IGH verhandelt Klimaschutzpflicht
Namibia unterstützt Vanuatu – Forderung nach Schadenersatz
Die Generalvollversammlung der Vereinten Nationen hatte sich bereits für Gutachten seitens des Internationalen Gerichtshofes ausgesprochen, welcher die Verpflichtung von Regierungen und somit Staaten eruieren sollte hinsichtlich des Klimaschutzes. Seit Monaten beantragen nahezu 100 Länder solch ein Gutachten am IGH.
Von Ellanie Smit & Frank Steffen
Windhoek
Genau einen Tag vor dem Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember – in Namibia auch der „Tag der namibischen Frau“ – begann der nunmehr größte Fall in der Geschichte des Internationalen Gerichtshofes (IGH) im Kampf gegen den Klimawandel, welches mit dem Thema Menschrechte tangiert. Eine Gruppe kleiner Inselstaaten, angeführt von Vanuatu, fordert demnach das höchste Gericht der Welt auf, die Länder mit den größten Treibhausgasemissionen für ihr Versäumnis, den Klimawandel anzugehen, zur Verantwortung zu ziehen. Die Verhandlungen finden in Den Haag, in den Niederlanden, statt.
Inzwischen sind es fast 100 Länder – auch Namibia unterstützt den Fall – strengen die Anhörung an, die von 15 Richtern des IGHs verhandelt wird. Die Inselstaaten argumentieren, dass nur „wenige Länder die überwältigende Mehrheit der historischen und aktuellen Treibhausgasemissionen verursacht haben“, während Nationen mit geringen Emissionen die Hauptlast der Folgen zu tragen haben.
Klage bereits vor COP29 eingereicht
Das weitgehend durch Öl- und Gas-produzierende Länder beeinflusste und entsprechend verwässerte Abkommen der COP29-Unterhandlungen unlängst in Aserbaidschan, verspricht nur mäßige Schadenersatzleistungen. Unabhängig davon hatten leidtragende Länder bereits vorher damit begonnen auf dem Rechtswege solchen Schadenersatz einzuklagen. Namibia hat sich aktiv an diesem Verfahren beteiligt und erfolgreich seine schriftliche Stellungnahme im März 2024 sowie schriftliche Kommentare am 14. August 2024 eingereicht. Der letzte Schritt dieses Verfahrens ist die mündliche Anhörung, die vom 2. bis 13. Dezember angesetzt ist.
Das Justizministerium erklärte, dass das namibische Kabinett die Teilnahme Namibias an der Anfrage nach einem Gutachten zu den Verpflichtungen von Staaten im Hinblick auf den Klimawandel vor dem IGH genehmigt habe: „Diese Teilnahme folgt der Annahme der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die ein Gutachten des IGH zu den Verpflichtungen der Staaten nach internationalem Recht in Bezug auf den Klimawandel gefordert hat.“
Konsequenzen gefordert
Bei der Vortragung seiner Argumente vorm IGH am vergangenen Montag forderte Namibia, dass diejenigen Länder, die historisch und gegenwärtig am meisten zur Klimakrise beitragen und beigetragen haben, nicht nur auf freiwilliger Basis, sondern rechtlich bindend dazu verpflichtet werden sollten, Schadenersatz an Länder zu leisten, die unter den Konsequenzen leiden. Namibia trachtet nach einer primären Verpflichtung, derer Verletzung rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Die Kläger ersuchen das Gericht um ein Rechtsgutachten zu zwei Fragen: Welche Verpflichtungen haben Regierungen nach internationalem Recht, um das Klimasystem und die Umwelt des Planeten zu schützen? Und: Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich für Länder, die erheblichen Schaden am Klima, der Umwelt und den Menschen verursacht haben?
Der namibische Schritt beruht auf Artikel 95 der namibischen Verfassung, laut dem Namibia aktiv das Wohlergehen seines Volkes fördern und erhalten soll, indem es staatliche Grundsätze zur Förderung und Erhaltung von Ökosystemen, wesentlichen ökologischen Prozessen und der biologischen Vielfalt Namibias sowie zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen im Interesse aller annimmt.
Fakten lügen nicht
Dr. Mekondjo Kaapanda-Girnus, die Namibia als Botschafterin an der Europäischen Union sowie in Belgien und den Niederlanden vertritt, trug auch als Repräsentant die einleitende Erklärung dem IGH vor. Sie erklärte, dass Namibia vor dem Gericht stehe, um den erheblichen Schaden zu stoppen, den der Klimawandel insbesondere an der Umwelt und an Wasserressourcen verursacht hat: „Die Wissenschaft ist unbestreitbar. Treibhausgase verursachen steigende Temperaturen und verstärkte Verdunstung, wodurch Wasserressourcen an ihre Grenzen gebracht und Dürren verschärft werden.“
Laut Kaapanda-Girnus können die Wasserressourcen bei jedem Durchschnittsanstieg der Temperatur von ein Grad Celsius, um 20% schrumpfen. Für Namibia sei es eine Frage des Überlebens, die globale Temperatur auf 1,5 Grad statt auf 2,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. „Namibia ist bereits das trockenste Land in Subsahara-Afrika und wird immer trockener.“ Derzeit seien 92% der Landesoberfläche Namibias semi-arid oder sogar hyper-arid. Aufgrund der anhaltenden Dürre befinde sich fast die Hälfte der Bevölkerung Namibias in einem Notstand und leide unter akuter Nahrungsmittelunsicherheit.
