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Machen Deutsche es tatsächlich besser?

Seit 2010 ist unter Engländern in Britannien sowie dem Publikum der Universität von Kapstadt (UCT) ein merkliches Interesse am Werdegang der Geschichte Deutschlands entstanden.
Neben dem Band von Kampfner, der hier vorgestellt wird, mit dem Titel „Why the Germans do it better“ – ein Titel, den sich kein deutscher Autor erlauben würde – stand bei der Bücherauslage am Rand der diesjährigen Summer School in Kapstadt noch ein dicker Band auf dem Regal, 970 Seiten: „The German Genius“, erschienen 2010, von Peter Watson, ehemals Redakteur der britischen Sunday Times. Und bei der UCT Summer School Januar 2024 hatte der bekannte Alt-Historiker Prof. Chris Danziger bei einer Folge von fünf Vorträgen unter dem Titel „Metternich to Merkel: The search for German Identity “ stets einen vollen Hörsaal. Danziger hatte das Thema allerdings weit vor Metternich aufgerollt - von Arminius (Hermann) und den Römern bis in die Gegenwart. Das sachliche Niveau dieser Quellen unterscheidet sich wohltuend von der englischen Boulevard-Presse und den Sportschreibern bei Fußball-Länderspielen, wo das Image der Deutschen mit Klischees vergangener Kriegspropaganda und dem Hakenkreuz ausgeschmückt wird.

Text entstand vor der Ampelregierung als Kriegspartei

Kampfner ist ein preisgekrönter Autor, Fernsehmoderator und Kommentator der Außenpolitik. Seine journalistische Karriere begann in Ost-Berlin unter dem DDR-Regime. Den meisten Stoff mit beeindruckender Detailkenntnis für das vorliegende Buch hat er allerdings während der Jahre bis 2020 zusammengetragen, als er in der Ära Merkel britischer Korrespondent in Deutschland war. Bei Abschluss des Buches war bereits bekannt, dass Kanzlerin Merkel aus ihrem Amt ausscheiden würde. Scholz als Nachfolger war noch nicht im Gespräch und der russische Überfall auf die Ukraine sowie der Israel-Gaza-Krieg standen noch nicht in der Zeitkulisse. An der Stelle drängt sich die Frage auf, ob Kampfner im Hinblick auf die Ampelregierung und ihre Vasallentreue als Kriegspartei der USA auf den zwei Kriegsschauplätzen den Buchtitel geändert hätte. Das bleibt hier der Spekulation überlassen.

Der Autor vermischt persönliche Beurteilung, Reisen, Anekdoten in ansprechendem Stil mit detaillierter Recherche; zum Beispiel, wie die Deutschen im Gegensatz zu England, Frankreich und den USA mit der Corona-Epidemie umgegangen sind. In seinen Augen viel besser als die Vergleichsländer. Was deutschsprachige Leser erstaunt, ist seine positive Einschätzung des demokratischen Regierungsstils unter Merkel, den er als stabilisierend und krisenfester beurteilt als den westeuropäischer Nachbarn. Er meint, Britannien sollte sich an den demokratischen Gepflogenheiten Deutschlands etwas abschneiden. Er schildert anhand neuer Schwierigkeiten, wie Britannien sich in vielen Bereichen durch den Brexit selbst benachteiligt.

Verspäteter Anschluss

Selbstverständlich kommt anfangs der phänomenale Wiederaufau nach dem 2. Weltkrieg in den Brennpunkt, als West-Deutschland binnen weniger Jahre auf der Bahn des Wirtschaftswunders die „Siegermächte“ Frankreich und Britannien überrundete. Der Autor behandelt ferner die Klima- und Ökopolitik und stellt fest, dass kein anderes Land in dem Bereich mehr Forschung betreibt und mehr Personal beschäftigt als Deutschland. Die umstrittene Willkommenskultur für Migranten und Flüchtlinge kommt an die Reihe mit der Bemerkung, dass solch Empfang für Migranten in keinem anderen Land denkbar sei.

Er bemängelt, dass die systematisichen Deutschen den zeitigen Einstieg in die Entfaltung der Künstlichen Intelligenz und die Entwicklung des E-Autos verschlafen hätten, derweil sie ansonsten die unbestrittene Führung in der Automobilindustrie behaupteten. Er ist erstaunt, wie VW seine Abgasaffäre mit 11 Millionen betroffenen Wagen überstanden hat und dafür in mehreren Ländern Bußgelder zahlen musste, die sich auf insgesamt 30 Milliarden Euro belaufen. Die Deutschen hätten ihre Rolle als „Zahlmeister Europas“ ohnehin akzeptiert, meint der Autor.

Stellenwert der Kultur

Kampfner beschreibt ferner die umfassende Kulturförderung der Bundesländer sowie das Interesse der Menschen im Allgemeinen an der Kultur. Einen merklichen Unterschied zwischen Deutschen und Engländern schildert er am Rande. Als der Premier Cameron Berlin besucht und mit Merkel speist, fragt sie ihn, was er ihr wohl (im Kulturbereich) empfehle, sollte sie nach London kommen. Cameron stotterte, schreibt Kampfner, abends schaue er eher fern.

Was den Band auszeichnet ist Kampfers Kenntnis der Details und der Nuancen in der Existenz der Deutschen. Am Ende zitiert er enttäuschte deutsche Stimmen, dass in Brexit-Britannien die frühere „tolerante, innovative, mitleidsvolle, offene englische Gesellschaft“, die als Vorbild diente, nicht mehr bestehe. Als liberale Demokratie müsse Deutschland in Europa die Vorbildrolle übernehmen.

Hier liegt ein anregendes Stück Zeitgeschichte vor.

Eberhard Hofmann

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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