„Aus Leidenschaft für Geschichte“
Welwitschia-Verlag veröffentlicht Tagebücher aus Kolonialzeit
Es ist ein Meilenstein in der Geschichtsschreibung zum deutschen Kolonialismus: Lothar von Trothas Kriegstagebuch ist seit Anfang des Jahres öffentlich zugänglich. Einer der Herausgeber, der Historiker Dr. Andreas Eckl, erklärt, was ihn an südwestafrikanischen Tagebüchern so fasziniert.
Anfang diesen Jahres erschien bei de Gruyter der schriftliche Nachlass des Generalleutnants Lothar von Trotha, der von 1904 bis 1905 im Auftrag des Kaisers Krieg gegen die aufständischen Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika führte. Editiert wurde er unter anderem von Dr. Andreas Eckl, Dozent an der Fakultät für Geschichtswissenschaften der Universität Bochum. „Für mich war es aber nie eine Frage, dass das Tagebuch Trothas auch in meiner eigenen Reihe erscheint“, sagt der Verleger und Namibia-Forscher. Als Taschenbuch ist es in seinem Kleinstverlag „Welwitschia“ nun auch wesentlich günstiger zu haben als die gebundene Ausgabe. Eckls Verlagsprogramm „Quellen zur Kolonialgeschichte“ umfasst neben Trothas Tagebuch derzeit noch elf andere Werke, erhältlich als Print-Ausgabe oder E-Book. Dabei handelt es sich stets um kolonialhistorische Ego-Dokumente, also zum Beispiel um Briefsammlungen oder Tagebücher.
Die Anfänge
Angefangen habe alles vor mehr als 20 Jahren, erklärt Eckl. Beim Schreiben seiner Doktorarbeit über die Kolonialgeschichte der Kavango-Region habe ihm sein Kölner Doktorvater Wilhelm Möhlig das Tagebuch eines Arztes namens Georg Hillebrecht auf den Tisch gelegt, der im Krieg gegen die Herero 1904/05 im Einsatz war. Er sollte sehen, „ob damit etwas anzufangen“ sei. Schnell war Eckl von der Lebendigkeit des Textes und den interessanten Details angetan. Zusammen mit dem Tagebuch des Hauptmanns Franz Ritter von Epp erschien dieser schließlich 2005 im Köppe Verlag. Bald darauf stellte sich heraus, dass Hillebrecht auch während seines Einsatzes in China 1900 bis 1902 Tagebuch geführt hatte. „Aber in den auf Afrika spezialisierten Köppe Verlag passte das China-Buch nicht, und andere Verlage druckten nur gegen Bezahlung hoher Druckkostenzuschüsse.“ Deshalb habe Eckl kurzerhand seinen eigenen Verlag gegründet, um auch diesen Text veröffentlichen zu können.
Lange Zeit sei Hillebrechts Tagebuch aus dem Boxerkrieg dann das einzige Werk gewesen, das in der Reihe veröffentlicht wurde. Für den Historiker traten erst einmal andere Angelegenheiten in den Vordergrund, zumal sich mit der Verlagstätigkeit kein Renommee, geschweige denn ein sicheres Einkommen generieren ließe. „Das tut man nicht, um seine Karriere anzuschieben, das tut man nur aus Leidenschaft für Geschichte“, sagt Eckl. Während der jahrelangen Vorarbeiten zur Editierung und Herausgabe des Trotha’schen Nachlasses habe er sich dann wieder intensiver mit südwestafrikanischen Tagebüchern beschäftigt.
Mehr als nur ein Verlag
Dem Welwitschia Verlag angeschlossen ist außerdem ein kolonial-biografisches Archiv. Dieses sei eine direkte Folge des Trotha-Projekts: Verschiedene Leute, die in überregionalen Zeitungen von dem Vorhaben gelesen hatten, kontaktierten Eckl, weil sie ebenfalls koloniale Handschriften im Familienerbe haben, darunter beispielsweise der bislang völlig unbekannte und in Bearbeitung befindliche Nachlass von Karl Salzer, der neben Trotha im Hauptquartier diente. Eckl ist zwar der Ansicht, dass solche Quellen unbedingt öffentlich zugänglich sein sollten. Andererseits könne er auch das Zögern jener Erben nachvollziehen, die sich aus verständlichen Gründen nicht von ihrer Familiengeschichte trennen möchten. Das kolonial-biografische Archiv biete einen Ausweg aus diesem Dilemma, indem die Nachlässe in digitaler Form vorgestellt und eventuell auch als Buch publiziert werden, während die Originale im Familienbesitz verbleiben.
