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„Ich musste neu lernen, Musik zu machen“

Katharina Moser
Von Katharina Moser

Es ist Nachmittag in Dee's Country Cocktail Lodge, und die kultige Bar in Madison, Nashville, ist ungewöhnlich voll für einen frühen Montagnachmittag. SUVs und schicke Autos reihen sich auf dem Parkplatz aneinander, und die Bar füllt sich mit Künstlern, Musikern, Fotografen und Managern. Das Who is Who der Musikszene von Nashville hat sich versammelt, und ein Hauch von Vorfreude liegt in der Luft, während Manager herumeilen, Photographen ihre Ausrüstung aufbauen und die Techniker die Beleuchtung einrichten. Und dann betritt Doobie den Raum, Stiefel aus Pythonleder an den Füßen und eine Rockerweste über der Brust, und die Aufmerksamkeit gehört ganz ihm. Ja, richtig gehört, Rock. Der Song, für den der in Ohio geborene Rapper an diesem Abend das Musikvideo dreht, ist Rockmusik. Denn Doobie hat beschlossen, seiner außergewöhnlichen musikalischen Karriere eine neue Wendung zu geben.

Doobie, der gern als Kurt Cobain des Hip-Hop bezeichnet wird, hat die Rap-Szene mit seinen rauen Beats und seinen ungefilterten, straßentauglichen Texten geprägt wie nur wenige vor ihm. Aber nicht nur Rap soll Teil seines Vermächtnisses sein: „Ich arbeite gerade daran, in den Rockbereich überzugehen. Mein ganzer Katalog war schon immer vom Rock'n'Roll beeinflusst, aber es war hauptsächlich Hip-Hop. Jetzt will ich meine eigene Version von Rock'n'Roll erschaffen“, sagt Doobie. Und genau das tut Doobie mit seiner kommenden Single „Early bird gets the whiskey“, seiner ersten Rock-Veröffentlichung, die im Oktober erscheinen soll. Auf die Single soll ein ganzes Album folgen.

Für den hart arbeitenden Künstler aus Columbus, Ohio, läuft es in der Tat wie am Schnürchen. Erst kürzlich wurde sein Hit „When the drugs don't work“ von der RIAA mit Platin ausgezeichnet – ein großer Erfolg für den Underground-Künstler. „Das war der absolute Wahnsinn. Ich wusste, dass die Zahlen da waren. Aber die Zertifizierung zu bekommen, bedeutet viel mehr, weil es dir klar macht: Okay, das passiert gerade wirklich. Und jetzt bin ich der erste unabhängige Künstler aus meiner Stadt, der jemals Platin bekommen hat. Das ist ein wahnsinniges Gefühl, es ist surreal.“

Schmerz und Abhängigkeit

Sein künstlerischer Werdegang begann für Doobie schon als Teenager. „Mein Vater starb, als ich fünf Jahre alt war. Ich habe ihn nie richtig kennen gelernt. Meine Mutter war ständig in einer neuen Beziehung, und die meisten ihrer Freunde behandelten mich nicht gut“, erinnert sich Doobie an seine Kindheit. „Das hat eine Menge Wut in mir ausgelöst. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich keine faire Chance im Leben bekommen hatte. So habe ich gelernt, all meine Emotionen in Gedichte zu verwandeln. Alles, was ich durchmachte, habe ich aufgeschrieben. Und diese Gedichte wurden später zu Raps und Songs.“

