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Mit breiten Schultern solide auf dem Boden

Martti Oiva Kalevi Ahtisaari wurde am 23. Juni 1937 in Viiburi, jetzt Wyborg, geboren und ist am 16. Oktober 2023 in der finnischen Hauptstadt Helsinki gestorben. Die schmucke von Wasser umgegebene Stadt Wyborg, ursprünglich von Schweden gegründet, liegt in Karelien, ein Landstrich, der abwechselnd verschiedene Herrscher gehabt hat. Bei Ahtisaaris Geburt gehörte die Stadt unter dem Namen Viiburi zu Finnland. Nach dem verlustreichen Russenangriff auf Ost-Finnland vom 30. November 1939 bis 13. März 1940 gehört die Stadt im Einzugsbereich von St. Petersburg zum russichen Staatsgebiet. Den Angriff der Roten Armee auf das finnische Grenzgebiet rechtfertigte das Stalin-Regime aus strategischen Sicherheitsinteressen.

Vertreibung aus der Heimat

Für die Familie Ahtisaari hatte der russische Angriff Vertreibung aus ihrer Heimat zur Folge. Als Flüchtlinge mussten sie im finnischen Kernland neu Fuß fassen. Ahtisaaris Biographen sehen in seiner Jugenderfahrung als Vertriebener den Ursprung für sein späteres – in der diplomatischen und politischen Laufbahn - kontinuierliches Engagement für friedliche Konfliktlösung, wenn nicht Friedensstiftung. Informationsminister Peya Mushelenga hat die Vornamen Ahtisaaris ausgelegt. Der Einfluss der finnischen Mission im früheren Ovamboland hat bis heute unter den Menschen Niederschlag gefunden. Vornamen wie „Oiva“ und „Toivo“ trifft man allgemein unter den Ovambo an. Laut Mushelenga ist „Martti“ katalanisch-spanischen Ursprungs und trägt die Bedeutung „kriegerisch“ (martialisch/kriegerisch), was auf den Friedensvermittler nicht zutrifft. „Oiva“ wird mit „prächtig/splendid“ übersetzt. „Kalevi“ steht für „Held“. Die Finnen von Karelien sind allgemein durch ihren vierschrötigen Körperbau bekannt. Ahtisaari war echter Karelier.

In Namibia haben wir Martti Ahtisaari zum ersten Mal im August 1978 kennen gelernt, denn im April selbigen Jahres hatte Südafrika den Namibia-Lösungsplan der fünf Westmächte - USA, West-Deutschland, Frankreich, Kanada und England - pro forma akzeptiert. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete selbigen Lösungsplan am 29. September 1978 als amtlichen Fahrplan unter dem Titel UN-Resolution 435 für das umstrittene Territorium Südwestafrika, das nach über zwei Jahrzehnten Buschkrieg ,,mittlerer Härte“ friedlich in die Unabhängigkeit geführt werden sollte. Nach Südafrikas Einwilligung, nach dem Lösungsplan zu verfahren, aber schon vor der UN-Resolution 435 schickte UN-Generalsekretär Waldheim seinen Sondergesandten Martti Ahtisaari ins beanspruchte Treuhandgebiet. Zu der Zeit war Ahtisaari UNO-Kommissar für das damalige Südwestafrika, denn die UNO hat wiederholt aber vergeblich die Treuhand-Verwaltung von SWA angestrebt. Diese de facto und de jure-Verwicklung müssen wir jetzt hier nicht weiter verfolgen.

August 1978 in Ovenduka

Martti Ahtisaari kam also im August 1978 zum ersten Mal nach Windhoek angeflogen, begleitet von einem österreichischen Offizier, der die UN-Friedenstruppe befehligen sollte. DTA- und Swapo-Anhänger haben Ahtisaari in riesigen Scharen am internationalen Flughafen Strijdom, heute Hosea Kutako, empfangen und bejubelt. Es ging friedlich. Ein Karikaturist nahm sich Ahtisaaris kolossale Figur vor und ließ eine Figur kommentieren: „Wie´s daai groot oom?“ (Wer is bloß der große Mann?). In Windhoek dachte man: jetzt geht´s los mit der Unabhängigkeit, denn Ahtisaaris Gefolge stellte logistische Untersuchungen an, wie und wo UN-Personal der Verwaltung und die vorgesehene Friedenstruppe untergebracht und aufgestellt werden könnte ... Ahtisaari traf sich mit dem illustren südafrikanischen Generaladministrator Theunis Steyn in Windhoek und in Swakopmund. Aber trotz Akzeptanz des Lösungsplans kam aus Pretoria kein grünes Licht. Ahtisaari musste unverrichteter Dinge wieder abreisen.

Elf unkämpfte Jahre mussten verstreichen, bis Ahtisaari im März 1989 mit voller Befugnis beider Seiten, der UNO und von Südafrika, mit Hilfe des letzten südafrikanischen Statthalters, Adv. Louis Pienaar, an die Durchführung des Lösungsplans gehen konnte. Es herrscht eine umstrittene Meinung vor, wonach Namibia über die elf Jahre Verzögerung sich viel besser auf die Unabhängigkeit im März 1990 hat vorbereiten können, als auf dem Stand von Dezember 1978, als der Kalte Krieg mit eisernem Vorhang noch auf dem Scheitelpunkt stand.

Spannungsreiches Übegangsjahr

Ahtisaari hat im spannungsreichen Übergangsjahr 1989/90 manch Krise bewältigt und geglättet. Die schlimmste war der Grenzübertritt im Norden auf einer Breite von ca 300 km, als voll bewaffnete Guerilla-Trupps der Swapo am 1. April 1989 – Ahtisaari war gerade erst angekommen – sich angeblich auf „befreitem Boden“ niederlassen wollten, wie es später hieß. Der UN-Sondergesandte musste das schier Undenkbare zulassen, bzw. hatte gar keine andere Wahl! Um den formalen Waffenstillstand des 30. März wieder herzustellen, status quo ante bellum, musste er den Apartheids-Erzfeind der Swapo, die Guerilla-Abwehr Koevoet, die in Oshakati, Oshivelo und Grootfontein kasernierte SWA-Territorial-Truppe sowie südafrikanische Militärbefehlshaber wieder einsetzen, um die Krieger, die den vereinbarten Lösungsplan banal verletz hatten, festzunehmen und /oder über die angolanische Grenze zu verscheuchen. Dort mussten sie die Uniform ausziehen und konnten sich in Zivil der Repatriierung stellen.

Manche Swapo-Führer haben Ahtisaari nie verziehen, dass er nicht gegen die Mobilmachungvorgegangen ist, die ab dem 1. April 1989 über gut acht Tage blutige Folgen und Verluste nach sich gezogen hat. Der Sondergesandte hat jedoch seinen Teil dazu beigetragen, dass der fast verunglückte Lösungsplan wieder auf die Fahrbahn kam. In den Nachrufen aus den Reihen der regierenden Partei auf Ahtisaari hat man dieses Tabu-Thema wohlweislich ausgeklammert. Neben vielen Auszeichnungen für andere internationale Friedens- und Vermittlungseinsätze hat Ahtisaari bereits 2008 den Friedensnobelpreis erhalten. Man bewahrt ihm ein ehrendes Angedenken.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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