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Foto: Federico Gambarini/dpa
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Flugscham oder nicht?

Klimaneutrales Fliegen laut Experten wohl erstmal nicht in Sicht
Die Luftfahrtbranche erfüllt neben lebenswichtigem Frachttransport auch so manchen Reisetraum. Aber kann man angesichts des Klimawandels ohne schlechtes Gewissen fliegen? Der Branchenverband will nichts von Flugscham wissen und verspricht Klimaneutralität - aber geht das?
Von Christiane Oelrich und Christian Ebner, dpa

Genf/Frankfurt

Sommerzeit, Reisezeit: Da lockt, wenn es finanziell geht, ein Urlaub zum Sonnetanken an fernen Stränden oder ein Städtetrip. Immer öfter plagt Reisende aber Flugscham - das schlechte Gewissen, klimaschädliche Treibhausgase zu verursachen. Andere werden von Kindern, Freunden und Kollegen schief angesehen.

Muss nicht sein, meint der Verband der Fluggesellschaften (Iata). Man könne klimaneutral fliegen, jedes Jahr mehr, und spätestens 2050 ganz und gar. Aber ist das realistisch? Experten sind skeptisch. Über den nachhaltigen Flugkraftstoff SAF, den die Iata als Kernelement ihres Plans für Klimaneutralität preist, sagt die Strategiedirektorin des britischen Luftfahrt-Umweltverbandes AEF, Cait Hewitt: „Beim Verbrennen von SAF entsteht genausoviel CO2 wie beim Verbrennen von Kerosin.“

Die Branche steht unter Druck. Die Luftfahrt macht nach Schätzungen im Jahr rund 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus, mehr als Deutschland, das unter den zehn größten CO2-Verursachern der Welt ist. Neben effizienteren Triebwerken und Ausgleichsmaßnahmen setzt die Iata deshalb auf SAF (Sustainable Aviation Fuel). Gemeint ist alles, was nicht aus fossilen Ausgangsstoffen produziert und nachhaltig ist. E-Fuels, also komplett synthetisches Kerosin mit Wind- oder Sonnenkraft als Ausgangsenergie werden bislang nur im Labormaßstab gewonnen.

Frittenfett, Schlacht- und Fischabfälle, Pflanzenöle und ihre Reststoffe: Daraus stellt das finnische Unternehmen Neste SAF her. Es ist nach eigenen Angaben Marktführer und hat die Produktionskapazität von rund einer Million Tonnen SAF im Jahr und baut weiter aus. Perspektivisch kommen für SAF auch Zellstoffe und Haushaltsmüll als Quelle in Frage.

Die Iata macht geltend, dass zum Beispiel Pflanzen als Ausgangsmaterial beim Wachsen CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Nur das werde beim Verbrennen im Flugzeug wieder in die Atmosphäre abgegeben - so sei SAF über seinen gesamten Lebenszyklus klimaneutral.

Wenn SAF aus Abfällen statt Pflanzen gewonnen werde, sei die Rechnung komplizierter, weil viel klimaschädliches Material wie Plastik enthalten sei, sagt Hewitt. „Wenn man das Material in Müllhalden liegenlassen würde, gäbe es weniger Emissionen.“ Natürlich sei die Weiterverwertung von Abfällen sinnvoll und nötig. Aber die Branche müsse viel mehr tun. Das Beste wäre synthetisches Kerosin, gewonnen aus CO2 aus der Atmosphäre und grünem Wasserstoff, sagt Hewitt. Ob dafür aber genügend erneuerbare Energien zur Verfügung stünden und dies zu einem weniger als exorbitanten Preis produziert werden könne, sei offen.

EU setzt auf Quote

Regierungen müssten mit Produktionsanreizen dafür sorgen, dass mehr produziert werde, sagt Iata-Chef Willie Walsh. Die EU setzt auf Quote: Ab 2025 müssen Kerosinanbieter immer mehr nachhaltigen Flugkraftstoff beimischen. Der Anteil soll bis 2050 von 2 auf 70 Prozent steigen.

Dass Fliegen mit mehr Nachhaltigkeit teurer wird, ist sicher. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC würden die Kosten bei einer Beimischung von 16 Prozent SAF auf einem Langstreckenflug etwa von Frankfurt nach Singapur oder von München nach New York mit rund 36 Euro pro Passagier zu Buche schlagen. „Weniger weit und weniger oft zu fliegen sind wirksame Maßnahmen, die jeder ergreifen kann, um die Ansammlung von CO2 in der Atmosphäre zu verlangsamen“, sagt Hewitt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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