Ein Fausthieb mit Folgen
Teil 6/7
Die deutsche Bauforscherin und Buchautorin Yoko Rödel ist Chefredakteurin der Fachmagazine METALL und COLOR in Wien. Für die AZ wirft sie einen Blick auf die vielschichtige Vergangenheit der Swakopmunder Hafenbauten. Erst kürzlich veröffentlichte sie das Buch „Die Landungsbrücke von Swakopmund", das die Entwicklungsgeschichte jener Anlagen von der Grundsteinlegung bis in die Gegenwart wiedergibt.
Dass die Landungsbrücke der Welt bis heute erhalten blieb, ist keine Selbstverständlichkeit, denn in der Vergangenheit schien sie mehr als einmal dem Tode geweiht.
Als der erste Weltkrieg in Europa im Sommer 2014 ausbrach, merkte man davon in Deutsch-Südwestafrika zunächst nicht viel. Alles ging seinen gewohnten Gang und man war der Annahme, die ,,Störfeuer" in Europa würden sich bald legen. Doch weit gefehlt: bald waren die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges auch im Schutzgebiet stark spürbar – die Waren aus dem Deutschen Reich blieben aus, es herrschte Papierknappheit und die Investitionstätigkeit ging gegen Null. Auch im Bauwesen herrschte Flaute, weshalb der kostenintensive Bau der Landungsbrücke im Jahr 1915 eingestellt wurde. Nach Kriegsende im Jahr 1919 musste das Deutsche Reich gemäß des Versailler Vertrages sämtliche Kolonien an die sogenannten Siegermächte abtreten. Folglich ging das Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika als ,,South West Africa" in die Mandatschaft der Südafrikanischen Union über. Da auch Walvisbay in dem neu gegründeten Protektorat aufging, verlor Swakopmund seinen Status als Hafenstandort. Aus diesem Grund wurde die hölzerne Landungsbrücke von den Südafrikanern bis auf die Pfähle abgetragen (siehe Abbildung). Wohin man das Baumaterial anschließend brachte, ist unbekannt. Da es auf namibischem Boden keinerlei Akten gibt, die in irgendeiner Weise Aufschluss darüber geben, was mit dem Konstruktionsholz der alten Landungsbrücke geschah, tappt die Wissenschaft diesbezüglich im Dunkeln. Das muss so freilich nicht bleiben. Möglicherweise liegt in irgendeinem afrikanischen Archiv ein Fundus, der noch immer auf seine Entdeckung wartet – doch für den Moment verliert sich hier die Spur.
Zurück zur Jetty
In den zwanziger Jahren wurde die Brücke zu einer Promenade für Fußgänger umgebaut. Nach den Umbauarbeiten war es jedoch in den dreißiger Jahren längs des Bauwerks zu dem Phänomen einer Sandverschiebung gekommen, durch welches das Bauwerk zeitweise sogar auf dem Trockenen stand. Ursächlich hierfür waren die außergewöhnlich großen Wassermassen, die der Swakop zu dieser Zeit (ausgelöst durch starke Regenfälle) führte. Weit vor dem Bauwerk bildete sich eine lange Sandbank – doch binnen weniger Monate kehrte das Meer schließlich zur alten Strandlinie zurück. Währenddessen hatte sich Swakopmund zu einem beliebten Erholungsort entwickelt und so gewann auch die Jetty kulturell an Bedeutung. Jedoch waren nach den erwähnten Umbauarbeiten keinerlei Maßnahmen für einen Erhalt des Bauwerks unternommen worden. Hierdurch war die Brücke Anfang der 1980er Jahre dereart baufällig geworden, dass man mit dem Schlimmsten rechnen musste (nämlich mit einem vollständigen Abriss). Unter dem Motto ,,Save the Jetty!" wurde eine beispiellose Spendenaktion gestartet, die es ermöglichte, die Brücke unter der Leitung des Tiefbauunternehmens Murray & Stewart zu sanieren. Hierbei mussten teilweise stark durchrostete Bauteile durch Beton – beziehungsweise Stahlbeton – ersetzt werden. Jener Eingriff hatte massive Folgen, da hierdurch ein großer Teil der historischen Bausubstanz unwiderruflich verloren ging. Nichtdestotrotz zwar es dadurch gelungen, die Stabilität des Tragwerks für mehrere Jahre wiederherzustellen.
Noch heute erscheint es wie ein Wunder, dass die Brücke trotz der zahlreichen Baumängel von Grund auf saniert werden konnte. Dass dies gelang, war nicht nur das Ergebnis einer landesweiten Spendenaktion, sondern auch auf das Engagement des damaligen Swakopmunder Bürgermeisters Jörg Henrichsen zurückzuführen – denn ein Abriss der Jetty stand für ihn zu keiner Zeit zur Debatte. Dank seines Engagements wurde die Konstruktion umfangreich saniert und bereits im Dezember 1986 feierlich wiedereröffnet. Auch nach Abschluss der Sanierungsarbeiten fühlte sich Henrichsen dazu verpflichtet, regelmäßig auf der Brücke nach dem Rechten zu sehen – schließlich gab es nach der Wiedereröffnung der Jetty eine Reihe von Nutzungsvorschriften: Um einer Verschmutzung des Bauwerks vorzubeugen, war das Angeln nur noch an einer bestimmten Stelle auf der Brücke gestattet. Darauf hatte Henrichsen anlässlich der Wiedereröffnung der Jetty explizit hingewiesen. Er ermahnte die Angler, sich gefälligst an die Nutzungsvorschriften zu halten, da es ansonsten,,mächtig Ärger" gebe. Dass er seiner Drohung einmal Taten folgen lassen würde, ahnte zu jenem Zeitpunkt noch niemand. Der Zufall wollte es, dass Henrichsen im April 1988 (mittlerweile Bürgermeister a. D.) einen Swakopmunder dabei erwischte, wie dieser ungeschickterweise direkt neben dem Verbotsschild angelte. Henrichsen geriet daraufhin derart in Rage, sodass er den Übeltäter mit einem Fausthieb niederstreckte. Jene Auseinandersetzung blieb natürlich nicht ohne Folgen. Wer jedoch denkt, Henrichsen sei daraufhin auf Schmerzensgeld verklagt worden, der liegt falsch! Vielmehr beschloss der Stadtrat, das Angeln auf der Brücke gänzlich zu verbieten.
Qualität entsprach nicht den Anforderungen
Nach jenem Beschluss wurde die Brücke ausschließlich als Promenade genutzt. Trotz der umfangreichen Sanierungsmaßnahmen während der 1980er Jahre, war die Jetty wenige Jahre später wieder in einem derart desolaten Zustand, sodass das Bauwerk erneut gesperrt werden musste. Daran zeigte sich einerseits, dass die Qualität der an der Brücke durchgeführten Bauhandlungen insgesamt nicht den Anforderungen an das Tragwerk entsprach – natürlich trugen die starke Brandung und die insgesamt herausfordernden Witterungsbedingungen noch ihr Übriges dazu bei. Wie dem auch sei: Die Brücke war wieder einmal baufällig und jetzt brauchte es weit mehr, um sie zu retten. Jedoch nahm man erst viele Jahre später eine Reaktivierung des Bauwerks in Angriff: Im Jahr 2005 wurden die Dokumente für eine öffentliche Ausschreibung aufgesetzt. Laut der Unterlagen war für die Sanierung des Bauwerks ein Budget von lediglich 4,2 Millionen Rand vorgesehen worden. Den Zuschlag für die Sanierung erhielten schließlich die Walfischbuchter Unternehmen Kraatz Marine und B-4 Engineering and Diving. Anfänglich wurde aus Kostengründen lediglich die Sanierung des ersten Brückenabschnittes in Betracht gezogen – nachdem der Swakopmunder Unternehmer Quinton Liebenberg in das Projekt eingestiegen war, wurde folglich auch die Standfestigkeit des Brückenkopfes wiederhergestellt und eine Plattform samt eines Restaurants auf ihm errichtet. Obwohl durch die Baumaßnahmen erneut viel von der originalen Bausubstanz verloren ging, war es hiermit immerhin gelungen, den Brückenkopf beinahe vollständig zu erhalten – was keineswegs selbstverständlich ist, wenn man bedenkt, dass die Brücke seinerzeit bereits über hundert Jahre alt war. Auch der leitende Ingenieur der letzten Sanierungsmaßnahmen Martin Laubscher zeigt sich beeindruckt: „Das Material, das die Deutschen damals verbaut haben, war von höchster Qualität. Das ist mit nichts zu vergleichen, was wir heutzutage an Werkstoffen auf den Baustellen vorfinden. Ich ziehe meinen Hut vor diesen Leuten. Sie wussten wirklich, was sie taten!" Yoko Rödel
Wie ging es weiter? Das erfahren Sie im nächsten Teil unserer Reportage-Reihe!
Als der erste Weltkrieg in Europa im Sommer 2014 ausbrach, merkte man davon in Deutsch-Südwestafrika zunächst nicht viel. Alles ging seinen gewohnten Gang und man war der Annahme, die ,,Störfeuer" in Europa würden sich bald legen. Doch weit gefehlt: bald waren die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges auch im Schutzgebiet stark spürbar – die Waren aus dem Deutschen Reich blieben aus, es herrschte Papierknappheit und die Investitionstätigkeit ging gegen Null. Auch im Bauwesen herrschte Flaute, weshalb der kostenintensive Bau der Landungsbrücke im Jahr 1915 eingestellt wurde. Nach Kriegsende im Jahr 1919 musste das Deutsche Reich gemäß des Versailler Vertrages sämtliche Kolonien an die sogenannten Siegermächte abtreten. Folglich ging das Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika als ,,South West Africa" in die Mandatschaft der Südafrikanischen Union über. Da auch Walvisbay in dem neu gegründeten Protektorat aufging, verlor Swakopmund seinen Status als Hafenstandort. Aus diesem Grund wurde die hölzerne Landungsbrücke von den Südafrikanern bis auf die Pfähle abgetragen (siehe Abbildung). Wohin man das Baumaterial anschließend brachte, ist unbekannt. Da es auf namibischem Boden keinerlei Akten gibt, die in irgendeiner Weise Aufschluss darüber geben, was mit dem Konstruktionsholz der alten Landungsbrücke geschah, tappt die Wissenschaft diesbezüglich im Dunkeln. Das muss so freilich nicht bleiben. Möglicherweise liegt in irgendeinem afrikanischen Archiv ein Fundus, der noch immer auf seine Entdeckung wartet – doch für den Moment verliert sich hier die Spur.
Zurück zur Jetty
In den zwanziger Jahren wurde die Brücke zu einer Promenade für Fußgänger umgebaut. Nach den Umbauarbeiten war es jedoch in den dreißiger Jahren längs des Bauwerks zu dem Phänomen einer Sandverschiebung gekommen, durch welches das Bauwerk zeitweise sogar auf dem Trockenen stand. Ursächlich hierfür waren die außergewöhnlich großen Wassermassen, die der Swakop zu dieser Zeit (ausgelöst durch starke Regenfälle) führte. Weit vor dem Bauwerk bildete sich eine lange Sandbank – doch binnen weniger Monate kehrte das Meer schließlich zur alten Strandlinie zurück. Währenddessen hatte sich Swakopmund zu einem beliebten Erholungsort entwickelt und so gewann auch die Jetty kulturell an Bedeutung. Jedoch waren nach den erwähnten Umbauarbeiten keinerlei Maßnahmen für einen Erhalt des Bauwerks unternommen worden. Hierdurch war die Brücke Anfang der 1980er Jahre dereart baufällig geworden, dass man mit dem Schlimmsten rechnen musste (nämlich mit einem vollständigen Abriss). Unter dem Motto ,,Save the Jetty!" wurde eine beispiellose Spendenaktion gestartet, die es ermöglichte, die Brücke unter der Leitung des Tiefbauunternehmens Murray & Stewart zu sanieren. Hierbei mussten teilweise stark durchrostete Bauteile durch Beton – beziehungsweise Stahlbeton – ersetzt werden. Jener Eingriff hatte massive Folgen, da hierdurch ein großer Teil der historischen Bausubstanz unwiderruflich verloren ging. Nichtdestotrotz zwar es dadurch gelungen, die Stabilität des Tragwerks für mehrere Jahre wiederherzustellen.
Noch heute erscheint es wie ein Wunder, dass die Brücke trotz der zahlreichen Baumängel von Grund auf saniert werden konnte. Dass dies gelang, war nicht nur das Ergebnis einer landesweiten Spendenaktion, sondern auch auf das Engagement des damaligen Swakopmunder Bürgermeisters Jörg Henrichsen zurückzuführen – denn ein Abriss der Jetty stand für ihn zu keiner Zeit zur Debatte. Dank seines Engagements wurde die Konstruktion umfangreich saniert und bereits im Dezember 1986 feierlich wiedereröffnet. Auch nach Abschluss der Sanierungsarbeiten fühlte sich Henrichsen dazu verpflichtet, regelmäßig auf der Brücke nach dem Rechten zu sehen – schließlich gab es nach der Wiedereröffnung der Jetty eine Reihe von Nutzungsvorschriften: Um einer Verschmutzung des Bauwerks vorzubeugen, war das Angeln nur noch an einer bestimmten Stelle auf der Brücke gestattet. Darauf hatte Henrichsen anlässlich der Wiedereröffnung der Jetty explizit hingewiesen. Er ermahnte die Angler, sich gefälligst an die Nutzungsvorschriften zu halten, da es ansonsten,,mächtig Ärger" gebe. Dass er seiner Drohung einmal Taten folgen lassen würde, ahnte zu jenem Zeitpunkt noch niemand. Der Zufall wollte es, dass Henrichsen im April 1988 (mittlerweile Bürgermeister a. D.) einen Swakopmunder dabei erwischte, wie dieser ungeschickterweise direkt neben dem Verbotsschild angelte. Henrichsen geriet daraufhin derart in Rage, sodass er den Übeltäter mit einem Fausthieb niederstreckte. Jene Auseinandersetzung blieb natürlich nicht ohne Folgen. Wer jedoch denkt, Henrichsen sei daraufhin auf Schmerzensgeld verklagt worden, der liegt falsch! Vielmehr beschloss der Stadtrat, das Angeln auf der Brücke gänzlich zu verbieten.
Qualität entsprach nicht den Anforderungen
Nach jenem Beschluss wurde die Brücke ausschließlich als Promenade genutzt. Trotz der umfangreichen Sanierungsmaßnahmen während der 1980er Jahre, war die Jetty wenige Jahre später wieder in einem derart desolaten Zustand, sodass das Bauwerk erneut gesperrt werden musste. Daran zeigte sich einerseits, dass die Qualität der an der Brücke durchgeführten Bauhandlungen insgesamt nicht den Anforderungen an das Tragwerk entsprach – natürlich trugen die starke Brandung und die insgesamt herausfordernden Witterungsbedingungen noch ihr Übriges dazu bei. Wie dem auch sei: Die Brücke war wieder einmal baufällig und jetzt brauchte es weit mehr, um sie zu retten. Jedoch nahm man erst viele Jahre später eine Reaktivierung des Bauwerks in Angriff: Im Jahr 2005 wurden die Dokumente für eine öffentliche Ausschreibung aufgesetzt. Laut der Unterlagen war für die Sanierung des Bauwerks ein Budget von lediglich 4,2 Millionen Rand vorgesehen worden. Den Zuschlag für die Sanierung erhielten schließlich die Walfischbuchter Unternehmen Kraatz Marine und B-4 Engineering and Diving. Anfänglich wurde aus Kostengründen lediglich die Sanierung des ersten Brückenabschnittes in Betracht gezogen – nachdem der Swakopmunder Unternehmer Quinton Liebenberg in das Projekt eingestiegen war, wurde folglich auch die Standfestigkeit des Brückenkopfes wiederhergestellt und eine Plattform samt eines Restaurants auf ihm errichtet. Obwohl durch die Baumaßnahmen erneut viel von der originalen Bausubstanz verloren ging, war es hiermit immerhin gelungen, den Brückenkopf beinahe vollständig zu erhalten – was keineswegs selbstverständlich ist, wenn man bedenkt, dass die Brücke seinerzeit bereits über hundert Jahre alt war. Auch der leitende Ingenieur der letzten Sanierungsmaßnahmen Martin Laubscher zeigt sich beeindruckt: „Das Material, das die Deutschen damals verbaut haben, war von höchster Qualität. Das ist mit nichts zu vergleichen, was wir heutzutage an Werkstoffen auf den Baustellen vorfinden. Ich ziehe meinen Hut vor diesen Leuten. Sie wussten wirklich, was sie taten!" Yoko Rödel
Wie ging es weiter? Das erfahren Sie im nächsten Teil unserer Reportage-Reihe!
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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