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Die Landungsbrücke von Swakopmund

Was ist los mit Lohse?
Teil 4/7

Die deutsche Bauforscherin und Buchautorin Yoko Rödel ist Chefredakteurin der Fachmagazine METALL und COLOR in Wien. Für die AZ wirft sie einen Blick auf die vielschichtige Vergangenheit der Swakopmunder Hafenbauten. Erst kürzlich veröffentlichte sie das Buch „Die Landungsbrücke von Swakopmund“, das die Entwicklungsgeschichte jener Anlagen von der Grundsteinlegung bis in die Gegenwart wiedergibt.

Mit der Einführung der Diamantensteuer im Jahr 1908 wurde es in Swakopmund möglich, eine neue Landungsanlage in Form einer eisernen Brücke zu errichten – doch auch dieses Vorhaben war nicht frei von Hürden.

Seit der Gründung der Kolonie im Jahr 1884 waren bereits über zwanzig Jahre vergangen, ohne dass es den Deutschen seitdem gelungen war, in Swakopmund einen dauerhaft nutzbaren Hafen zu etablieren. Das stellte das Schutzgebiet zunehmend vor logistische Schwierigkeiten, da die deutsche Bevölkerung aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen im Inland stark auf den dortigen Hafen als Versorgungsstandort angewiesen war – außerdem kratzten die vielen Fehlschläge rund um die Swakopmunder Hafenbauten zunehmend am Ehrgefühl der Deutschen. Schließlich wurde das Land der Dichter und Denker schon damals in der ganzen Welt für dessen qualitätsvolle ,,Wertarbeit" geschätzt – da passten jene chaotischen Zustände so gar nicht ins Bild. Was war da also los? Hier eine kurzer Erklärung: Erstens verfügten die Deutschen im Vergleich zu anderen Weltmächten wie Großbritannien, Spanien oder Frankreich, nicht über nennenswerte Erfahrungen im Hinblick auf einen infrastrukturellen Aufbau von Kolonien – zweitens steckten die deutschen Ingenieurwissenschaften seinerzeit noch in den Kinderschuhen. Kurzum: Bei dem Aufbau der Überseegebiete leisteten die Deutschen wortwörtlich Pionierarbeit.

Nach den mühevollen Anfängen der Kolonisierung warf das Schutzgebiet ab dem Jahr 1908 dank des Diamentenabbaus im Raum Lüderitzbucht erstmals bedeutende Gewinne ab, wonach im Schutzgebiet eine rege Bautätigkeit einsetzte und sich erneut zahlreiche deutsche Siedler vorwiegend im Süden des Protektorats niederließen. Dank der anhaltenden Hochkonjunktur wurde es im Jahr 1910 möglich, den Bau einer großmaßstäblichen Landungsanlage in Form einer eisernen Landungsbrücke auf massiven Pfeilfern zu realisieren – doch dieses Mal wollte man nichts dem Zufall überlassen: Nach einer intensiven Entwurfsplanung wurde ab Herbst 1911 unter großem Aufwand der Bauplatz samt der Lagerschuppen für das Baumaterial wenige Meter nördlich der hölzernen Landungsbrücke errichtet. Sämtliche Bauteile wurden (wenn möglich) vorab im Deutschen Reich zusammengesetzt und anschließend ,,fix und fertig" mit dem Schiff nach Swakopmund gebracht – vor Ort sollte nur noch die Endmontage erfolgen. Währenddessen wurde ausgewiesenes Fachpersonal aus dem Deutschen Reich für die Bauarbeiten in das Schutzgebiet bestellt – darunter auch die beiden leitenden Ingenieure Riesenkamp und Wick von den mit dem Brückenbau beauftragten Unternehmen Flender aus Benrath und Grün & Bilfinger aus Mannheim. Neben einem Rechnungsführer, drei Vorarbeitern, zehn Handwerkern und dreißig bis vierzig südafrikanischen Hilfsarbeitern zählten auch Zimmermänner zum Baupersonal. Zusätzlich sandte die deutsche Regierung einen Baurat namens Wellmann nach Swakopmund, der die Bauarbeiten minutiös überwachen sollte.

