„Meine Musik ist eine Verschmelzung vieler Kulturen“
EDM-Künstler Mr. Carmack spricht über kulturelle Ausdrucksformen, die Herkunft aus mehreren Nationalitäten, das Land, das einmal war – und seine kommende Veröffentlichung „Deluge"
Von Katharina Moser
Zum ersten Mal seit Tagen scheint die Sonne strahlend von einem bonbonblauen Himmel herab und taucht San Francisco und seine Bucht in helles Licht. Ihre entschlossenen Strahlen haben den hartnäckigen grauen Nebel, der die Metropole verhüllt hatte, vertrieben und die perfekten Bedingungen für diesen Septembersonntag geschaffen. Auf dem Dach des Cavaña, siebzehn Stockwerke über dem Boden, wiegen sich die Körper in den Lichtflecken der Sonne, Gläser klirren für einen frühen Tequila, und Beats schallen vom DJ-Pult, das auf der Dachterrasse aufgebaut ist. Hinter dem Mischpult steht kein Geringerer als Mr. Carmack, der EDM-Künstler, der die internationale DJ-Branche seit Jahren aufmischt.
„Ich habe schon als Kind angefangen, Musik zu machen“, verrät er zwei Tage später im Hinterhof seines Hauses in San Francisco. Vom Selfmade-Künstler und Produzenten in heimischen Studios bis hin zu Bühnen wie Coachella und Lollapaloosa hat der 35-jährige Künstler aus der Bay einen weiten Weg zurückgelegt. „Mein Vater ist Pianist und Sänger, und meine Mutter ist eine japanische Taiko-Trommlerin. Während der Schulzeit spielte ich in Bands, lernte verschiedene Instrumente und spielte Horn im Orchester“, erzählt er. Als Teenager begann er, Electronic Dance Music zu machen – lange bevor diese zum amerikanischen Mainstream gehörte. „Ich wurde durch meine älteren Cousins an elektronische und Techno-Musik herangeführt. Damals wurde man als schwul bezeichnet, wenn man so etwas hörte“, erinnert er sich mit einem Grinsen. „Doch dann eroberte sie den amerikanischen Markt.“
In seinen frühen Zwanzigern brach der junge Mr. Carmack das College ab, um seinen Traum als Künstler und DJ zu verfolgen. Seitdem hat er einen enormen Beitrag zur Verfeinerung des produktiven Genres geleistet. „Eine Zeit lang habe ich nur deshalb die Universität besucht, weil ich es meiner Familie recht machen wollte. Aber dann kam der Moment, in dem mir klar wurde, dass das nicht das ist, was ich mit meinem Leben machen will. Ich beschloss, mich voll und ganz der Musik zu widmen“, sagt Herr Carmack. Er brach sein Studium ab, arbeitete tagsüber in Restaurants und Bars und machte nachts Musik, um sich in der Musikindustrie hochzuarbeiten. „Das war eine aktive Entscheidung. Menschen sind einspurige Denker. Man muss das tun, wozu man bestimmt ist. Manchmal braucht es dazu eine gewisse Wahnvorstellung, bei der sich alle anderen fragen, was zum Teufel du überhaupt machst. Aber an einem bestimmten Punkt beginnt es, sich zu manifestieren. Und dann fangen die Leute an, dich zu erkennen.“
Von der Trompete zum Mischpult
Nach zwanzig Jahren des Musizierens und Aufnehmens von Musik bleibt Mr. Carmacks Stil jenseits der konventionellen Kategorien und deren Vereinfachungen. Während der Großteil seiner elektronischen Musik als Trap bezeichnet werden kann – eine Mischung aus elektronischer Tanzmusik und Hip-Hop – hat er auch instrumentale Live-Shows oder sogar Jazz-Versionen seiner elektronischen Musik gemacht. „Ich schreibe die ganze Zeit Musik, jeden Tag. Aber mich über Genres zu definieren, ist ein Problem. Man kann mich nicht auf eine Seite festnageln“, sinniert Mr. Carmack. Bei einer Carmack-Show erwarten die Fans oft seine härteren EDM-Beats – und werden stattdessen manchmal von einer Trompetenmelodie überrascht.
