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Die Liebe zum Chaos

UK-Rapper Jeshi im Interview
Von Katharina Moser

Ein weißes Shirt lässig über den Schultern, eine blaue Mütze auf schwarzen Locken und ein Goldzahn, der verschwörerisch im sanften Nachmittagslicht des Pariser Januars blinkt – das ist Jeshi kurz vor der Veröffentlichung seines neuen Albums, dem die Hip-Hop-Welt mit Spannung entgegenfieberte und das am vergangenen Freitag erschienen ist.

Schon sein Debütalbum vor zweieinhalb Jahren war wie eine Bombe in der Musikwelt eingeschlagen. Für den 29-jährigen Rapper aus London ist das neue Werk nun ein wichtiger Schritt auf seinem Weg als Künstler. „Nachdem das erste Album so gut ankam, musste ich mir überlegen, wie es weitergehen sollte. Als Kreativer wollte ich mich nicht wiederholen. Für mich stellte sich die Frage, wie ich auf meinem bisherigen Schaffen aufbauen kann, und gleichzeitig etwas ganz Neues erschaffen kann. Daswar ein interessanter Prozess für mich“, sagt Jeshi.

Sein von der Kritik hochgelobtes Debütalbum „Universal Credit“ ist in der Tat schwer zu übertreffen: Vom Guardian als „epochales Album“ bezeichnet, ist es ein kluges, ehrliches und klanglich erfrischendes soziales Kommentar, das Zeugnis ablegt von der Entmündigung der Arbeiterklasse durch die britische Sparpolitik und von der wachsenden Spaltung zwischen den Wohlhabenden und den Nöten der Menschen, die die Gesellschaft auf ihren Schultern tragen. Aber Jeshi hat sich der Herausforderung gestellt – mit Erfolg. Innovativ im Sound und ebenso aufschlussreich wie persönlich in seinen Texten, absolviert Jeshi mit „Airbag woke me up“ die Meisterklasse des Hip-Hop. „Mein erstes Album begann genauso persönlich wie dieses. Es wurde politisch durch die Art und Weise, wie die Fans wiedererkannten. Für mich geht es immer darum, meine Wahrheit zu sprechen, Dinge, die ich durchmache, die ich fühle, und das tue ich auf dem neuen Album“, sagt Jeshi. „Dieses Album blickt mehr nach innen anstatt in die Welt hinaus. Das ist die große Veränderung.“

Den Erwartungen entfliehen

Der Titel des Albums bezieht sich auf einen Autounfall, den er und seine Freunde als Teenager erlebten, als Jeshi auf dem Heimweg von einer Party in ein geparktes Auto krachte. „Es ist eine Metapher für alle schlimmen Dinge im Leben, sei es ein Autounfall, sei es die Kindheit oder Dinge, die man als junger Erwachsener erlebt. Solche Dinge können ein Erwachen für dich sein, etwas, das dich aufweckt und dich in ein neues Kapitel deines Lebens stößt. Und genau das ist dieses Album jetzt.“

Trotz der Kraft und Integrität seiner früheren politischen Songs möchte Jeshi nicht als politischer Rapper abgestempelt werden. „Ich denke, es ist wichtig, so schwer es manchmal auch ist, aus den Fesseln dessen auszubrechen, was die Leute von dir erwarten“, sinniert Jeshi. „Ein Rapper zu sein, bedeutet in dieser Hinsicht eine Menge Druck. Taylor Swift hat nicht den Druck, soziale Kommentare zu schreiben. Das ist etwas, was nur Rap-Künstler auferlegt bekommen haben, was gut ist, da es unglaublich wichtig ist, über die Welt und das, was in ihr vor sich geht, zu sprechen. Aber ich denke nicht, dass wir als Rapper Opfer dessen sein sollten und das Gefühl haben, in diese Form passen zu müssen.“

