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In ganz Kasachstan kommt es zu Protesten gegen die steigenden Treibstoffpreise, jetzt greift das Militär ein und riegelt in Almaty die Straßen ab. Foto: Turar Kazangapov, TASS
In ganz Kasachstan kommt es zu Protesten gegen die steigenden Treibstoffpreise, jetzt greift das Militär ein und riegelt in Almaty die Straßen ab. Foto: Turar Kazangapov, TASS

Kasachstan bittet um Hilfe

Russisches Militärbündnis entsendet Soldaten
Straßenschlachten mit Sicherheitskräften, brennende Gebäude - und eine schwer angeschlagene Regierung, die ihren Rücktritt einreicht. Kasachstan ist in eine tiefe Krise gerutscht. Der Präsident ruft Russland zu Hilfe - und wird erhört.
Von Deutsche Presse-Agentur, dpa Almaty
Von Deutsche Presse-Agentur, dpa

Almaty

Die Entsendung ausländischer Soldaten nach Kasachstan durch ein von Russland geführtes Militärbündnis schürt Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation der Lage in der früheren Sowjetrepublik. Zwar hieß es, die Soldaten der Allianz sollten für einen begrenzten Zeitraum entsandt werden, „um die Lage in dem Land zu stabilisieren und zu normalisieren“. Allerdings hatte die kasachische Staatsführung diese Hilfe erbeten, nachdem ihre eigenen Truppen mit Waffengewalt gegen regierungskritische Demonstranten vorgegangen waren. Die USA und die EU riefen alle Seiten zur Mäßigung auf und forderten eine friedliche Beilegung des Konflikts.

Auslöser der größten Protestwelle seit Jahren war Unmut über deutlich gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen des Landes, zumal Kasachstan schon seit Jahren unter Misswirtschaft und Armut leidet. Als Reaktion auf die teils gewaltsamen Proteste entließ Präsident Kassym-Jomart Tokajew die Regierung, bevor in der Nacht zu Donnerstag das Militär in der Millionenstadt Almaty einschritt. „Terroristische Banden“ hätten sich dort einen Kampf mit Fallschirmjägern geliefert, sagte Tokajew in einer Fernsehansprache. Er machte „in- und ausländische Provokateure“ für das Chaos verantwortlich.

Tokajew rief das von Russland geführte Militärbündnis Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) zu Hilfe, das prompt die Entsendung von Soldaten ankündigte - sogenannten Friedenstruppen. Dem Bündnis gehören neben Russland und Kasachstan auch Armenien, Belarus, Kirgistan und Tadschikistan an. Der für Angelegenheiten ehemaliger Sowjetrepubliken zuständige Ausschussvorsitzende der russischen Staatsduma, Leonid Kalaschnikow, sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax, Russland sei zur Hilfe verpflichtet, dafür sei das Bündnis gegründet worden.

Etliche Zivile Opfer

Bei den beispiellosen Protesten wurden laut Behördenangaben mehrere Polizisten und Soldaten getötet. Allerdings fehlt es mangels freier Medien an unabhängiger Berichterstattung vor Ort. Videos in sozialen Netzwerken deuten darauf hin, dass es auch etliche zivile Opfer gegeben haben dürfte, über die sich die autoritäre Führung des Landes weitgehend ausschweigt. Unklar blieb auch, wie viele Demonstranten festgenommen wurden.

In der Millionenstadt Almaty habe es am Donnerstag vor dem Rathaus einen „heftigen Schusswechsel“ zwischen Dutzenden bewaffneten Menschen und dem Militär gegeben, meldete die russische Staatsagentur Tass unter Berufung ihres Korrespondenten vor Ort. 300 Soldaten seien etwa in gepanzerten Mannschaftswagen angerückt. Sie hätten den Platz umstellt. Zu Opferzahlen gab es zunächst keine Angaben. Die russische Staatsagentur Ria Nowosti meldete, Militärfahrzeuge hätten Leichen in der Stadt eingesammelt. Banken hätten zudem vorerst ihre Arbeit eingestellt.

Erschwert wird die Informationslage durch wiederholte Blockaden des Internets in Kasachstan. Bereits am Mittwoch wurde das Netz über Stunden abgeschaltet - vermutlich, um neue Versammlungen zu erschweren. Mehrere Fernsehsender stellten den Betrieb ein. In der Nacht zu Donnerstag waren dann erneut Webseiten von Behörden, Polizei und Flughäfen nicht zu erreichen, wie die russische Staatsagentur Tass berichtete.

In Almaty herrschte laut Tass ein kompletter Internetausfall, soziale Netzwerke als zentrales Koordinierungsinstrument von Demonstranten waren damit lahmgelegt. Auch das Mobilfunknetz in der Wirtschaftsmetropole war demnach tot. Das zentralasiatische Land mit mehr als 18 Millionen Einwohnern wurde über Jahrzehnte von Machthaber Nursultan Nasarbajew regiert und grenzt unter anderem an Russland und China. Es ist reich an Öl, Gas und Uran. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Kasachstan auf Platz 155 von 180 Ländern.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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