Eckl schätzt Tagebücher und Briefe vor allem als Quellentexte, die dabei helfen können, die Ereignis-, Kultur- und Sozialgeschichte der deutschen Kolonien zu rekonstruieren. Private Aufzeichnungen, in der Regel noch unter dem lebhaften Eindruck des Erlebten geschrieben und, das sei entscheidend, ohne Wissen um den Fort- oder Ausgang der Geschichte, haben für ihn „einen ganz besonderen Reiz.“ Sie erlauben wertvolle Einblicke in die mentale Haltung sowie die Verhaltensweisen der Schreibenden. „Die Alltagssorgen und Nöte, aber auch Freuden einer deutschen Hausfrau und Mutter in Deutsch-Südwestafrika etwa sind in den Briefen der Missionarsfrau Else Spellmeyer 1899-1913 auf einzigartige Weise dokumentiert“, sagt Eckl.
Die weniger angenehmen Seiten
Frustrierend wiederum sei es, dass viele Geschichten ein offenes Ende haben; für Eckl „das größte Manko von Tagebüchern“. Da sei beispielsweise ein Satz in Trothas Tagebuch über eine gefangene Hererofrau: „Auf meine Ansage, daß sie nun gehängt würde, sagt sie, es ist nicht wahr. Hakili.“ Offenbar allein die Tatsache, dass diese Frau es wagte, ihm die Stirn zu bieten, habe Trotha dazu bewogen, den Satz in seinem Tagebuch zu notieren, so Eckl. Ob die Frau gehängt wurde? Es gehe aus dem Tagebuch nicht hervor. Dass Geschichten nur an-, aber nicht zu Ende erzählt werden, sei typisch für Ego-Dokumente. Denn oft kenne der Schreiber das Ende selbst nicht oder erachte es nicht für festhaltenswert. So entstünde bei all den Lücken, die diese Quellen schließen helfen, doch auch oft der Eindruck, „dass Tagebücher noch mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten parat haben“, meint Eckl. Ein weiteres Problem sei natürlich die Schwierigkeit des Lesens. Denn alte Handschriften, oft unter ungünstigen Umständen geschrieben, seien nur schwer zu entziffern.
Auf die Frage, wie es mit dem Verlag weitergeht, meint Eckl, er habe eine lange Liste von Projekten, die er gern nach und nach realisieren wolle. Meist als Verleger, in einzelnen Fällen auch als Herausgeber. Unter Zeitdruck stünde er dabei nicht. Wichtig sei ihm vor allem, daß er Freude an der Tätigkeit habe. „Die Bücher sollen ein Geschenk sein für jeden, der sie besitzt. Schließlich beschenke ich mich auch selbst damit.”
Otis Steinbach
Die Anfänge
Angefangen habe alles vor mehr als 20 Jahren, erklärt Eckl. Beim Schreiben seiner Doktorarbeit über die Kolonialgeschichte der Kavango-Region habe ihm sein Kölner Doktorvater Wilhelm Möhlig das Tagebuch eines Arztes namens Georg Hillebrecht auf den Tisch gelegt, der im Krieg gegen die Herero 1904/05 im Einsatz war. Er sollte sehen, „ob damit etwas anzufangen“ sei. Schnell war Eckl von der Lebendigkeit des Textes und den interessanten Details angetan. Zusammen mit dem Tagebuch des Hauptmanns Franz Ritter von Epp erschien dieser schließlich 2005 im Köppe Verlag. Bald darauf stellte sich heraus, dass Hillebrecht auch während seines Einsatzes in China 1900 bis 1902 Tagebuch geführt hatte. „Aber in den auf Afrika spezialisierten Köppe Verlag passte das China-Buch nicht, und andere Verlage druckten nur gegen Bezahlung hoher Druckkostenzuschüsse.“ Deshalb habe Eckl kurzerhand seinen eigenen Verlag gegründet, um auch diesen Text veröffentlichen zu können.
