NDR-Dokumentarfilm doch unseriös
Rundfunkrat erkennt einen Verstoß gegen Staatsvertrag
Hatte die Leiterin im Programmbereich des NDRs vorige AZ-Nachfragen als eine Frage der unterschiedlichen Perspektive abgewehrt, sieht sie sich jetzt mit der Tatsache konfrontiert, dass der NDR-Rundfunkrat im Falle des angeblichen Dokumentarfilms „Deutsche Schuld – Namibia und der Völkermord" der Rundfunkleitung den Verstoß gegen den Staatsvertrag verbrieft hat.
Von Frank Steffen, Windhoek
„Der NDR-Rundfunkrat hat heute Nachmittag mit 22 zu 20 Stimmen festgestellt, dass der Namibia-Beitrag in seiner Erstfassung gegen den NDR-Staatsvertrag verstoßen hat (in bestimmten definierten Punkten wie der Landfrage oder dem Auslassen der Apartheidszeit, aber letztlich natürlich in seiner Gesamtheit)“, teilte Frank Elsner von der Deutsch-Namibischen Gesellschaft (DNG) unter anderen der AZ am vergangenen Samstag mit. Es handelte sich bei der Beratung um den im Auftrag des NDR produzierten Dokumentarfilm „Deutsche Schuld – Namibia und der Völkermord“, der am 25. September 2023 im NDR gesendet worden war.
Der DNG und das Forum Deutschsprachiger Namibier (FDN) andererseits hatten heftige Beschwerden beim NDR eingereicht, nachdem sich herausgestellt hatte, wie salopp der angebliche Dokumentarfilm mit den Realitäten umgegangen war. Gemessen an weiteren Beschwerden hatte der Film in vieler Hinsicht auch nicht den Vorstellungen der Probanden entsprochen (AZ berichtete). Der Rundfunkrat hinterfragte nun den Einsatz der Mode- und Popjournalistin Aminata Belli, die diesen „Dokumentarfilm“, der später als „Presenter Format“ abgeschwächt wurde, begleitet hatte.
Eine Frage der Perspektive?
Einige der Protagonisten waren laut eigenen Aussagen unter verkehrten Voraussetzungen zur Teilnahme an dem Film bewegt worden, beziehungsweise die Berichterstattung rückte sie, ihre Familien oder Organisationen in ein verstelltes Licht – dies betraf nicht zuletzt die Deutsch-Evangelische Kirche in Namibia (DELK). Sämtliche Initiativen des Staates sowie der Zivilgesellschaft blieben unbeachtet und so hatte sich die Bild-Zeitung darüber mokiert, dass die Moderatorin die in Namibia fehlende Achtung vor der Vergangenheit monierte, während sie die zutreffenden Denkmäler als Kulisse benutzte.
Auf eine vorige Nachfrage seitens der AZ hatte die NDR-Leiterin im Programmbereich Kultur, Anja Würzberg-Wollermann, bezeichnend geantwortet: „Meine Erkenntnis aus der Debatte ist, dass ein Film allein nicht reicht, um die komplexe Situation umfassend darzustellen. Der Film zeigt mithin ‚eine‘ Perspektive. Ich kann nachvollziehen, dass für Sie und weitere Zuschauer eine Leerstelle bleibt.“
Würzberg-Wollermann ging anmaßend auf die von der AZ hinterfragte Feststellung, dass 70% Namibias nach wie vor „Weißen“ gehöre, ein und räumte „unterschiedliche Perspektiven und Haltungen“ ein. „Etwa zu den Auswirkungen der Kolonialzeit auf die heutigen Besitzverhältnisse in Namibia – zu denen es bereits in vielen Qualitätsmedien im Umfeld des Abkommens zwischen der Bundesrepublik und Namibia im Jahr 2021 umfassende Berichterstattung gab. Sie hinterfragen unsere Zahlen. Selbstverständlich sind sie im Vorfeld recherchiert. Im Zuge der an uns herangetragenen Kritik haben wir sie erneut überprüft. Unsere Quellen sind u.a. ein Bericht der Namibian Statistics Agency.“
Die AZ hatte sich bei der Fragestellung eben genau auf die anderslautenden Angaben des Namibischen Statistikamts (NSI) gestützt. Indessen hat sich mittlerweile herausgestellt, dass die wiederholte Angabe von beteiligten Wissenschaftlern doch nicht überall zutrifft.
Gutachter bestätigen Verstoß
Der Entschluss des Rundfunkrats beruht auf einer Beschlussvorlage des Programmausschusses, der bereits am 7. Mai mit 14 Ja-Stimmen gegen fünf Nein-Stimmen (drei Enthaltungen) den Verstoß festgestellt hatte. Allerdings ließ der Rat dann erst unabhängige Gutachten anfertigen, bevor er einen mittlerweile eingereichten, abgeschwächten Tadel ignorierte und letztendlich den Verstoß bestätigte.
Dietmar Knecht, der Vorsitzende des Rundfunkrates, wird in einem Kurzbericht auf der Internetseite des NDR (tituliert „Rundfunkrat diskutiert Corona- und Namibia-Berichterstattung“) wie folgt zitiert: „Der Rundfunkrat stellte schließlich mit knapper Mehrheit fest, dass die Dokumentation ‚Deutsche Schuld – Namibia und der Völkermord‘ gegen die Grundsätze der Angebotsgestaltung gemäß NDR-Staatsvertrag verstoßen hat. Er würdigte zugleich, dass der Sender den Beitrag zunächst korrigiert und dann, als sich diese Korrekturen als nicht ausreichend erwiesen, freiwillig aus der Mediathek genommen hat. Das Gremium forderte den Intendanten auf, zum künftigen Umgang mit den sogenannten Presenter-Formaten Stellung zu nehmen.“
Folgen bleiben unbekannt
Die Entfernung des Films aus allen NDR-Programmen sei „Ergebnis einer intensiven fachlichen und sachlichen Aufarbeitung der Vorwürfe, auch unter Beteiligung unserer Gremien“. Ob es Folgen für die Produktionsbeteiligten haben wird, ist bisher nicht bekannt.
Die Evangelische Zeitung schrieb dazu: „NDR-Intendant Joachim Knuth wurde vom Rundfunkrat angewiesen, den festgestellten Verstoß gegen Vorgaben des NDR-Staatsvertrags ‚künftig zu unterlassen‘. Das heißt, der NDR darf die Dokumentation nicht mehr ausstrahlen oder in der ARD-Mediathek zugänglich machen. Knuth bezeichnete die Sendung in der Sitzung als ‚missglückt‘ und kündigte an, dass diese nicht erneut verbreitet werde.“
„Der NDR-Rundfunkrat hat heute Nachmittag mit 22 zu 20 Stimmen festgestellt, dass der Namibia-Beitrag in seiner Erstfassung gegen den NDR-Staatsvertrag verstoßen hat (in bestimmten definierten Punkten wie der Landfrage oder dem Auslassen der Apartheidszeit, aber letztlich natürlich in seiner Gesamtheit)“, teilte Frank Elsner von der Deutsch-Namibischen Gesellschaft (DNG) unter anderen der AZ am vergangenen Samstag mit. Es handelte sich bei der Beratung um den im Auftrag des NDR produzierten Dokumentarfilm „Deutsche Schuld – Namibia und der Völkermord“, der am 25. September 2023 im NDR gesendet worden war.
Der DNG und das Forum Deutschsprachiger Namibier (FDN) andererseits hatten heftige Beschwerden beim NDR eingereicht, nachdem sich herausgestellt hatte, wie salopp der angebliche Dokumentarfilm mit den Realitäten umgegangen war. Gemessen an weiteren Beschwerden hatte der Film in vieler Hinsicht auch nicht den Vorstellungen der Probanden entsprochen (AZ berichtete). Der Rundfunkrat hinterfragte nun den Einsatz der Mode- und Popjournalistin Aminata Belli, die diesen „Dokumentarfilm“, der später als „Presenter Format“ abgeschwächt wurde, begleitet hatte.
Eine Frage der Perspektive?
Einige der Protagonisten waren laut eigenen Aussagen unter verkehrten Voraussetzungen zur Teilnahme an dem Film bewegt worden, beziehungsweise die Berichterstattung rückte sie, ihre Familien oder Organisationen in ein verstelltes Licht – dies betraf nicht zuletzt die Deutsch-Evangelische Kirche in Namibia (DELK). Sämtliche Initiativen des Staates sowie der Zivilgesellschaft blieben unbeachtet und so hatte sich die Bild-Zeitung darüber mokiert, dass die Moderatorin die in Namibia fehlende Achtung vor der Vergangenheit monierte, während sie die zutreffenden Denkmäler als Kulisse benutzte.
