenfalls die Hafenanlagen nördlich der Swakop-Mündung sowie die Streckenführung der zukünftigen Hafenbahn berücksichtigt worden waren. Swakopmund war somit von Anfang an als zentraler Umschlagplatz für den Handel von und nach Europa angedacht gewesen. Jedoch gab es anfangs noch keine detaillierten Pläne für Hafenbauten. Aus diesem Grund wurde der dortige Landungsverkehr zunächst am offenen Strand und unter Zuhilfenahme von Brandungsbooten aus Eichenholz vollzogen. Das Ganze war mit einem erheblichen Aufwand verbunden: Die großen Schiffe mussten zunächst rund ein bis zwei Kilometer vor der Küste auf einer Reede vor Anker gehen, sämtliche Güter und Personen wurden dann aufwändig in die Leichter-Boote „verfrachtet“ und anschließend unter abenteuerlichen Umständen an Land gebracht. Dabei ging nicht immer alles glatt und so manches Boot kenterte, bevor es das rettende Ufer erreichte. Welche unentdeckten Schätze dort heute noch am Meeresgrund auf ihre Entdeckung warten? Womöglich werden wir dies nie erfahren. Doch zurück zum Thema: Dass die Landungsverhältnisse am Swakopmunder Südstrand mehr wie suboptimal waren, dürfte nun mehr wie klar sein. Überdies kam es nicht selten vor, dass der Landungsbetrieb gar nicht erst durchgeführt werden konnte, weil der Wellengang zu stark war, oder eine Sturmflut die Küste heimsuchte. Dann kam es mitunter vor, dass die Schiffe mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen, auf der See vor Anker gehen mussten. Das kam jedoch nicht jedem ungelegen, so sei es laut Augenzeugenberichten auf den Passagierdampfern der Woermann-Linie „gezwungenermaßen“ zu verschiedenen Festivitäten gekommen, um sich auf diese Weise die Zeit zu vertreiben.

Obwohl der Landungsbetrieb in Swakopmund mehr schlecht als recht von statten ging, hielt man es lange nicht für nötig, das Ufer um massive Hafenbauten zu ergänzen und auf diese Weise für sichere Landungsbedingungen zu sorgen. In Berlin glaubte man lange Zeit nicht an einen dauerhaften Fortbestand des Schutzgebietes, denn: Wer wollte schon in der Wüste leben? Daher zog man es vor, sich auf das ökonomisch erfolgreichere Schutzgebiet in Deutsch-Togo und andere Rohstoffkolonien in Zentralafrika zu konzentrieren. Auch in Sachen Hafenanlagen wurde immer wieder auf den Landungsstandort Lomé in Deutsch-Togo verwiesen, denn dieser käme ja auch ohne jegliche Hafenanlagen aus und erwirtschafte überdies noch Gewinne – hieß es dann vonseiten der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin. Im Übrigen kam es nicht selten vor, dass das Schutzgebiet an der Elfenbeinküste zum leuchtenden Beispiel einer Musterkolonie verklärt wurde – womöglich auch in Ermangelung anderer schlagkräftigerer Argumente. Abgesehen davon weiß man heute, dass das ehemalige Deutsch-Togo in Relation zu dem Schutzgebiet im Südwesten Afrikas keine geeignete Referenz darstellte. Zum einen deswegen, da das Protektorat in Togo nur einen Bruchteil desselben im Südwesten ausmachte und zum anderen, weil dort völlig andere Strömungsverhältnisse vorherrschten. Dabei waren die widrigen Landungsbedingungen in Swakopmund nicht allein der starken Brandung geschuldet, sondern auch dem Einfluss des Benguelastromes, wobei es sich um eine aus dem antarktischen Meer gespeiste kalte Meeresströmung handelt, die entlang der Westküste für Wasserbewegungen von mehr als vierzig Kilometer pro Stunde sorgt. In Anbetracht der suboptimalen Landungsverhältnisse und des exponentiell anwachsenden Schiffsverkehrs, kam jedoch das Deutsche Reich gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr umhin, in eine ordentliche Hafenanlage zu investieren, weshalb der Bau einer massiven Hafenmole veranlasst wurde.

Yoko Rödel

Wie ging es weiter? Das erfahren Sie im nächsten Teil unserer Reportage-Reihe!

Kommentar

Dieter Rehling Vor 1 Jahr 09 March 2023

Ein interessanter Bericht aus der Geschichte Namibias. Machen sie weiter so! D. Rehling

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