So wie sein vielseitiger Musikstil eine Ansammlung verschiedener Klänge und Genres ist, die sich klaren Grenzen und Begrenzungen entzieht, so ist auch seine Persönlichkeit ein Amalgam verschiedener Identitäten und Kulturen, die verschmelzen und ihn schließlich zu dem machen, der er ist – jemand, der an mehreren Orten zu Hause ist und der dies mühelos in seine Ausdrucksweise einfließen lassen kann. Mr. Carmack gehört ist Native American, denn seine Mutter ist zum Teil Tohono O'odham und zum Teil Filipino. Sein Vater wiederum ist gebürtiger Hawaiianer. Hat sein indigenes Erbe Einfluss darauf, wie er über Musik denkt und was sie bei den Menschen bewirken soll? „Ja und nein. Es ist Teil dessen, was ich bin, aber ich denke nicht ständig über meine Herkunft nach.“ Mr. Carmack betrachtet seine Musik nicht als besonders indigen – dennoch stehen seine Beats und Stile in ständigem Austausch mit all den verschiedenen Kulturen, die seine Identität und seine Persönlichkeit prägen.
In diesem Sinne ist Mr. Carmacks Musik auf der einen Seite nicht indigen – da sie nicht aktiv auf indigen Musiktraditionen zurückgreift – aber auf der anderen Seite doch, da sie von einem indigenen Musiker geschaffen wurde. Native beschreibt nicht nur eine Lokalität. „Viel wichtiger ist, dass es ein kultureller Begriff ist, der bedeutet, dass Musik in den Kanon gehört. Meine Musik könnte als Abkömmling der Shaker-Musik und der Powwow-Musik aus der Tradition der Native Americans verstanden werden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Beziehung stimmt, denn meine Musik ist eine Verschmelzung von vielerlei Dingen. Ich stamme von sieben Nationalitäten ab. Ich könnte sie unmöglich alle in der gleichen Intensität repräsentieren.“ Welche Zugehörigkeit seine Musik widerspiegelt, ist für Mr. Carmack aber auch gar nicht wichtig. „Meine Musik ist meine eigene“, sagt Mr. Carmack und lächelt. „Manche Leute halten mich für einen Schwarzen Menschen, manche für einen weißen, andere für einen Asiaten, manche sogar für einen Mexikaner.“ Er lacht. „Ich bin das Scharnier in der Mitte eines langen, langen Netzes von Identifikationen, die die Leute für sich selbst gefertigt haben.“ In Wahrheit ist seine Musik Ausdruck eines Multiversums von Identitäten und letztlich der Tatsache, dass Musik nicht auf eine dieser Kategorien angewiesen ist oder sich auf sie beschränkt. Und dass seine Geschichte nicht aus einem einzigen, sondern aus einer Fülle von Erzählungen besteht. „Ich mache einfach Musik, Mann“, lächelt Carmack. Und diese Musik ist alles auf einmal – sie verkörpert alles, woher er kommt, und alle Erzählungformen eingebettet in eine Geschichte, ein Spiegelbild der komplexen inneren Welt eines Künstlers.
Der Ausdruck zahlreicher Kulturen
Mr. Carmacks Familie ist philippinisch und hawaiianisch, chinesisch, indianisch und irisch. „Sie alle machen mich zu dem, was ich bin. Und natürlich bin ich Amerikaner. Ich bezeichne mich immer als Amerikaner. Doch schließt das auch meine Herkunft ein? Das Land, das früher einmal war? Wahrscheinlich nicht. Aber wahrscheinlich gehört der McDonald's um die Ecke dazu“, sagt er und lacht. Geboren in San Francisco, hat er die letzten Jahre in Los Angeles gelebt. Jetzt ist er zurück in seiner Heimatstadt, und glücklich darüber. Er hat das Haus, in dem seine Eltern leben, gekauft, renoviert es und baut im Keller sein eigenes Studio auf.
Was ist der wichtigste Ratschlag, den er je erhalten hat? Mr. Carmack denkt einen Moment nach. „Sei kein Arschloch!“ Er grinst. „Viele Leute nehmen eine gewisse Überlegenheit an, wenn sie halbwegs erfolgreich sind“, stellt er klar. „Zurück in San Francisco, in diesem Haus, fühle ich mich wieder wie auf Anfang. Mein Standpunkt ist: Sei immer bescheiden, sei immer offen, zu lernen.“ Für Mr. Carmack geht es vor allem um die Menschen, den Respekt, die Wertschätzung der Menschen um ihn herum.