Menschenrechtsverletzung
„Seit 2016 haben extreme Dürren Namibia dazu gezwungen, den Notstand auszurufen, zuletzt im Mai dieses Jahres“, fügte sie hinzu. Kaapanda-Girnus warnte, dass Namibia ohne sofortige Maßnahmen vollständig arid und in einen dauerhaften klimatologischen Zustand eintreten könnte, in dem Dürren zur Regel werden. „Namibia steht auch vor Ihnen, um die Menschenrechte des namibischen Volkes, der heutigen sowie der künftigen Generationen, zu schützen.“ Der Verlust von Wasserressourcen sei nicht nur ein Umweltproblem, sondern ein Menschenrechtsproblem, das die Existenz Namibias und insbesondere das Leben und die Lebensgrundlagen des Volkes bedrohe.
Schließlich stehe Namibia in Solidarität mit anderen afrikanischen Staaten und kleinen Inselentwicklungsländern vor dem Gericht. „Gemeinsam gehören wir zu den niedrigsten Treibhausgasemittenten. Doch der Klimawandel bringt unverhältnismäßigen Schaden für unsere Umwelt, Menschenrechte, Entwicklung und zukünftige Generationen.“ Kaapanda-Girnus forderte, dass entwickelte Länder finanzielle Unterstützung leisten, damit Entwicklungsländer auf saubere Energiequellen umsteigen können, ohne ihre Entwicklung zu gefährden.
Abschließend betonte sie, dass die verwundbarsten Staaten und Menschen mehr denn je den Schutz des internationalen Rechts benötigen.
Urteil nicht bindend
Das Justizministerium erklärte, dass ein fähiges Team junger namibischer und internationaler Fachleute bei der Recherche und der Erstellung der namibischen Eingaben unterstützt habe. Im Gegensatz zu Urteilen in Streitfällen sind die Gutachten des Gerichts nicht bindend. Sie klären jedoch rechtliche Fragen. Dennoch hätten solche Gutachteine verbindende Bedeutung „und dürfen nicht vernachlässigt werden“.
Der UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, ein solches Gutachten werde der Generalversammlung, den Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten helfen, „mutigere und stärkere Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, die unsere Welt so dringend benötigt“.
Windhoek
Genau einen Tag vor dem Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember – in Namibia auch der „Tag der namibischen Frau“ – begann der nunmehr größte Fall in der Geschichte des Internationalen Gerichtshofes (IGH) im Kampf gegen den Klimawandel, welches mit dem Thema Menschrechte tangiert. Eine Gruppe kleiner Inselstaaten, angeführt von Vanuatu, fordert demnach das höchste Gericht der Welt auf, die Länder mit den größten Treibhausgasemissionen für ihr Versäumnis, den Klimawandel anzugehen, zur Verantwortung zu ziehen. Die Verhandlungen finden in Den Haag, in den Niederlanden, statt.
Inzwischen sind es fast 100 Länder – auch Namibia unterstützt den Fall – strengen die Anhörung an, die von 15 Richtern des IGHs verhandelt wird. Die Inselstaaten argumentieren, dass nur „wenige Länder die überwältigende Mehrheit der historischen und aktuellen Treibhausgasemissionen verursacht haben“, während Nationen mit geringen Emissionen die Hauptlast der Folgen zu tragen haben.
Klage bereits vor COP29 eingereicht
Das weitgehend durch Öl- und Gas-produzierende Länder beeinflusste und entsprechend verwässerte Abkommen der COP29-Unterhandlungen unlängst in Aserbaidschan, verspricht nur mäßige Schadenersatzleistungen. Unabhängig davon hatten leidtragende Länder bereits vorher damit begonnen auf dem Rechtswege solchen Schadenersatz einzuklagen. Namibia hat sich aktiv an diesem Verfahren beteiligt und erfolgreich seine schriftliche Stellungnahme im März 2024 sowie schriftliche Kommentare am 14. August 2024 eingereicht. Der letzte Schritt dieses Verfahrens ist die mündliche Anhörung, die vom 2. bis 13. Dezember angesetzt ist.
