Historischer Roman zwischen Haifischinsel und Betschuanaland
The Scattering – wörtlich: die Zerstreruung – schildert tragische Einzelschicksale von Herero-Frauen und Männern, die nach den Gefechten am Waterberg, August 1904, den Abzug und Fluchtweg in die Omaheke antreten. Die wenigsten erreichen das britische Betschuanaland. Die Autorin, Lauri Kubuitsile, hat für diesen Band 2017 auf der jährlichen internationalen Sharjah-Buchmesse in den Vereinigten Arabischen Emiraten den Anerkennungspreis für internationale Fiktion erhalten. Lauri Kuibitsile wurde in Baltimore, Maryland, USA geboren und lebt seit 1989 in Botswana, wo sie mit einem Landesbürger verheiratet ist.
Die Handlung des Schicksalsromans wickelt sich im historischen Rahmen zwischen ca 1899 und 1908 in Deutsch-Südwestafrika, in Südafrika und schließlich in Britisch Betschuanaland ab. Der Deutsch-Herero-Krieg 1904 und der Anglo-Burenkrieg bilden zunächst die Kulisse des zweiteiligen Handlungsstrangs. Die Gefangenschaft der jungen Burenfrau Riette im britischen Konzentrationslager sowie die Gefangenschaft der jungen Hererofrau Tjipuka auf der Haifischinsel von Lüderitzbucht bilden über längere Romanstrecken den Rahmen der Hauptpersonen, die sich zu dem Zeitpunkt noch nicht kennen. Sie überleben unter extremen Verhältnissen stark angeschlagen die Kriege, bewältigen gelungene und misslungene Fluchtwege. Beide willensstarke Frauen benutzen opportunistisch inmitten des tödlichen Lagerelends die Hilfe von jeweils einem untypisch human gesinnten Feind und Gegner (ein Engländer, ein Deutsche), dazu mit amourösem Anklang, den die Autorin detailliert zu schildern weiß.
Kubuitsiles international prämiertes Romantalent wirkt bei der Lektüre von „The Scattering“ überzeugend, vor allem in den nuancierten und komplexen Dialogen und der Selbstbesinnung der Hauptfiguren sowie in der Schilderung, wie sich ihr Charakter, ihr Selbstbild durch Elend, Misshandlung, Entbehrung und Verfolgung wandeln. Die Veränderung läuft nicht immer zum Besseren. Die Autorin steigert gekonnt auch durch wiederkehrende Motive im Handlungsverlauf die Spannung auf das Ende des Romans hin.
Genau wie Kuibitsile amouröse Szenen bis ins erotische Detail umreißt, so kreiert sie bis ins penetrante Einzelne Vergewaltigungs- und Gräuelszenen, als ob sie als Voyeuristin im Busch gesessen hätte. In ihrem Erzählerstil und der Themenauswahl erinnert sie an den namhaften afrikaansen Autor Andre P, Brink – er stand einmal in der engeren Auswahl auf der Anwärterliste für den Literaturnobelpreis. In seinem Roman „Anderkant die Stilte“ trifft eine junge deutsche Frau in Deutsch-Südwestafrika ein. Mit Kolonialsoldaten auf dem Zug ins Inland kommt es zu bluttriefenden Gräuelszenen.
Kubuitsile und Brink haben auffallend gekonntes Erzählertalent gemein. Darüber hinaus verwenden beide durchweg undifferenziert das Feindbild dumpf stumpfer und brutaler deutscher Kolonialsoldaten. Beide gehen mit spitzer Feder und viel Phantasie auf Gräuelszenen ein und delektieren sich daran, was sie wohl auch vom Leser erwarten. Die pauschale Verteufelung ist derzeit auch in der „politisch korrekten“ Mainstream -Geschichtsschreibung gängig. Manche Autoren haben das Feindbild schon mit der Muttermilch empfangen.
Tjipuka, die Hauptperson in „The Scattering“ wird aber verwirrt, denn sie erhält Überlebenshilfe und wird von einem Deutschen schwanger , der zur Herrschaft gehört, aber nicht als Scheusal auftritt.
Die Stärke Kubuhitsiles Roman liegt in der kontinuierlich wachsenden Spannung und in der treffsicheren Schilderung des Gemütswandels sowie des besseren Verständnisses zwischen schwarz und weiß und der Freund-Feind-Beziehungen. Tjipuka sinniert darüber: „Es war die Nähe (zu einem feindlichen Mann), wo richtig und falsch nicht länger klar erkennbar waren – da lag die wirkliche Wahrheit. Aber die Erkenntnisse waren schwierig und des Öfteren schier unmöglich zu finden.“ (Übersetzung des Rezensenten).