Doobie schreibt schon seit seiner Kindheit, was sich als Teenager noch intensivierte. „Ich habe gerappt und für 50 Dollar auf meinem Laptop Künstler aufgenommen.“ Eines Tages kam DJ Hylyte ins Studio. „Hylyte war der angesagteste DJ in der Stadt. Ich wusste, wer er war. Er wusste nicht, wer ich war. Ich war ein Niemand zu der Zeit. Lange Rede, kurzer Sinn, er und ich haben uns gut verstanden. Und seit diesem Tag arbeiten wir jeden Tag miteinander.“ Hylyte, bis heute Doobies Manager, nahm ihn bei seinem Independent-Label SCFMG unter Vertrag und veröffentlichte 2013 Doobies erste Solo-Single „Ink Me“. Mit dem Kultklassiker „Hopeless“, der wie die meisten von Doobies Songs düster und drogenlastig ist, verschaffte sich der Rapper 2015 mit seinem Mixtape „Cocaine Christmvs“ eine große Online-Fangemeinde. 2017 erschien dann der selbstproduzierte Hit „When the drugs don't work“, der Abermillionen von Streams erreichte und Doobie als Rap-Star etablierte.

Während sich Doobie aus eigener Kraft durch den Dschungel der Musikindustrie an die Spitze gekämpft hat, ist sein persönlicher Werdegang nicht weniger turbulent. „Ich hatte schlimme Drogenprobleme. Man ist pleite und jagt einem Traum hinterher, und das ist hart. Es gab so viele Momente, in denen die Leute über uns lachten und uns verhöhnten. Dass wir nur bankrotte Junkies seien. Okay, stimmte damals vielleicht, aber wir hatten auch einen Traum. Das Schwierigste daran ist, dass man bereit sein muss, Schlimmes zu erleben und Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, wenn man seine Träume verwirklichen will“, erinnert sich Doobie. Dies ist ein großer Teil seiner Künstlerpersönlichkeit und schimmert in all seinen Songs durch – Musik, deren Hauptbestandteil Schmerz und seine Überwindung ist. „Deshalb betreibt jeder Künstler Selbstsabotage. Bis die Songs aus uns heraussprudeln. Denn wir müssen etwas durchmachen, um etwas erschaffen zu können.“

Genauso wie Schmerz spielten Drogen eine Rolle bei der Entstehung seiner Musik. „Meine Droge der Wahl war Kokain. Seit dem 8. Mai 2020 habe ich keine harten Drogen mehr genommen. Ich trinke immer noch Alkohol, aber ich bin jetzt seit vier Jahren clean von harten Drogen. Das war schwierig, denn all meine Musik war drogenbeeinflusst. Als ich mit den Drogen aufhörte, hatte ich das Gefühl, dass ich wieder neu lernen musste, Musik zu machen“, erzählt Doobie. Mit seiner Entscheidung, clean zu werden, ging ein ganz anderer Kampf einher – sich selbst neu zu definieren, eine neue Version des eigenen Lebensweges zu schaffen und den Mut zu haben, sein altes Ich loszulassen. „Es war so schwer, nicht mehr diese Person zu sein. Alles, was deine Fans wollen, ist die Junkie-Musik, die sie kennen, der zugedröhnte Künstler, mit dem sie sich identifizieren können, und das macht es umso schwieriger, denn du musst deinen Fans geben, was sie wollen, um in dieser Branche zu überleben. Das bedeutet, dass man sich den ganzen Mist gefallen lassen muss. Aber auf lange Sicht hat mir der Verzicht auf die Drogen so viel mehr geholfen, auch wenn es ein paar Jahre gedauert hat. Jetzt bin ich wieder ich selbst und mache bessere Musik als je zuvor. Aber als ich zum ersten Mal aufgehört habe, habe ich nicht geglaubt, dass ich es schaffen würde. Ich dachte, verdammt, das war's“, sinniert Doobie. „Dann kam auch noch Covid dazu. Ich dachte, alles ist vorbei. Es gibt keine Rockstars mehr.“

Sich neu erfinden

Clean zu werden war umso schwieriger, als Doobie und seine Freunde die Drogen nicht nur als Begleiter, sondern als wesentlichen Bestandteil ihrer Musik und ihres Stils ansahen. Die Drogenerfahrung war für lange Zeit die Essenz ihres musikalischen Ausdrucks. „Wir nannten unsere Musik Druggie Music, oder Junkie-Musik. Zu dieser Zeit sprach niemand sonst über die Drogen, die wir nahmen. Wir nannten sie beim Namen. Und viele Leute dachten, na ja, das ist definitiv etwas Neues“, erinnert sich Doobie. „Das schuf einen besonderen Sound, ohne dass uns das damals bewusst war. Das hat das Beste aus uns herausgeholt, und es waren diese Erfahrungen, die unseren Sound geprägt haben.“

Clean zu werden, brachte Doobie dazu, seine Identität als Künstler in Frage zu stellen, ja sogar seine Fähigkeit, überhaupt Musik zu machen. Doch trotz all der Verzweiflung, der Selbstzweifel und der Herausforderung, clean zu bleiben, arbeiteten Doobie und sein Team weiter. Und mit der Arbeit kam für Doobie die Erkenntnis, dass sein musikalisches Genie immer noch da war, dass es nicht von einer Substanz abhängig, sondern ein Teil seiner selbst ist. Wie kam es überhaupt zu seiner Entscheidung, nüchtern zu werden? „Ich wurde Vater. Ich konnte nicht mehr so weitermachen wie bisher, weil es für mich unmöglich gewesen wäre, ein guter Vater zu sein. Ich steckte so tief in den Drogen und dem Nachtleben, dass ich entweder sterben würde oder mich überhaupt nicht um mein Kind kümmern könnte. Und ich dachte: Mann, ich muss mich bessern. Dass es an der Zeit ist, erwachsen zu werden. Ich hatte meinen Spaß. Und jetzt wollte ich die andere Seite des Lebens sehen.“

Doobies Vergangenheit zeigt, wie schwierig es ist, clean zu werden, aber auch, dass es möglich ist – umso mehr, wenn man es für die Menschen tut, die man liebt. „Eineinhalb Jahre bevor ich clean wurde, wollte ich schon aufhören. Und als ich erfuhr, dass meine Freundin schwanger war, dachte ich, okay, jetzt muss ich mich wirklich zusammenreißen. Also versuchte ich es, und wurde ein paar Mal rückfällig“, sagt Doobie. „Aber als die Geburt näher rückte, sagte ich mir, jetzt ist es Zeit aufzuhören. Ich hatte es schon vorher gewollt, aber einfach nicht die Kraft dazu gehabt. Doch die Geburt meines Sohnes motivierte mich so, dass ich es endlich schaffte.“ Sein Kind ist jetzt vier Jahre alt und Sohn eines erfolgreichen – und cleanen – Hip-Hop- und Rockstars. „Mein Sohn ist großartig“, sagt Doobie mit einem Lächeln.

Mit dieser Entscheidung, Verantwortung für sich und seine junge Familie zu übernehmen, hat Doobie unzählige Fans inspiriert und sie auf seinem Weg mitgenommen. Jetzt ist Doobie bereit, voll und ganz ein Rockstar zu sein. „Ich habe das Gefühl, dass dieses neue Rockalbum der goldene Mittelweg sein wird, und ich freue mich darauf“, sagt er. Er will sich auch über Genregrenzen hinwegsetzen, über die Kategorien und Etiketten, die man der Musik anheftet. Ob Hip-Hop oder Rock'n'Roll, er will seiner Künstlerpersönlichkeit treu bleiben. „Verschiedene Musikgenres reden über dieselben Schwierigkeiten. Sie finden nur unterschiedliche Wege, es auszudrücken. Die grundlegende menschliche Erfahrung ist nur anders verpackt“, sagt er und lächelt.

In Madison ist die Sonne längst untergegangen und eine warme Nacht hält die Stadt in ihren weichen Armen. Fröhliches Geplauder und das Klirren von Gläsern hallt über den Parkplatz. Das Musikvideo zu „Early bird gets the whiskey“ ist fertig, die Fotografen und Videofilmer sind zufrieden. Und Doobie ist es auch, mit einem Glas Whiskey in der Hand, ein früher Vogel der Hip-Hop- und Rock'n'Roll-Branche, bereit, seine Flügel auszubreiten.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-21

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