Inmitten all dessen schreibt Mr. Carmack weiter Musik. Seine nächste Serie von Veröffentlichungen ist bereits geplant – eine Albumreihe namens „Deluge“, deren erster Teil Ende des Jahres erscheinen soll. „Meine Eltern sind Messies. Wenn ich eine der Türen in meinem Haus öffne, stehen dort Kisten über Kisten voller Zeug. Deluge wiederum spielt auf die Geschichte der Sintflut an, die Teil vieler Glaubenssysteme auf der ganzen Welt ist. Bei diesem Album geht es um die Idee, eine Flut auszulösen, alle Türen aufzumachen und Kisten auszupacken“, erklärt Mr. Carmack mit einem Lächeln. „Die Fluttore öffnen sich, und du wirst von einer Woge von Musik getroffen, eine Flut, der nicht aufhören will.“
Zum ersten Mal seit Tagen scheint die Sonne strahlend von einem bonbonblauen Himmel herab und taucht San Francisco und seine Bucht in helles Licht. Ihre entschlossenen Strahlen haben den hartnäckigen grauen Nebel, der die Metropole verhüllt hatte, vertrieben und die perfekten Bedingungen für diesen Septembersonntag geschaffen. Auf dem Dach des Cavaña, siebzehn Stockwerke über dem Boden, wiegen sich die Körper in den Lichtflecken der Sonne, Gläser klirren für einen frühen Tequila, und Beats schallen vom DJ-Pult, das auf der Dachterrasse aufgebaut ist. Hinter dem Mischpult steht kein Geringerer als Mr. Carmack, der EDM-Künstler, der die internationale DJ-Branche seit Jahren aufmischt.
„Ich habe schon als Kind angefangen, Musik zu machen“, verrät er zwei Tage später im Hinterhof seines Hauses in San Francisco. Vom Selfmade-Künstler und Produzenten in heimischen Studios bis hin zu Bühnen wie Coachella und Lollapaloosa hat der 35-jährige Künstler aus der Bay einen weiten Weg zurückgelegt. „Mein Vater ist Pianist und Sänger, und meine Mutter ist eine japanische Taiko-Trommlerin. Während der Schulzeit spielte ich in Bands, lernte verschiedene Instrumente und spielte Horn im Orchester“, erzählt er. Als Teenager begann er, Electronic Dance Music zu machen – lange bevor diese zum amerikanischen Mainstream gehörte. „Ich wurde durch meine älteren Cousins an elektronische und Techno-Musik herangeführt. Damals wurde man als schwul bezeichnet, wenn man so etwas hörte“, erinnert er sich mit einem Grinsen. „Doch dann eroberte sie den amerikanischen Markt.“
In seinen frühen Zwanzigern brach der junge Mr. Carmack das College ab, um seinen Traum als Künstler und DJ zu verfolgen. Seitdem hat er einen enormen Beitrag zur Verfeinerung des produktiven Genres geleistet. „Eine Zeit lang habe ich nur deshalb die Universität besucht, weil ich es meiner Familie recht machen wollte. Aber dann kam der Moment, in dem mir klar wurde, dass das nicht das ist, was ich mit meinem Leben machen will. Ich beschloss, mich voll und ganz der Musik zu widmen“, sagt Herr Carmack. Er brach sein Studium ab, arbeitete tagsüber in Restaurants und Bars und machte nachts Musik, um sich in der Musikindustrie hochzuarbeiten. „Das war eine aktive Entscheidung. Menschen sind einspurige Denker. Man muss das tun, wozu man bestimmt ist. Manchmal braucht es dazu eine gewisse Wahnvorstellung, bei der sich alle anderen fragen, was zum Teufel du überhaupt machst. Aber an einem bestimmten Punkt beginnt es, sich zu manifestieren. Und dann fangen die Leute an, dich zu erkennen.“
Von der Trompete zum Mischpult
Nach zwanzig Jahren des Musizierens und Aufnehmens von Musik bleibt Mr. Carmacks Stil jenseits der konventionellen Kategorien und deren Vereinfachungen. Während der Großteil seiner elektronischen Musik als Trap bezeichnet werden kann – eine Mischung aus elektronischer Tanzmusik und Hip-Hop – hat er auch instrumentale Live-Shows oder sogar Jazz-Versionen seiner elektronischen Musik gemacht. „Ich schreibe die ganze Zeit Musik, jeden Tag. Aber mich über Genres zu definieren, ist ein Problem. Man kann mich nicht auf eine Seite festnageln“, sinniert Mr. Carmack. Bei einer Carmack-Show erwarten die Fans oft seine härteren EDM-Beats – und werden stattdessen manchmal von einer Trompetenmelodie überrascht.
So wie sein vielseitiger Musikstil eine Ansammlung verschiedener Klänge und Genres ist, die sich klaren Grenzen und Begrenzungen entzieht, so ist auch seine Persönlichkeit ein Amalgam verschiedener Identitäten und Kulturen, die verschmelzen und ihn schließlich zu dem machen, der er ist – jemand, der an mehreren Orten zu Hause ist und der dies mühelos in seine Ausdrucksweise einfließen lassen kann. Mr. Carmack gehört ist Native American, denn seine Mutter ist zum Teil Tohono O'odham und zum Teil Filipino. Sein Vater wiederum ist gebürtiger Hawaiianer. Hat sein indigenes Erbe Einfluss darauf, wie er über Musik denkt und was sie bei den Menschen bewirken soll? „Ja und nein. Es ist Teil dessen, was ich bin, aber ich denke nicht ständig über meine Herkunft nach.“ Mr. Carmack betrachtet seine Musik nicht als besonders indigen – dennoch stehen seine Beats und Stile in ständigem Austausch mit all den verschiedenen Kulturen, die seine Identität und seine Persönlichkeit prägen.