Auf eine vorige Nachfrage seitens der AZ hatte die NDR-Leiterin im Programmbereich Kultur, Anja Würzberg-Wollermann, bezeichnend geantwortet: „Meine Erkenntnis aus der Debatte ist, dass ein Film allein nicht reicht, um die komplexe Situation umfassend darzustellen. Der Film zeigt mithin ‚eine‘ Perspektive. Ich kann nachvollziehen, dass für Sie und weitere Zuschauer eine Leerstelle bleibt.“
Würzberg-Wollermann ging anmaßend auf die von der AZ hinterfragte Feststellung, dass 70% Namibias nach wie vor „Weißen“ gehöre, ein und räumte „unterschiedliche Perspektiven und Haltungen“ ein. „Etwa zu den Auswirkungen der Kolonialzeit auf die heutigen Besitzverhältnisse in Namibia – zu denen es bereits in vielen Qualitätsmedien im Umfeld des Abkommens zwischen der Bundesrepublik und Namibia im Jahr 2021 umfassende Berichterstattung gab. Sie hinterfragen unsere Zahlen. Selbstverständlich sind sie im Vorfeld recherchiert. Im Zuge der an uns herangetragenen Kritik haben wir sie erneut überprüft. Unsere Quellen sind u.a. ein Bericht der Namibian Statistics Agency.“
Die AZ hatte sich bei der Fragestellung eben genau auf die anderslautenden Angaben des Namibischen Statistikamts (NSI) gestützt. Indessen hat sich mittlerweile herausgestellt, dass die wiederholte Angabe von beteiligten Wissenschaftlern doch nicht überall zutrifft.
Gutachter bestätigen Verstoß
Der Entschluss des Rundfunkrats beruht auf einer Beschlussvorlage des Programmausschusses, der bereits am 7. Mai mit 14 Ja-Stimmen gegen fünf Nein-Stimmen (drei Enthaltungen) den Verstoß festgestellt hatte. Allerdings ließ der Rat dann erst unabhängige Gutachten anfertigen, bevor er einen mittlerweile eingereichten, abgeschwächten Tadel ignorierte und letztendlich den Verstoß bestätigte.
Dietmar Knecht, der Vorsitzende des Rundfunkrates, wird in einem Kurzbericht auf der Internetseite des NDR (tituliert „Rundfunkrat diskutiert Corona- und Namibia-Berichterstattung“) wie folgt zitiert: „Der Rundfunkrat stellte schließlich mit knapper Mehrheit fest, dass die Dokumentation ‚Deutsche Schuld – Namibia und der Völkermord‘ gegen die Grundsätze der Angebotsgestaltung gemäß NDR-Staatsvertrag verstoßen hat. Er würdigte zugleich, dass der Sender den Beitrag zunächst korrigiert und dann, als sich diese Korrekturen als nicht ausreichend erwiesen, freiwillig aus der Mediathek genommen hat. Das Gremium forderte den Intendanten auf, zum künftigen Umgang mit den sogenannten Presenter-Formaten Stellung zu nehmen.“
Folgen bleiben unbekannt
Die Entfernung des Films aus allen NDR-Programmen sei „Ergebnis einer intensiven fachlichen und sachlichen Aufarbeitung der Vorwürfe, auch unter Beteiligung unserer Gremien“. Ob es Folgen für die Produktionsbeteiligten haben wird, ist bisher nicht bekannt.
Die Evangelische Zeitung schrieb dazu: „NDR-Intendant Joachim Knuth wurde vom Rundfunkrat angewiesen, den festgestellten Verstoß gegen Vorgaben des NDR-Staatsvertrags ‚künftig zu unterlassen‘. Das heißt, der NDR darf die Dokumentation nicht mehr ausstrahlen oder in der ARD-Mediathek zugänglich machen. Knuth bezeichnete die Sendung in der Sitzung als ‚missglückt‘ und kündigte an, dass diese nicht erneut verbreitet werde.“
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