Lange Zeit sei Hillebrechts Tagebuch aus dem Boxerkrieg dann das einzige Werk gewesen, das in der Reihe veröffentlicht wurde. Für den Historiker traten erst einmal andere Angelegenheiten in den Vordergrund, zumal sich mit der Verlagstätigkeit kein Renommee, geschweige denn ein sicheres Einkommen generieren ließe. „Das tut man nicht, um seine Karriere anzuschieben, das tut man nur aus Leidenschaft für Geschichte“, sagt Eckl. Während der jahrelangen Vorarbeiten zur Editierung und Herausgabe des Trotha’schen Nachlasses habe er sich dann wieder intensiver mit südwestafrikanischen Tagebüchern beschäftigt.
Mehr als nur ein Verlag
Dem Welwitschia Verlag angeschlossen ist außerdem ein kolonial-biografisches Archiv. Dieses sei eine direkte Folge des Trotha-Projekts: Verschiedene Leute, die in überregionalen Zeitungen von dem Vorhaben gelesen hatten, kontaktierten Eckl, weil sie ebenfalls koloniale Handschriften im Familienerbe haben, darunter beispielsweise der bislang völlig unbekannte und in Bearbeitung befindliche Nachlass von Karl Salzer, der neben Trotha im Hauptquartier diente. Eckl ist zwar der Ansicht, dass solche Quellen unbedingt öffentlich zugänglich sein sollten. Andererseits könne er auch das Zögern jener Erben nachvollziehen, die sich aus verständlichen Gründen nicht von ihrer Familiengeschichte trennen möchten. Das kolonial-biografische Archiv biete einen Ausweg aus diesem Dilemma, indem die Nachlässe in digitaler Form vorgestellt und eventuell auch als Buch publiziert werden, während die Originale im Familienbesitz verbleiben.
Eckl schätzt Tagebücher und Briefe vor allem als Quellentexte, die dabei helfen können, die Ereignis-, Kultur- und Sozialgeschichte der deutschen Kolonien zu rekonstruieren. Private Aufzeichnungen, in der Regel noch unter dem lebhaften Eindruck des Erlebten geschrieben und, das sei entscheidend, ohne Wissen um den Fort- oder Ausgang der Geschichte, haben für ihn „einen ganz besonderen Reiz.“ Sie erlauben wertvolle Einblicke in die mentale Haltung sowie die Verhaltensweisen der Schreibenden. „Die Alltagssorgen und Nöte, aber auch Freuden einer deutschen Hausfrau und Mutter in Deutsch-Südwestafrika etwa sind in den Briefen der Missionarsfrau Else Spellmeyer 1899-1913 auf einzigartige Weise dokumentiert“, sagt Eckl.
Die weniger angenehmen Seiten
Frustrierend wiederum sei es, dass viele Geschichten ein offenes Ende haben; für Eckl „das größte Manko von Tagebüchern“. Da sei beispielsweise ein Satz in Trothas Tagebuch über eine gefangene Hererofrau: „Auf meine Ansage, daß sie nun gehängt würde, sagt sie, es ist nicht wahr. Hakili.“ Offenbar allein die Tatsache, dass diese Frau es wagte, ihm die Stirn zu bieten, habe Trotha dazu bewogen, den Satz in seinem Tagebuch zu notieren, so Eckl. Ob die Frau gehängt wurde? Es gehe aus dem Tagebuch nicht hervor. Dass Geschichten nur an-, aber nicht zu Ende erzählt werden, sei typisch für Ego-Dokumente. Denn oft kenne der Schreiber das Ende selbst nicht oder erachte es nicht für festhaltenswert. So entstünde bei all den Lücken, die diese Quellen schließen helfen, doch auch oft der Eindruck, „dass Tagebücher noch mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten parat haben“, meint Eckl. Ein weiteres Problem sei natürlich die Schwierigkeit des Lesens. Denn alte Handschriften, oft unter ungünstigen Umständen geschrieben, seien nur schwer zu entziffern.
Auf die Frage, wie es mit dem Verlag weitergeht, meint Eckl, er habe eine lange Liste von Projekten, die er gern nach und nach realisieren wolle. Meist als Verleger, in einzelnen Fällen auch als Herausgeber. Unter Zeitdruck stünde er dabei nicht. Wichtig sei ihm vor allem, daß er Freude an der Tätigkeit habe. „Die Bücher sollen ein Geschenk sein für jeden, der sie besitzt. Schließlich beschenke ich mich auch selbst damit.”
Otis Steinbach
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen