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Flaggenhissung in Angra Pequena am 7. August 1884
Flaggenhissung in Angra Pequena am 7. August 1884

Von Angra Pequena zu Lüderitzland – die Vorgeschichte (Teil 4/4)

Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jährige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurz entschlossen hatte er das Angebot angenommen, sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormem Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitzens letzte Hoffnung, aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
5. Folge

Die Angra Pequena-Diskussion hatte zwischenzeitlich auch auf außenpolitisch-diplomatischer Ebene Fahrt aufgenommen. Am 10. November 1883 hatte Bismarck den deutschen Geschäftsträger in London angewiesen, jetzt mit aller Deutlichkeit die bereits mehrfach gestellte Anfrage zu wiederholen, „ob England seinerseits Ansprüche auf das Gebiet von Angra Pequena mache und wenn ja, auf welche Titel sich dieser Anspruch gründete“. Die Antwort des britischen Außenministers Lord Granville kam dieses Mal relativ schnell und sie war durch den zu dieser Zeit in London weilenden Premierminister der Kapkolonie Thomas Scanlen beeinflusst. Obwohl der britische Souveränitätsanspruch nicht längs der ganzen Küste, sondern nur für bestimmte Punkte wie Walfish Bay oder den Inseln vor Angra Pequena proklamiert sei, so sei die britische Regierung doch der Ansicht, dass Souveränitäts- oder Jurisdiktionsansprüche einer fremden Macht zwischen der südlichen Grenze der portugiesischen Oberhoheit und der Grenze der Kapkolonie in ihre legitimen Rechte eingreifen würde. Es ließe sich aber ermöglichen, dass deutsche Kaufleute an der Besiedlung von Angra Pequena teilhaben könnten. Diese als „afrikanische Monroedoktrin“ interpretierte Stellungnahme war für Bismarck nicht akzeptabel. Die außenpolitischen Voraussetzungen, England in dieser Angelegenheit die Stirn zu bieten, waren günstig. Mit den Konflikten in Ägypten und im Sudan sowie der Konkurrenzsituation mit Russland in Zentralasien hatte London bereits schwerwiegende Probleme. Die folgende Entwicklung zeigt, dass es nicht bereit war, einen weiteren Konfliktherd anzufachen.

Als Lüderitz am 14. März 1884 nach Deutschland zurückkam und sich vier Tage später im Auswärtigen Amt meldete, um die Kaufverträge zu überreichen, hatte er erstmals das Gefühl, von dort Unterstützung erwarten zu können. Er wurde jetzt sogar ermutigt, die ganze südwestafrikanische Küste in einer Tiefe von 20 geographischen Meilen zu erwerben. Mit dem Kauf weiterer Gebiete war es aber nicht getan. Die Frage der Hoheitsrechte musste ein für allemal geklärt werden und es war Eile geboten. Kapitän Aschenborn von der Nautilus hatte nach Berlin berichtet, dass die Kapregierung höchstwahrscheinlich nicht nur „Lüderitzland“, sondern die gesamte Südwestküste Afrikas bis hinauf zu den portugiesischen Besitzungen annektieren wolle.

Am 19. April hatte Lüderitz die Gelegenheit, Bismarck persönlich vorzutragen. Die für ihn günstig und sehr konstruktiv verlaufene Unterredung und eine von Bismarck angeforderte Denkschrift, in der Lüderitz nochmals einen offiziellen Antrag auf Reichsschutz stellte und seine Vorstellungen von der Organisation des künftigen Schutzgebietes umriss, mögen wohl den letzten Anstoß zum entscheidenden, an den deutschen Konsul in Kapstadt gerichteten Telegramm vom 24. April 1884 gegeben haben: „Nach Mitteilungen des Herrn Lüderitz zweifeln die Kolonialbehörden, ob seine Erwerbungen nördlich des Oranjeflusses auf deutschen Schutz Anspruch haben. Sie wollen amtlich erklären, dass er und seine Niederlassungen unter dem Schutz des Reiches stehen“. Dieses Telegramm, das der britischen Regierung zur Kenntnis gebracht und einige Zeit später in der Presse veröffentlicht wurde, gilt als der entscheidende Wendepunkt in der Bismarckschen Kolonialpolitik.

Trotz erheblichen Widerstandes der Kapregierung gab die britische Regierung schließlich nach und fasste am 21. Juni 1884 den Beschluss, die Schutzherrschaft des Deutschen Reiches über Angra Pequena anzuerkennen. Dies hinderte allerdings das britische Kolonialamt und die Kapregierung nicht daran, weiterhin eigenmächtig die Annexion des südwestafrikanischen Küstenstreifens mit Ausnahme von Angra Pequena anzustreben. Die deutsche Regierung war aber jetzt fest entschlossen, diesen Bestrebungen zuvorzukommen und ein deutliches Zeichen zu setzen. Am 7. August 1884 wurde in der Bucht von Angra Pequena offiziell die Reichsflagge gehisst. Gleichzeitig stellte der Kapitän der Korvette Elisabeth, Rudolf Schering, im Beisein eines zweiten deutschen Kriegsschiffes, der SMS Leipzig, die Lüderitzschen Besitzungen „ unter den Schutz und die Oberherrlichkeit seiner Majestät des Kaisers Wilhelm I“.

Kurz darauf wurde auch der Küstenstreifen nördlich des 26. Breitengrades bis zum Kap Frio unter Ausschluss der Walfischbai unter kaiserliche Schutzherrschaft genommen. Beide Handlungen wurden von der britischen Regierung hingenommen. Sie folgte auch dem deutschen Vorschlag, zur Klärung strittiger Fragen eine gemeinsame Kommission einzusetzen.

In der Folgezeit ging es für die deutsche Regierung vorrangig darum, sich auch das Hinterland des in Schutzherrschaft genommenen Küstenstreifens rechtlich zu sichern. Dies geschah durch den Abschluss von „Schutz- und Freundschaftsverträgen“ mit den verschiedenen Eingeborenenhäuptlingen, wobei im Gegensatz zu den Kaufverträgen der Firma Lüderitz das Deutsche Reich als Vertragspartner auftreten musste. Hierzu war es erforderlich, offizielle Regierungsvertreter zu ernennen und zu ermächtigen. So wurde der bekannte Afrikaforscher Gustav Nachtigal, der bereits seit 1882 Generalkonsul in Tunis war, zum „Reichskommissar für Westafrika“ ernannt. Damit war er auch für Südwestafrika zuständig. Zu seiner Unterstützung ernannte er Heinrich Vogelsang zum Konsul des Bezirks Bethanien und Vertreter der kaiserlichen Regierung in Lüderitzland. Damit erhielt dieser neben seiner Beauftragung als Bevollmächtigter der Firma Lüderitz eine amtliche Funktion und die Vollmacht, mit den Häuptlingen der Region nicht nur Kauf- sondern auch Schutzverträge abzuschließen .

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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