Die Sicherheit auf See

Von Lennart Stock und Marco Krefting, dpaHamburgRund 1.600 Windkraftanlagen produzieren in der Nord- und Ostsee Strom für Deutschland. Für die Energiewende sollen in den kommenden Jahrzehnten noch viele weitere gebaut werden. Damit steigt auch die Gefahr von Spionage und Sabotage maritimer Energieinfrastrukturen, die spätestens mit der Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines offenbar wurde. Doch wie sind Offshore-Windparks geschützt? Welche Folgen hätte ein Ausfall?Die Bedrohung für ein einzelnes Windrad auf See hält Stefan Thimm eher für gering. Er ist Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO). „Akteure, die solche kritische Infrastruktur sabotieren wollen, werden eher darauf abzielen, eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Die schauen etwa auf die Leitungen und da wissen wir ja inzwischen, wie verwundbar wir sind.“Vor kurzem erst waren in der Ostsee binnen kurzer Zeit Schäden an zwei Kommunikationskabeln festgestellt worden. Die schwedische Polizei ermittelt wegen möglicher Sabotage. Im Fokus: ein chinesischer Frachter, der die beiden Orte der Kabelbrüche passiert haben soll. Auch in Windparks werden immer wieder Schiffe entdeckt, die dort nichts zu suchen haben - etwa aus Russland.Bundesamt: Bedrohungslage seit Angriff auf Ukraine verschärftWenn Drohnen oder Schiffe in Windparks auf See gesichtet werden, muss das nicht sogleich gefährlich sein. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe spricht von einer «abstrakten Gefährdung». „Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich diese Bedrohungslage noch einmal deutlich verschärft“, sagt eine Sprecherin der Behörde.Das Bundesamt erläutert, für den Schutz von Anlagen kritischer Infrastrukturen seien in erster Linie die Betreiber verantwortlich. Zugleich sei es eine gesamtstaatliche Aufgabe, bei der Bund, Länder und Kommunen eng auch mit den Betreibern zusammenarbeiteten.Windparkbetreiber sehen Handlungsbedarf bei ÜberwachungDiese seien grundsätzlich bereit, etwa Daten zum Zweck der Überwachung zu teilen, sagt BWO-Geschäftsführer Thimm. „Aber was wir nicht leisten können, ist, die Windkraftanlagen zu schützen. Wir haben keine bewaffneten Truppen. Unsere Service-Techniker werden nicht an der Waffe ausgebildet – das wollen wir auch nicht.“ Übungen von Sicherheitsbehörden und der Branche gebe es bislang nicht.Um überhaupt mitzubekommen, wer sich in oder nahe der Windparks herumtreibt, sei vor allem mehr Kontrolle und Überwachung nötig. „Da besteht Handlungsbedarf“, sagt Thimm.Die Dimensionen sind enorm: Bis 2045 soll die installierte Leistung der Offshore-Windenergie von heute fast 9 auf 70 Gigawatt gesteigert werden. Im ersten Halbjahr 2024 lag der Anteil der Offshore-Windenergie an der deutschen Stromerzeugung nach Angaben des Beratungsunternehmens Deutsche Windguard bei 6,3 Prozent.Nach Berechnungen könnten die Parks bis zu einem Viertel der Ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee einnehmen. Diese umfasst rund 33.000 Quadratkilometer - das ist ungefähr so groß wie Belgien.Forderung nach Zusammenarbeit mit AnrainernNachdem die Kabel in der Ostsee beschädigt worden waren, schlug Polen eine gemeinsame Überwachung durch die Marine der westlichen Anrainerstaaten vor. «Ich denke, das geht in die richtige Richtung», sagt Thimm. In Deutschland ist die Bundespolizei zuständig. Angesichts möglicher Sabotageakte soll nach unbestätigten Medienberichten eine maritime Einsatztruppe der Spezialeinheit GSG 9 in Neustadt in Schleswig-Holstein stationiert werden.Oberste PrioritätDie großen Windparkbetreiber geben sich bei dem Thema sehr bedeckt und verraten keine Details. „Die Sicherheit und der Schutz unserer Offshore-Windparks genießt oberste Priorität“, heißt es etwa von RWE dazu.Grundsätzlich gebe es mehrere Maßnahmen, um einen Windpark zu schützen, sagt Till Frohloff, Geschäftsführer von Nordsee One. Sein Unternehmen betreibt einen Windpark in der Nordsee vor Norderney. „Als erstes wird sichergestellt, dass sich nur autorisiertes Personal im Windpark oder der Leitwarte befindet“, sagt Frohloff. Außerdem werde der Seeraum und die Windkraftanlagen selbst überwacht. Jedoch ende der Einflussbereich eines Offshore-Windparks an der Schnittstelle zum Übertragungsnetzbetreiber.Vermaschung von WindparksAls solcher ist etwa Tennet für den Stromtransport durchs Land verantwortlich. Größere Offshore-Windparks seien an einen Konverter angeschlossen, also nicht direkt mit dem Übertragungsnetz verbunden, erläutert eine Sprecherin. „Entsprechend hätte der Ausfall eines Windparks Auswirkungen auf die erzeugte Leistung, nicht jedoch auf die Stabilität des Netzes.“Beim Ausfall einer Hoch- oder Höchstspannungsleitung könne eine andere einspringen. Das europäische Verbundnetz sei zudem verschränkt und deshalb gegen lokale Angriffe recht gut zu schützen. Es werde nicht zentral gesteuert, sondern von mindestens einer Stelle pro Land.Diese Verschränkung sollte aus Sicht des BWO auch bei den Windparks auf See vorangetrieben werden. „Wenn jemand unsere Energieinfrastruktur angreift, wird es immer dann gefährlich, wenn es ein Klumpenrisiko gibt“, sagt Thimm.Behördenbericht: Bedrohungslage hochIm Bericht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschland sind für den Zeitraum Juli 2023 bis Ende Juni dieses Jahres 137 gemeldete Vorfälle aus dem Energiesektor allgemein genannt. Meldepflichtig sind Störungen, die zum Ausfall kritischer Infrastruktur geführt haben oder führen können oder die Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt haben oder hätten können. Hinzu kommen freiwillige Angaben.„Die Bedrohungslage im Sektor Energie ist unverändert hoch“, heißt es. „Die Betreiber von kritischen Infrastrukturen im Sektor Energie sehen sich mit verschiedensten Angriffsszenarien konfrontiert.“ Als Beispiele werden Angriffe mit Schadsoftware, Phishing-Kampagnen und menschliche Fehler aufgelistet.

Die Sicherheit auf See

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-27

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