Die Feinfühligkeit der Autorin Kubuitsiles spricht immer wieder an. Eberhard Hofmann
Die Handlung des Schicksalsromans wickelt sich im historischen Rahmen zwischen ca 1899 und 1908 in Deutsch-Südwestafrika, in Südafrika und schließlich in Britisch Betschuanaland ab. Der Deutsch-Herero-Krieg 1904 und der Anglo-Burenkrieg bilden zunächst die Kulisse des zweiteiligen Handlungsstrangs. Die Gefangenschaft der jungen Burenfrau Riette im britischen Konzentrationslager sowie die Gefangenschaft der jungen Hererofrau Tjipuka auf der Haifischinsel von Lüderitzbucht bilden über längere Romanstrecken den Rahmen der Hauptpersonen, die sich zu dem Zeitpunkt noch nicht kennen. Sie überleben unter extremen Verhältnissen stark angeschlagen die Kriege, bewältigen gelungene und misslungene Fluchtwege. Beide willensstarke Frauen benutzen opportunistisch inmitten des tödlichen Lagerelends die Hilfe von jeweils einem untypisch human gesinnten Feind und Gegner (ein Engländer, ein Deutsche), dazu mit amourösem Anklang, den die Autorin detailliert zu schildern weiß.
Kubuitsiles international prämiertes Romantalent wirkt bei der Lektüre von „The Scattering“ überzeugend, vor allem in den nuancierten und komplexen Dialogen und der Selbstbesinnung der Hauptfiguren sowie in der Schilderung, wie sich ihr Charakter, ihr Selbstbild durch Elend, Misshandlung, Entbehrung und Verfolgung wandeln. Die Veränderung läuft nicht immer zum Besseren. Die Autorin steigert gekonnt auch durch wiederkehrende Motive im Handlungsverlauf die Spannung auf das Ende des Romans hin.
Genau wie Kuibitsile amouröse Szenen bis ins erotische Detail umreißt, so kreiert sie bis ins penetrante Einzelne Vergewaltigungs- und Gräuelszenen, als ob sie als Voyeuristin im Busch gesessen hätte. In ihrem Erzählerstil und der Themenauswahl erinnert sie an den namhaften afrikaansen Autor Andre P, Brink – er stand einmal in der engeren Auswahl auf der Anwärterliste für den Literaturnobelpreis. In seinem Roman „Anderkant die Stilte“ trifft eine junge deutsche Frau in Deutsch-Südwestafrika ein. Mit Kolonialsoldaten auf dem Zug ins Inland kommt es zu bluttriefenden Gräuelszenen.
Kubuitsile und Brink haben auffallend gekonntes Erzählertalent gemein. Darüber hinaus verwenden beide durchweg undifferenziert das Feindbild dumpf stumpfer und brutaler deutscher Kolonialsoldaten. Beide gehen mit spitzer Feder und viel Phantasie auf Gräuelszenen ein und delektieren sich daran, was sie wohl auch vom Leser erwarten. Die pauschale Verteufelung ist derzeit auch in der „politisch korrekten“ Mainstream -Geschichtsschreibung gängig. Manche Autoren haben das Feindbild schon mit der Muttermilch empfangen.
Tjipuka, die Hauptperson in „The Scattering“ wird aber verwirrt, denn sie erhält Überlebenshilfe und wird von einem Deutschen schwanger , der zur Herrschaft gehört, aber nicht als Scheusal auftritt.
Die Stärke Kubuhitsiles Roman liegt in der kontinuierlich wachsenden Spannung und in der treffsicheren Schilderung des Gemütswandels sowie des besseren Verständnisses zwischen schwarz und weiß und der Freund-Feind-Beziehungen. Tjipuka sinniert darüber: „Es war die Nähe (zu einem feindlichen Mann), wo richtig und falsch nicht länger klar erkennbar waren – da lag die wirkliche Wahrheit. Aber die Erkenntnisse waren schwierig und des Öfteren schier unmöglich zu finden.“ (Übersetzung des Rezensenten).
Die Feinfühligkeit der Autorin Kubuitsiles spricht immer wieder an. Eberhard Hofmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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