Land als Geisel der Generäle
Grenzerfahrungen in Myanmar nach der Übernahme des Militärs
Die Generäle haben die Rechnung ohne ihr Volk gemacht: Auch ein Jahr nach dem Putsch hat Myanmars brutale Junta das Land nicht unter Kontrolle. Während der bewaffnete Widerstand wächst, sind viele Zivilisten auf der Flucht. Eindrücke aus dem Grenzgebiet zu Thailand.
Von Carola Frentzen und Athens Zaw Zaw
Mae Sot
Ein Dutzend Menschen waten durch den trüben Moei-Fluss. Ihr Ziel: Mae Sot im Nordwesten Thailands. Menschen, die Birmanisch sprechen, nicht Thai – denn ihre Heimat Myanmar versinkt seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 in blutigem Chaos. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind allein wegen der jüngsten Kämpfe in den Bundesstaaten Karen und Kayah mindestens 9 500 Menschen zumindest zeitweise nach Thailand geflohen. In Myanmar lebten hingegen im Zuge des Militärputsches mittlerweile 776 000 Einwohner als Vertriebene im eigenen Land, berichten die Vereinten Nationen. Ein paar Thai Soldaten sind am Ufer des seichten Moei postiert. Viele Myanmaren decken sich in Mae Sot nur mit Vorräten ein und kehren dann in den Ort Myawaddy auf der anderen Seite zurück. Aus Angst hausen sie direkt am Wasser in Notunterkünften. Andere Flüchtlinge bleiben in Mae Sot und hoffen auf eine bessere Zukunft in Thailand. Plötzlich hallt Artilleriefeuer durch die Luft. Eine ständige Erinnerung daran, dass die Generäle in Myanmar jeden Widerstand mit brutaler Waffengewalt unterdrücken. Und der Ort Lay Kay Kaw ganz in der Nähe von Myawaddy wird von Rebellen aus der Volksgruppe der Karen kontrolliert. Seit Mitte Dezember kommt es in dem Gebiet regelmäßig zu Feuergefechten zwischen Regime-Gegnern und Soldaten. „Das Regime hat nicht damit gerechnet, dass es einen so starken und entschlossenen Widerstand gegen den Putsch geben würde“, ist der Myanmar-Experte Richard Horsey von der International Crisis Group überzeugt. Wegen der landesweiten Auflehnung gegen die Junta müssten die Generäle unter Führung von Machthaber Min Aung Hlaing mit immer extremerer Gewalt agieren, um ihr Überleben zu sichern. „Aber sie scheinen immer noch zuversichtlich zu sein, dass sie am Ende siegen werden – genauso wie die Junta-Gegner weiterhin entschlossen sind, dies zu verhindern“, sagt Horsey. Laut Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden seit dem Putsch mindestens 1 490 Menschen getötet. Fast 12 000 wurden zumindest vorübergehend festgenommen. Viele überleben die Haft nicht: Oft werden Regimekritiker nachts verschleppt und am nächsten Tag ihren Familien als Leichen zurückgebracht – Körper und Gesicht von schwerer Folter gezeichnet. Die entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi sitzt derweil im Hausarrest. Gegen sie läuft ein Schauprozess, der sie zum Schweigen bringen soll. Wie viele Leidensgenossen ist auch Mary derzeit in Mae Sot gestrandet. Aber bevor sie es nach Thailand geschafft hat, musste sie sich im Zuge der Luftangriffe auf Lay Kay Kaw zwei Wochen im Dschungel verstecken, in ständiger Angst entdeckt und ermordet zu werden. Wie also geht es weiter in dem gebeutelten Land? Myanmar-Experte Richard Horsey sieht bislang kein Licht am Horizont: „Myanmar wird wahrscheinlich auf absehbare Zeit in einem Krisenzustand bleiben“, sagt er. Das Land sei auf dem Weg, zu einem „Flickenteppich“ aus Armee-Einheiten, bewaffneten Rebellen und Kriminellen zu werden. Gefangen in der Mitte seien die Bürger.
Ein Dutzend Menschen waten durch den trüben Moei-Fluss. Ihr Ziel: Mae Sot im Nordwesten Thailands. Menschen, die Birmanisch sprechen, nicht Thai – denn ihre Heimat Myanmar versinkt seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 in blutigem Chaos. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind allein wegen der jüngsten Kämpfe in den Bundesstaaten Karen und Kayah mindestens 9 500 Menschen zumindest zeitweise nach Thailand geflohen. In Myanmar lebten hingegen im Zuge des Militärputsches mittlerweile 776 000 Einwohner als Vertriebene im eigenen Land, berichten die Vereinten Nationen. Ein paar Thai Soldaten sind am Ufer des seichten Moei postiert. Viele Myanmaren decken sich in Mae Sot nur mit Vorräten ein und kehren dann in den Ort Myawaddy auf der anderen Seite zurück. Aus Angst hausen sie direkt am Wasser in Notunterkünften. Andere Flüchtlinge bleiben in Mae Sot und hoffen auf eine bessere Zukunft in Thailand. Plötzlich hallt Artilleriefeuer durch die Luft. Eine ständige Erinnerung daran, dass die Generäle in Myanmar jeden Widerstand mit brutaler Waffengewalt unterdrücken. Und der Ort Lay Kay Kaw ganz in der Nähe von Myawaddy wird von Rebellen aus der Volksgruppe der Karen kontrolliert. Seit Mitte Dezember kommt es in dem Gebiet regelmäßig zu Feuergefechten zwischen Regime-Gegnern und Soldaten. „Das Regime hat nicht damit gerechnet, dass es einen so starken und entschlossenen Widerstand gegen den Putsch geben würde“, ist der Myanmar-Experte Richard Horsey von der International Crisis Group überzeugt. Wegen der landesweiten Auflehnung gegen die Junta müssten die Generäle unter Führung von Machthaber Min Aung Hlaing mit immer extremerer Gewalt agieren, um ihr Überleben zu sichern. „Aber sie scheinen immer noch zuversichtlich zu sein, dass sie am Ende siegen werden – genauso wie die Junta-Gegner weiterhin entschlossen sind, dies zu verhindern“, sagt Horsey. Laut Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden seit dem Putsch mindestens 1 490 Menschen getötet. Fast 12 000 wurden zumindest vorübergehend festgenommen. Viele überleben die Haft nicht: Oft werden Regimekritiker nachts verschleppt und am nächsten Tag ihren Familien als Leichen zurückgebracht – Körper und Gesicht von schwerer Folter gezeichnet. Die entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi sitzt derweil im Hausarrest. Gegen sie läuft ein Schauprozess, der sie zum Schweigen bringen soll. Wie viele Leidensgenossen ist auch Mary derzeit in Mae Sot gestrandet. Aber bevor sie es nach Thailand geschafft hat, musste sie sich im Zuge der Luftangriffe auf Lay Kay Kaw zwei Wochen im Dschungel verstecken, in ständiger Angst entdeckt und ermordet zu werden. Wie also geht es weiter in dem gebeutelten Land? Myanmar-Experte Richard Horsey sieht bislang kein Licht am Horizont: „Myanmar wird wahrscheinlich auf absehbare Zeit in einem Krisenzustand bleiben“, sagt er. Das Land sei auf dem Weg, zu einem „Flickenteppich“ aus Armee-Einheiten, bewaffneten Rebellen und Kriminellen zu werden. Gefangen in der Mitte seien die Bürger.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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