Das Justizministerium erklärte, dass das namibische Kabinett die Teilnahme Namibias an der Anfrage nach einem Gutachten zu den Verpflichtungen von Staaten im Hinblick auf den Klimawandel vor dem IGH genehmigt habe: „Diese Teilnahme folgt der Annahme der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die ein Gutachten des IGH zu den Verpflichtungen der Staaten nach internationalem Recht in Bezug auf den Klimawandel gefordert hat.“
Konsequenzen gefordert
Bei der Vortragung seiner Argumente vorm IGH am vergangenen Montag forderte Namibia, dass diejenigen Länder, die historisch und gegenwärtig am meisten zur Klimakrise beitragen und beigetragen haben, nicht nur auf freiwilliger Basis, sondern rechtlich bindend dazu verpflichtet werden sollten, Schadenersatz an Länder zu leisten, die unter den Konsequenzen leiden. Namibia trachtet nach einer primären Verpflichtung, derer Verletzung rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Die Kläger ersuchen das Gericht um ein Rechtsgutachten zu zwei Fragen: Welche Verpflichtungen haben Regierungen nach internationalem Recht, um das Klimasystem und die Umwelt des Planeten zu schützen? Und: Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich für Länder, die erheblichen Schaden am Klima, der Umwelt und den Menschen verursacht haben?
Der namibische Schritt beruht auf Artikel 95 der namibischen Verfassung, laut dem Namibia aktiv das Wohlergehen seines Volkes fördern und erhalten soll, indem es staatliche Grundsätze zur Förderung und Erhaltung von Ökosystemen, wesentlichen ökologischen Prozessen und der biologischen Vielfalt Namibias sowie zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen im Interesse aller annimmt.
Fakten lügen nicht
Dr. Mekondjo Kaapanda-Girnus, die Namibia als Botschafterin an der Europäischen Union sowie in Belgien und den Niederlanden vertritt, trug auch als Repräsentant die einleitende Erklärung dem IGH vor. Sie erklärte, dass Namibia vor dem Gericht stehe, um den erheblichen Schaden zu stoppen, den der Klimawandel insbesondere an der Umwelt und an Wasserressourcen verursacht hat: „Die Wissenschaft ist unbestreitbar. Treibhausgase verursachen steigende Temperaturen und verstärkte Verdunstung, wodurch Wasserressourcen an ihre Grenzen gebracht und Dürren verschärft werden.“
Laut Kaapanda-Girnus können die Wasserressourcen bei jedem Durchschnittsanstieg der Temperatur von ein Grad Celsius, um 20% schrumpfen. Für Namibia sei es eine Frage des Überlebens, die globale Temperatur auf 1,5 Grad statt auf 2,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. „Namibia ist bereits das trockenste Land in Subsahara-Afrika und wird immer trockener.“ Derzeit seien 92% der Landesoberfläche Namibias semi-arid oder sogar hyper-arid. Aufgrund der anhaltenden Dürre befinde sich fast die Hälfte der Bevölkerung Namibias in einem Notstand und leide unter akuter Nahrungsmittelunsicherheit.
Menschenrechtsverletzung
„Seit 2016 haben extreme Dürren Namibia dazu gezwungen, den Notstand auszurufen, zuletzt im Mai dieses Jahres“, fügte sie hinzu. Kaapanda-Girnus warnte, dass Namibia ohne sofortige Maßnahmen vollständig arid und in einen dauerhaften klimatologischen Zustand eintreten könnte, in dem Dürren zur Regel werden. „Namibia steht auch vor Ihnen, um die Menschenrechte des namibischen Volkes, der heutigen sowie der künftigen Generationen, zu schützen.“ Der Verlust von Wasserressourcen sei nicht nur ein Umweltproblem, sondern ein Menschenrechtsproblem, das die Existenz Namibias und insbesondere das Leben und die Lebensgrundlagen des Volkes bedrohe.
Schließlich stehe Namibia in Solidarität mit anderen afrikanischen Staaten und kleinen Inselentwicklungsländern vor dem Gericht. „Gemeinsam gehören wir zu den niedrigsten Treibhausgasemittenten. Doch der Klimawandel bringt unverhältnismäßigen Schaden für unsere Umwelt, Menschenrechte, Entwicklung und zukünftige Generationen.“ Kaapanda-Girnus forderte, dass entwickelte Länder finanzielle Unterstützung leisten, damit Entwicklungsländer auf saubere Energiequellen umsteigen können, ohne ihre Entwicklung zu gefährden.
Abschließend betonte sie, dass die verwundbarsten Staaten und Menschen mehr denn je den Schutz des internationalen Rechts benötigen.
Urteil nicht bindend
Das Justizministerium erklärte, dass ein fähiges Team junger namibischer und internationaler Fachleute bei der Recherche und der Erstellung der namibischen Eingaben unterstützt habe. Im Gegensatz zu Urteilen in Streitfällen sind die Gutachten des Gerichts nicht bindend. Sie klären jedoch rechtliche Fragen. Dennoch hätten solche Gutachteine verbindende Bedeutung „und dürfen nicht vernachlässigt werden“.
Der UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, ein solches Gutachten werde der Generalversammlung, den Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten helfen, „mutigere und stärkere Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, die unsere Welt so dringend benötigt“.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen