Vom Schiff, zur Bahn in die Kriege
Britisch-deutsche Eifersucht hatte in der Kolonialzeit Deutsch-Südwestfrikas (DSWA) dazu geführt, dass der natürliche Hafen von Walvis Bay in englischem Besitz an der Kuiseb-Mündung von der deutschen Behörde nur in Ausnahmefällen genutzt wurde. Unter gewaltigen Anstrengungen mit mehreren Rückschlägen baute die deutsche Kolonialmacht bis 1914 direkt nördlich der Swakop-Mündung daher alternative Hafenanlagen in die tosende Brandung hinein, die sich zuweilen mit ruhiger Dünung abwechselt. Heute verdankt die Stadt Swakopmund ihre Existenz und den Kern ihrer Freizeitanlagen selbigen Hafenstrukturen. Einheimische und Besucher flanieren hier gleichermaßen.
Soldaten, Pferde, Dromedare
Als der Autor Hans Hilpisch in extensivem Quellenstudium dem eigentlichen Thema nachgegangen ist, nämlich der Geschichte der Woermann-Linie „als Lebensader Deutsch-Südwestafrikas“ und ihrer Reeder, ist daraus gleichzeitig eine spannende Schilderung der Entwicklung und des Ausbaus der Swakopmunder und Lüderitzbuchter Häfen entstanden, wobei das Haus Woermann eine wesentliche Rolle spielte, zusätzlich mit der Beschreibung des „doppelten“ Bahnbaus durch die Namib ins Landesinnere, Staatsbahn und Otavi-Bahn. Der Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904 – 1907 hat an die damalige Schiff-Fahrt enorme Anforderungen gestellt, die von der Woermann-Linie und ihrer Handelsflotte hauptsächlich unter vertraglicher Verpflichtung der Reichsregierung erfüllt wurden. Mit 130 Transporten in den Jahren 1904 bis 1907 hat die Linie 20 051 Mann und 15 005 Pferde nach DSWA befördert. Für Lüderitzbucht musste die Linie Trinkwasser aus Kapstadt beschaffen, wobei für den Eigenbedarf bereits allein 500 Tonnen im Monat erforderlich waren.
Die Wissenschaftliche Gesellschaft in Swakopmund bewahrt u. A. Fotos von Pferden auf, die von den Leichtern in die Brandung springen, um ans Namibufer zu gelangen. Die aufschlussreiche Schilderung der Transporte, der dazugehörigen umfangreichen Statistiken und der Herrichtung der Schiffe für den massiven Pferdetransport sollte noch durch eine Beschreibung ergänzt werden, wie die Kameltransporte für die Schutztruppe abgelaufen sind. Ein historisches Foto dokumentiert, wie in Lüderitzbucht Dromedare von einem Floß an Land gebracht werden. Kamelreiter haben bei einer Windhoeker Ausstellung ihre Reitkunst demonstriert. Die südafrikanische Mandatsmacht hat nach dem 1. Weltkrieg im damaligen Südwestafrika noch bis Anfang der dreißiger Jahre Kamele, bzw. Dromedare auf Polizeipatrouillen eingesetzt.
Schiffe auf der Reede
Hilpisch verfolgt die Geschichte der Woermann-Linie über zwei Generationen von Reedern mit gleichem Namen hinweg, angefangen bei Carl Woermann, 1837, und mit Adolph Woermann bis zum 1. Weltkrieg, als die riesige Handelsflotte der Reederei ersatzlos leichte Beute, Kriegsgewinn, der Briten und Franzosen wurde. Die „Lulu Bohlen“ war das erste reguläre Linienschiff, das am 26. April 1898 ab Hamburg die Fahrt nach Swakopmund angetreten hat, wo es am 28. Mai selbigen Jahres eintraf.
Der Autor behandelt die unentbehrliche Rolle der Kru-Boys (früher Kru-Neger genannt), die allein in Swakopmund zuweilen 500 bis 600 Mann zählten. Als spezialisierte Kräfte waren sie an der afrikanischen Westküste rekrutiert worden, hauptsächlich Liberia, wo die Reederei schon länger Häfen angelaufen hatte. Die Kru-Boys haben es unter lebensgefährlichem Einsatz verstanden, auf Landungsbooten Frachtgut von den auf Reede liegenden Schiffen vor Swakopmund durch die Brandung ans Ufer zu bringen. Die Woermann-Linie beschäftigte in Swakopmund während der Kolonialkriege über 1 000 schwarze und weiße Kräfte.
Zur Geschichte der Woermann-Linie in Namibia gehört der Einsatz kriegsgefangener Herero, die in Swakopmund arbeiten mussten, sowie am Bau der Bahnverbindung im Inland eingesetzt wurden, der im Falle der Otavi-Bahn von der Firma Koppel ausgeführt wurde. Der Leser erfährt hier manch aufschlussreiches Detail, zum Beispiel – vor Abschluss des Bahnbaus - die extrem hohen Kosten des aufreibenden, früheren Ochsenwagentransports durch die Namib: Abgesehen von den Ochsenverlusten mussten 75 Prozent des Nutzgewichts der Fracht an das Zugvieh verfüttert werden.
Der Kolonialkrieg verlieh dem Bahnbau in Nord und Süd zusätzlich zum volkswirtschaftlichen Ansporn noch strategische Motivierung. Hilpisch bringt den umstrittenen Einsatz kriegsgefangener Herero zur Sprache, von denen 1 128 an der Otavi-Strecke und 1 302 an der Südbahn arbeiteten. Bei den Reparationsforderungen, mit denen die verstorbenen Herero-Chefs Kuaima Riruako und Vekuii Reinhard Ruloro in den USA mehrfach vor Gericht gezogen sind, wird der Arbeitseinsatz gefangener Herero mit dem Genozid-Anliegen verbunden. Die Lager- und Arbeiterziffern werden in polemischen Schriften anderer Historiker generell nicht genannt, aber hier von Hilpisch belegt, mit kurzem Hinweis auf die Beurteilung der Lagerverhältnisse von Seiten einiger Zeitgenossen.
Zielscheibe zur Kritik
Ein längeres Kapitel widmet der Autor der Kontroverse, in die der Reeder Adolph Woermann geraten war, als ihn aus dem Reichstag der Vorwurf traf, die Reichsregierung „übervorteilt“ zu haben, was seine Gegner noch zur Betitelung „Kriegsgewinnler“ verleitete, derweil Woermanns großer Konkurrent, später auch Geschäftspartner Albert Ballin und andere seinen Ruf hingegen eher verteidigt haben.
Der Autor schließt den aufschlussreichen Band mit der Schilderung des Diktats von Versailles, hier vor allem die Verluste der Woermann-Linie: Die Siegermächte erbeuteten „neben der gesamten Handelsflotte auch alle Reparaturanlagen, Gebäude und Grundstücke in Afrika“. The winner takes it all.
In Namibia ist aus dem Niedergang die heutige Ladenkette Woermann Brock hervorgegangen. Die historische Darstellung der Reederei ist ein bedeutsames Kapitel namibischer Landesgeschichte.
Eberhard Hofmann
Soldaten, Pferde, Dromedare
Als der Autor Hans Hilpisch in extensivem Quellenstudium dem eigentlichen Thema nachgegangen ist, nämlich der Geschichte der Woermann-Linie „als Lebensader Deutsch-Südwestafrikas“ und ihrer Reeder, ist daraus gleichzeitig eine spannende Schilderung der Entwicklung und des Ausbaus der Swakopmunder und Lüderitzbuchter Häfen entstanden, wobei das Haus Woermann eine wesentliche Rolle spielte, zusätzlich mit der Beschreibung des „doppelten“ Bahnbaus durch die Namib ins Landesinnere, Staatsbahn und Otavi-Bahn. Der Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904 – 1907 hat an die damalige Schiff-Fahrt enorme Anforderungen gestellt, die von der Woermann-Linie und ihrer Handelsflotte hauptsächlich unter vertraglicher Verpflichtung der Reichsregierung erfüllt wurden. Mit 130 Transporten in den Jahren 1904 bis 1907 hat die Linie 20 051 Mann und 15 005 Pferde nach DSWA befördert. Für Lüderitzbucht musste die Linie Trinkwasser aus Kapstadt beschaffen, wobei für den Eigenbedarf bereits allein 500 Tonnen im Monat erforderlich waren.
Die Wissenschaftliche Gesellschaft in Swakopmund bewahrt u. A. Fotos von Pferden auf, die von den Leichtern in die Brandung springen, um ans Namibufer zu gelangen. Die aufschlussreiche Schilderung der Transporte, der dazugehörigen umfangreichen Statistiken und der Herrichtung der Schiffe für den massiven Pferdetransport sollte noch durch eine Beschreibung ergänzt werden, wie die Kameltransporte für die Schutztruppe abgelaufen sind. Ein historisches Foto dokumentiert, wie in Lüderitzbucht Dromedare von einem Floß an Land gebracht werden. Kamelreiter haben bei einer Windhoeker Ausstellung ihre Reitkunst demonstriert. Die südafrikanische Mandatsmacht hat nach dem 1. Weltkrieg im damaligen Südwestafrika noch bis Anfang der dreißiger Jahre Kamele, bzw. Dromedare auf Polizeipatrouillen eingesetzt.