In diesem Sinne ist Mr. Carmacks Musik auf der einen Seite nicht indigen – da sie nicht aktiv auf indigen Musiktraditionen zurückgreift – aber auf der anderen Seite doch, da sie von einem indigenen Musiker geschaffen wurde. Native beschreibt nicht nur eine Lokalität. „Viel wichtiger ist, dass es ein kultureller Begriff ist, der bedeutet, dass Musik in den Kanon gehört. Meine Musik könnte als Abkömmling der Shaker-Musik und der Powwow-Musik aus der Tradition der Native Americans verstanden werden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Beziehung stimmt, denn meine Musik ist eine Verschmelzung von vielerlei Dingen. Ich stamme von sieben Nationalitäten ab. Ich könnte sie unmöglich alle in der gleichen Intensität repräsentieren.“ Welche Zugehörigkeit seine Musik widerspiegelt, ist für Mr. Carmack aber auch gar nicht wichtig. „Meine Musik ist meine eigene“, sagt Mr. Carmack und lächelt. „Manche Leute halten mich für einen Schwarzen Menschen, manche für einen weißen, andere für einen Asiaten, manche sogar für einen Mexikaner.“ Er lacht. „Ich bin das Scharnier in der Mitte eines langen, langen Netzes von Identifikationen, die die Leute für sich selbst gefertigt haben.“ In Wahrheit ist seine Musik Ausdruck eines Multiversums von Identitäten und letztlich der Tatsache, dass Musik nicht auf eine dieser Kategorien angewiesen ist oder sich auf sie beschränkt. Und dass seine Geschichte nicht aus einem einzigen, sondern aus einer Fülle von Erzählungen besteht. „Ich mache einfach Musik, Mann“, lächelt Carmack. Und diese Musik ist alles auf einmal – sie verkörpert alles, woher er kommt, und alle Erzählungformen eingebettet in eine Geschichte, ein Spiegelbild der komplexen inneren Welt eines Künstlers.
Der Ausdruck zahlreicher Kulturen
Mr. Carmacks Familie ist philippinisch und hawaiianisch, chinesisch, indianisch und irisch. „Sie alle machen mich zu dem, was ich bin. Und natürlich bin ich Amerikaner. Ich bezeichne mich immer als Amerikaner. Doch schließt das auch meine Herkunft ein? Das Land, das früher einmal war? Wahrscheinlich nicht. Aber wahrscheinlich gehört der McDonald's um die Ecke dazu“, sagt er und lacht. Geboren in San Francisco, hat er die letzten Jahre in Los Angeles gelebt. Jetzt ist er zurück in seiner Heimatstadt, und glücklich darüber. Er hat das Haus, in dem seine Eltern leben, gekauft, renoviert es und baut im Keller sein eigenes Studio auf.
Was ist der wichtigste Ratschlag, den er je erhalten hat? Mr. Carmack denkt einen Moment nach. „Sei kein Arschloch!“ Er grinst. „Viele Leute nehmen eine gewisse Überlegenheit an, wenn sie halbwegs erfolgreich sind“, stellt er klar. „Zurück in San Francisco, in diesem Haus, fühle ich mich wieder wie auf Anfang. Mein Standpunkt ist: Sei immer bescheiden, sei immer offen, zu lernen.“ Für Mr. Carmack geht es vor allem um die Menschen, den Respekt, die Wertschätzung der Menschen um ihn herum.
Inmitten all dessen schreibt Mr. Carmack weiter Musik. Seine nächste Serie von Veröffentlichungen ist bereits geplant – eine Albumreihe namens „Deluge“, deren erster Teil Ende des Jahres erscheinen soll. „Meine Eltern sind Messies. Wenn ich eine der Türen in meinem Haus öffne, stehen dort Kisten über Kisten voller Zeug. Deluge wiederum spielt auf die Geschichte der Sintflut an, die Teil vieler Glaubenssysteme auf der ganzen Welt ist. Bei diesem Album geht es um die Idee, eine Flut auszulösen, alle Türen aufzumachen und Kisten auszupacken“, erklärt Mr. Carmack mit einem Lächeln. „Die Fluttore öffnen sich, und du wirst von einer Woge von Musik getroffen, eine Flut, der nicht aufhören will.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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