Trotz alledem war auch jener Bau nicht frei von Hürden. So trug es sich zu Beginn der Bauarbeiten im Dezember 1911 zu, dass sich ein windiger Kolonialbeamter namens Lohse unaufgefordert in das Bauvorhaben einzumischen begann. Zu welchem Zweck sich dieser in Swakopmund aufhielt, ist nicht bekannt. Jedenfalls spazierte er täglich zur Baustelle, um den dortigen Arbeitern Anweisungen bei den Bauarbeiten zu erteilen. Das sorgte für reichlich Verwirrung. Aus diesem Grund wandte man sich an die Baudirektion in Mannheim und fragte, wie genau die Anweisungen des Herrn Lohse denn zu handhaben seien. Daraufhin antwortete die Direktion, man möge die Befehle des Kolonialbeamten ignorieren und stattdessen auf Baurat Wellmann warten - dieser befand sich seinerzeit auf dem Schiffsweg nach Swakopmund). Was genau den Kolonialbeamten dazu bewogen hatte, sich in das Bauvorhaben einzumischen, weiß niemand so genau. Fest steht, dass es nicht selten vorkam, dass sich deutsche Beamte niederen Ranges in die Schutzgebiete,,verirrten", um sich dort zu profilieren. Das war im Übrigen kein rein deutsches Phänomen, sondern trug sich so oder so ähnlich in allen Überseegebieten zu – ganz gleich, unter welcher Krone. Wer sich hiervon einen Eindruck verschaffen möchte, dem wird das Essay,,Shooting an Elephant" von George Orwell wärmstens empfohlen. Darin werden nicht nur die prekären Verhältnisse im britisch besetzten Indien authentisch wiedergegeben, sondern auch die innere Zerrissenheit eines Kolonialbeamten, der sich einst aus narzissisistischer Geltungssucht zum Dienst in Übersee gemeldet hatte.

Doch zurück zum Fall Lohse: Dieser war freilich nicht der einzige seiner Art. Probleme gab es im Schutzgebiet viele – täglich und überall. Das war allein schon deswegen der Fall, weil sich die Kompetenzbereiche einzelner Verantwortungsträger häufig überschnitten – letzteres war wiederum ein Versäumnis der deutschen Regierung, da man die Aufgabengebiete der einzelnen kolonialen Behörden in den Schutzgebieten nicht eindeutig definiert hatte. Lange Rede, kurzer Sinn: Trotz der detaillierten Vorplanungen kam es deswegen auch beim Bau der Landungsbrücke immer wieder zu zahlreichen Problemen.

Nachdem Baurat Wellmann im Januar 1912 in Swakopmund eingetroffen war, konnten die Bauarbeiten endlich beginnen. Hierfür wurde zunächst das Widerlager der Brücke am Ufer betoniert – und zwar in lediglich fünf Meter Entfernung zur hölzernen Landungsbrücke. Erst mehrere Wochen nach den erwähnten Betonierarbeiten wandte sich Wellmann an die leitende Ingenieure Wick und Riesenkamp und bat um ,,eingehende Mitteilung, welche Gründe [...] maßgebend gewesen sind [sic!] das Widerlager für die neue Brücke so dicht an die bestehende [...] zu erbauen." Eine späte Erkenntnis des Baurats, war doch der Grundstein längst gelegt worden. Trotz der genannten Abstandsproblematik hielt die Bauleitung zunächst noch an der originalen Positionierung der Brücke fest. Erst im Frühjahr 1912 wurde eine nachträgliche Verschiebung des Bauwerks veranlasst. Diese gravierende Planänderung blieb jedoch nicht ohne Folgen – so kam es hierdurch erstmals zu erheblichen Verzögerungen beim Bau.

Um nicht zu viel Zeit zu verlieren wurde parallel mit den Bohrarbeiten die Herstellung der ersten Pfähle begonnen. Hierfür wurden die eisernen Pfähle aus dem Deutschen Reich zusammengefügt, die Pfahlfüße an Land einbetoniert und anschließend mit Hilfe eines eigens angefertigten Bohrkrans in die vorgebohrten Löcher in den felsigen Untergrund eingelassen. Aufgrund der enormen Krafteinwirkungen wurde es notwendig, das Baugerüst mehrfach zu verstärken und neue Tiefbohrwinden aus dem Deutschen Reich zu ordern. Die Bohrarbeiten waren für alle Beteiligten mit größten Anstrengungen verbunden: ,,Die Arbeiten stellten sowohl durch das schwere Bohrgestänge, als auch durch das mächtige Bohrgerüst ganz bedeutende Beanspruchungen an die Maschinen und indirekt auch an die Brücke selbst dar", wie Ingenieur Wick von Grün & Bilfinger bei einem Vortrag in Swakopmund im Jahr 1913 erläuterte. Trotz zahlreicher Hürden war es den Deutschen immerhin gelungen, bis zum Sommer 1912 rund 150 Meter der Brücke fertigzustellen. Der Erfolg war jedoch nicht von langer Dauer und so wurden die Bauarbeiten in weiterer Folge von weiteren Hürden begleitet.

Yoko Rödel

Wie ging es weiter? Das erfahren Sie im nächsten Teil unserer Reportage-Reihe!

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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