Save the Jetty!
Die Landungsbrücke von Swakopmund ist eines der bekanntesten Wahrzeichen Namibias. Seit mehr als hundert Jahren hält sie nun schon Wind und Wellen stand – doch wie lange noch?
„Windhoek works“, so sagt man. An manch anderen Tagen sollte es jedoch vielmehr „Windhoek hurts“ heißen – das gilt insbesondere dann, wenn die gleisende Dezembersonne die Temperaturen dort in biblische Höhen schnellen lässt. In diesem Fall gibt es drei Optionen: Freeze, Fight or Flight: Ersteres besagt die ausnahmslose Kapitulation. Wer in diesen Breitengraden überleben möchte, ist damit jedoch schlecht beraten. Kommen wir also zur zweiten Möglichkeit: In diesem Fall kämpft man mit den Pavianen um die letzten verbliebenen Schattenplätze. Das klingt strapaziös – und das ist es auch. Schließlich bleibt nur noch die Flucht nach vorne: In diesem Fall setzt sich eine nicht enden-wollende Bakkie-Karawane gen Swakopmund in Bewegung. Dort lässt es sich, sofern kein Ostwind weht, noch gut aushalten. In der „deutschesten Stadt südlich des Äquators“ herrscht insbesondere in den Sommermonaten Hochkonjunktur. In Anbetracht des allgemeinen Ansturms ist man daher gut beraten, sich im Dunst des Morgengrauens einen „Platz an der Sonne“ am Molenstrand zu sichern. Jenes Zitat kommt nicht von ungefähr. Hierbei handelt es sich um die wohl bekannteste Metapher des ehemaligen deutschen Reichskanzlers Bernhard von Bülow. Jene Wortprägung stammte aus einer am 6. Dezember 1897 gehaltenen Reichstagsrede, in welcher von Bülow das Expansionsbestreben des Deutschen Reiches gegenüber Kolonialskeptikern verteidigte. Was viele nicht wissen: Zur Jahrhundertwende verfügten die Deutschen über das flächenmäßig drittgrößte Kolonialreich der Erde. Den Anfang machte das im Jahr 1884 gegründete „Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika“, an dessen Stelle sich das heutige Namibia befindet.
Bauwerk mit Tragweite
Jenes Gebiet war mit einer Fläche von mehr als 800 000 Quadratkilometern fast anderthalbmal so groß wie das Deutsche Reich und ferner die einzige deutsche Kolonie, in der sich eine nennenswerte Anzahl weißer Siedler niederließ. Aus diesem Grund findet sich dort bis heute die größte Anzahl deutscher Kolonialbauwerke. Eines der wohl bekanntesten unter ihnen ist die Landungsbrücke von Swakopmund, kurz „Jetty“. Jene ehemalige Landungsanlage gilt heute als ein Wahrzeichen des Landes. Ihre Historie ist so vielschichtig wie die Vergangenheit Namibias selbst: Nachdem die Brandungsboote nach Gründung des Schutzgebietes mehrere Jahre lang unter abenteuerlichsten Umständen nördlich der Swakopmündung gelandet werden mussten, entschloss sich die deutsche Regierung gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts für den Bau einer Hafenmole, welche jedoch kurz nach ihrer Eröffnung im Jahr 1903 versandete. Ab 1904 wurde in zwei Jahren Bauzeit eine hölzerne Landungsbrücke errichtet, doch bald stellte sich heraus, dass sich der Bohrwurm in das Konstruktionsholz eingenistet hatte und dieses binnen kürzester Zeit baufällig werden ließ. Nachdem die Mole in den Sand gesetzt und der Bohrwurm der Holzbrücke den Garaus bereitet hatte, wurde der Bau einer eisernen Landungsbrücke beschlossen. Nach ihrer Grundsteinlegung im Jahr 1911 und mehreren Baustopps kamen die Bauarbeiten mit Ausbruch des ersten Weltkrieges im Jahr 1914 vorzeitig zum Erliegen. Bis zu jenem Zeitpunkt war es gelungen 262,4 Meter der Brücke zu realisieren. Damit hatte das Bauwerk lediglich ein Drittel der ursprünglich geplanten Länge von über 600 Metern erreicht. Nachdem das Gebiet im Jahr 1919 als „Southwest Afrika“ unter die Mandatschaft der Südafrikanischen Union gestellt wurde, wurde die „Jetty“ zur Promenade umgebaut und entwickelte sich seitdem zu einem beliebten Ausflugsziel.