„Das Album soll sich wie eine Achterbahn anfühlen“

Und es wird persönlich auf dem neuen Album, einer komplexen Zusammenstellung von nachdenklichen, manchmal traurigen, manchmal dunklen und dann wieder trotzigen Songs. „Ich möchte, dass die Leute sich damit identifizieren können, all die Leute, die sich wie ich fühlen – junge Leute, die versuchen, ihr Leben zu meistern. Manchmal hat man das Gefühl, sehr allein zu sein, als ob sich das Leben im Kreis dreht und man keine Kontrolle hat, und dann wieder fühlt man sich manchmal wie an der Spitze der Welt. Auf dem Album geht es viel um diesen Kontrast, darum, nicht zu wissen, wo man steht. Ich wollte, dass sich das Album wie eine Achterbahn anfühlt. Momente des puren Chaos und Momente der echten Introspektion. Das ist ein akkurates Abbild meines Inneren und dessen, wie das Leben ist.“

Jeshis Musik ist ein Blick nach innen, eine Introspektion des Geistes und der Seele junger Menschen, die nicht nur mit dem Chaos dieser Welt, sondern auch mit dem Chaos in sich selbst konfrontiert sind. Ein Chaos, so zeigt das Album, das verletzend und schön zugleich ist. „Jeder Tag ist Chaos: Es geht darum, zu lernen, diese Wellen so gut wie möglich zu reiten. Keiner von uns hat die Antworten. Aber das alles zu navigieren, darum geht es auf dem neuen Album.“

So sehr „Airbag woke me up“ ein triumphales Werk des Hip-Hop ist, so dunkel und traurig ist sein Sound zum größten Teil. „Ich denke, als Menschen sind wir alle ein bisschen gebrochen. Und wie die meisten Menschen fühle ich mich manchmal am Boden. Es geht darum, die schlechten Seiten in uns selbst zu beleuchten, zu versuchen, sie zu erhellen und dadurch in etwas Gutes zu verwandeln.“

Seine Integrität und seine bodenständige Persönlichkeit gepaart mit dem Wunsch, Kunst zu schaffen, die für die Menschen um ihn herum von Bedeutung ist, machen es für seine Fans umso leichter, sich mit seiner Musik zu identifizieren. „Ich lebe ein ganz normales Leben. Ich gehe in dieselben Kneipen wie die Leute, die meine Musik hören. Ich interessiere mich für dieselben Dinge“, sagt Jeshi.

„Musik zu machen ist eine komplette Flucht.“

Jeshi begann im Zeitalter von MySpace, der sozialen Plattform, die in den 2000er Jahren ihren Höhepunkt erlebte, eigene Musik zu machen. „Es hat mich einfach umgehauen, wie viel Kontrolle man haben konnte. Die Kinder in der Schule konnten sich das anhören, und das allein hat mich schon fasziniert, dass man kein Geld brauchte, dass man niemanden in der Musikindustrie kennen musste. Inmitten von Kindern, die mit nichts aufwuchsen, fand ich es reizvoll, dass man sein Schicksal und sein Leben selbst in die Hand nehmen konnte“, erinnert sich Jeshi. „Ich verliebte ich mich ins Musikmachen. Und als ich älter wurde, verliebte ich mich darin, wie sie Menschen verbindet und wie es um etwas Größeres geht als nur um einen selbst.“

Die Einzigartigkeit, Originalität und Authentizität seiner Gedanken und seines Sounds scheinen das Potenzial zu haben, nicht nur sein persönliches Leben und das seiner Fans auf den Kopf zu stellen, sondern auch dem britischen Hip-Hop auf der internationalen Bühne neues Leben einzuhauchen. In diesem Sinne will Jeshi weiter Musik machen. Nach der Albumveröffentlichung am 24. Januar und der anschließenden Europatournee will er sich gleich wieder an die Arbeit machen und sich vom Chaos des Lebens inspirieren lassen. „Ich schaue viel nach innen, darauf, wie ich mich tagtäglich fühle. Die Familie ist inspirierend. Der Druck des Lebens ist inspirierend. Musik zu machen ist eine komplette Flucht. Ich kann die schlimmste Zeit meines Lebens haben, aber es gibt nichts auf der Welt, das mir mehr Freude bereitet als das Schaffen“, sagt Jeshi. Er lächelt breit, dreht abwesend eine Papierkrone in seinen Händen, die auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, und setzt sie sich dann auf den Kopf. Ein zukünftiger König des britischen Raps, bereit für die Krönung.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-01-27

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