Schiffe auf der Reede
Hilpisch verfolgt die Geschichte der Woermann-Linie über zwei Generationen von Reedern mit gleichem Namen hinweg, angefangen bei Carl Woermann, 1837, und mit Adolph Woermann bis zum 1. Weltkrieg, als die riesige Handelsflotte der Reederei ersatzlos leichte Beute, Kriegsgewinn, der Briten und Franzosen wurde. Die „Lulu Bohlen“ war das erste reguläre Linienschiff, das am 26. April 1898 ab Hamburg die Fahrt nach Swakopmund angetreten hat, wo es am 28. Mai selbigen Jahres eintraf.
Der Autor behandelt die unentbehrliche Rolle der Kru-Boys (früher Kru-Neger genannt), die allein in Swakopmund zuweilen 500 bis 600 Mann zählten. Als spezialisierte Kräfte waren sie an der afrikanischen Westküste rekrutiert worden, hauptsächlich Liberia, wo die Reederei schon länger Häfen angelaufen hatte. Die Kru-Boys haben es unter lebensgefährlichem Einsatz verstanden, auf Landungsbooten Frachtgut von den auf Reede liegenden Schiffen vor Swakopmund durch die Brandung ans Ufer zu bringen. Die Woermann-Linie beschäftigte in Swakopmund während der Kolonialkriege über 1 000 schwarze und weiße Kräfte.
Zur Geschichte der Woermann-Linie in Namibia gehört der Einsatz kriegsgefangener Herero, die in Swakopmund arbeiten mussten, sowie am Bau der Bahnverbindung im Inland eingesetzt wurden, der im Falle der Otavi-Bahn von der Firma Koppel ausgeführt wurde. Der Leser erfährt hier manch aufschlussreiches Detail, zum Beispiel – vor Abschluss des Bahnbaus - die extrem hohen Kosten des aufreibenden, früheren Ochsenwagentransports durch die Namib: Abgesehen von den Ochsenverlusten mussten 75 Prozent des Nutzgewichts der Fracht an das Zugvieh verfüttert werden.
Der Kolonialkrieg verlieh dem Bahnbau in Nord und Süd zusätzlich zum volkswirtschaftlichen Ansporn noch strategische Motivierung. Hilpisch bringt den umstrittenen Einsatz kriegsgefangener Herero zur Sprache, von denen 1 128 an der Otavi-Strecke und 1 302 an der Südbahn arbeiteten. Bei den Reparationsforderungen, mit denen die verstorbenen Herero-Chefs Kuaima Riruako und Vekuii Reinhard Ruloro in den USA mehrfach vor Gericht gezogen sind, wird der Arbeitseinsatz gefangener Herero mit dem Genozid-Anliegen verbunden. Die Lager- und Arbeiterziffern werden in polemischen Schriften anderer Historiker generell nicht genannt, aber hier von Hilpisch belegt, mit kurzem Hinweis auf die Beurteilung der Lagerverhältnisse von Seiten einiger Zeitgenossen.
Zielscheibe zur Kritik
Ein längeres Kapitel widmet der Autor der Kontroverse, in die der Reeder Adolph Woermann geraten war, als ihn aus dem Reichstag der Vorwurf traf, die Reichsregierung „übervorteilt“ zu haben, was seine Gegner noch zur Betitelung „Kriegsgewinnler“ verleitete, derweil Woermanns großer Konkurrent, später auch Geschäftspartner Albert Ballin und andere seinen Ruf hingegen eher verteidigt haben.
Der Autor schließt den aufschlussreichen Band mit der Schilderung des Diktats von Versailles, hier vor allem die Verluste der Woermann-Linie: Die Siegermächte erbeuteten „neben der gesamten Handelsflotte auch alle Reparaturanlagen, Gebäude und Grundstücke in Afrika“. The winner takes it all.
In Namibia ist aus dem Niedergang die heutige Ladenkette Woermann Brock hervorgegangen. Die historische Darstellung der Reederei ist ein bedeutsames Kapitel namibischer Landesgeschichte.
Eberhard Hofmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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