Der Zahn der Zeit
In den 1980er Jahren wurde die erste Sanierung des Bauwerks durchgeführt, da insbesondere das Tragwerk im Bereich des Ufers starke Korrosion aufwies. Nach weiteren Renovierungsmaßnahmen ab dem Jahr 2006 wurde auch der Brückenkopf saniert. In der Nahaufnahme zeigt sich, dass jener Abschnitt nahezu im Original erhalten ist – und das obwohl die eisernen Profile der „Jetty“ seit über hundert Jahren permanent dem Meerwasser ausgesetzt sind. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Landungsbrücke von Swakopmund weit mehr ist als ein Kolonialbauwerk, sondern ferner eine bemerkenswerte Referenz der Technikgeschichte: Neben ihrer besonderen ästhetischen Erscheinung, besticht sie vor allem wegen ihrer überragenden materiellen Beschaffenheit, weshalb sie als ein besonders schützenswertes Denkmalobjekt Namibias zu werten ist. Nicht zuletzt deswegen wurde im vergangenen Jahr die Initiative „Save the Jetty“ gegründet, welche sich für einen Erhalt der Landungsbrücke einsetzt. Die Hoffnung ist groß, dass dadurch das Bauwerk als historisches Manifest Namibias auch nachfolgenden Generationen erhalten bleibt und durch dessen visuelle Präsenz auch in Zukunft einen Beitrag für eine konstruktiv-kritische Erinnerungskultur leisten wird.
Yoko Rödel
INFOKASTEN:
„Save the Jetty“
Die Initiative trifft sich für einen Erhalt der Jetty ein. Interessenten können sich jederzeit per Mail an die Vorsitzende Yoko Rödel wenden.
E-Mail: [email protected]
Bauwerk mit Tragweite
Jenes Gebiet war mit einer Fläche von mehr als 800 000 Quadratkilometern fast anderthalbmal so groß wie das Deutsche Reich und ferner die einzige deutsche Kolonie, in der sich eine nennenswerte Anzahl weißer Siedler niederließ. Aus diesem Grund findet sich dort bis heute die größte Anzahl deutscher Kolonialbauwerke. Eines der wohl bekanntesten unter ihnen ist die Landungsbrücke von Swakopmund, kurz „Jetty“. Jene ehemalige Landungsanlage gilt heute als ein Wahrzeichen des Landes. Ihre Historie ist so vielschichtig wie die Vergangenheit Namibias selbst: Nachdem die Brandungsboote nach Gründung des Schutzgebietes mehrere Jahre lang unter abenteuerlichsten Umständen nördlich der Swakopmündung gelandet werden mussten, entschloss sich die deutsche Regierung gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts für den Bau einer Hafenmole, welche jedoch kurz nach ihrer Eröffnung im Jahr 1903 versandete. Ab 1904 wurde in zwei Jahren Bauzeit eine hölzerne Landungsbrücke errichtet, doch bald stellte sich heraus, dass sich der Bohrwurm in das Konstruktionsholz eingenistet hatte und dieses binnen kürzester Zeit baufällig werden ließ. Nachdem die Mole in den Sand gesetzt und der Bohrwurm der Holzbrücke den Garaus bereitet hatte, wurde der Bau einer eisernen Landungsbrücke beschlossen. Nach ihrer Grundsteinlegung im Jahr 1911 und mehreren Baustopps kamen die Bauarbeiten mit Ausbruch des ersten Weltkrieges im Jahr 1914 vorzeitig zum Erliegen. Bis zu jenem Zeitpunkt war es gelungen 262,4 Meter der Brücke zu realisieren. Damit hatte das Bauwerk lediglich ein Drittel der ursprünglich geplanten Länge von über 600 Metern erreicht. Nachdem das Gebiet im Jahr 1919 als „Southwest Afrika“ unter die Mandatschaft der Südafrikanischen Union gestellt wurde, wurde die „Jetty“ zur Promenade umgebaut und entwickelte sich seitdem zu einem beliebten Ausflugsziel.
Der Zahn der Zeit
In den 1980er Jahren wurde die erste Sanierung des Bauwerks durchgeführt, da insbesondere das Tragwerk im Bereich des Ufers starke Korrosion aufwies. Nach weiteren Renovierungsmaßnahmen ab dem Jahr 2006 wurde auch der Brückenkopf saniert. In der Nahaufnahme zeigt sich, dass jener Abschnitt nahezu im Original erhalten ist – und das obwohl die eisernen Profile der „Jetty“ seit über hundert Jahren permanent dem Meerwasser ausgesetzt sind. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Landungsbrücke von Swakopmund weit mehr ist als ein Kolonialbauwerk, sondern ferner eine bemerkenswerte Referenz der Technikgeschichte: Neben ihrer besonderen ästhetischen Erscheinung, besticht sie vor allem wegen ihrer überragenden materiellen Beschaffenheit, weshalb sie als ein besonders schützenswertes Denkmalobjekt Namibias zu werten ist. Nicht zuletzt deswegen wurde im vergangenen Jahr die Initiative „Save the Jetty“ gegründet, welche sich für einen Erhalt der Landungsbrücke einsetzt. Die Hoffnung ist groß, dass dadurch das Bauwerk als historisches Manifest Namibias auch nachfolgenden Generationen erhalten bleibt und durch dessen visuelle Präsenz auch in Zukunft einen Beitrag für eine konstruktiv-kritische Erinnerungskultur leisten wird.
Yoko Rödel
INFOKASTEN:
„Save the Jetty“
Die Initiative trifft sich für einen Erhalt der Jetty ein. Interessenten können sich jederzeit per Mail an die Vorsitzende Yoko Rödel wenden.
E-Mail: [email protected]
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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