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Zwei Kluften hat ein Wandergeselle, eine für die Arbeit, eine für das Wandern. Dazu gehören Cord-Hose mit Schlag, altmodischer Hut, schickes Jacket und goldener Ohrring. FOTO: Kevin Santy
Zwei Kluften hat ein Wandergeselle, eine für die Arbeit, eine für das Wandern. Dazu gehören Cord-Hose mit Schlag, altmodischer Hut, schickes Jacket und goldener Ohrring. FOTO: Kevin Santy

Wanderlust durch Afrikas Baustellen

Deutsche Handwerker bewahren Wandertradition
Während „Work and Travel" für viele junge Leute ein modernes Konzept zur Selbstfindung nach der Schule ist, wandern deutsche Zimmerer, Steinmetze und sonstige Handwerker schon seit Jahrhunderten mit kaum Gepäck von Arbeit zu Arbeit.
Von Kevin Santy SWAKOPMUND
Sie ist schon ein besonderer Auftritt, die Kluft der beiden jungen Zimmerleute auf der Walz. ,,Seid ihr Zauberer?", werden sie vielleicht fragen. ,,Warum seid ihr denn so angezogen?" Matthias und Andreas, die aufgeschlossenen Zimmerer, erklären es gern. In einigen Handwerksberufen ist es Tradition, dass die frischgebackenen Gesellen nach erfolgreichem Abschluss der Lehre die Walz, Tippelei oder Wanderschaft, wie sie in Deutschland genannt wird, absolvieren. Es handelt sich um eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die Meister, die ihren Lehrlingen ihr Handwerk beibrachten, wollten nicht, dass ihre Schüler gleich die nächste Konkurrenz im Dorf wurden, und die Lehrlinge wollten die Welt sehen und weitere Erfahrungen in anderen Unternehmen sammeln. So verließ der Lehrling seine Stadt, um von Betrieb zu Betrieb zu reisen, zu arbeiten und zu lernen. Um auf Walz zu gehen, müssen allerdings einige Regeln beachtet werden. Die Lehre muss man schon beendet haben. Man sollte aber jünger als 30 sein, keine Frau und keine Kinder haben und nicht vorbestraft sein. Gute Manieren sind ebenfalls wichtig, denn sie sind auf das Entgegenkommen der Menschen angewiesen, die ihnen helfen. Und der nächste im Club der Kluft soll auch noch willkommen sein. Als Wandergeselle erkennbar zu sein, ist jedoch hilfreich. Die Kluft dient häufig als Gesprächsanlass. Im deutschsprachigen Europa, wo die beiden ihr erstes Jahr der Walz verbringen mussten, kennen viele Menschen das Aussehen der Uniformen und bieten automatisch eine schnelle Mitfahrgelegenheit, ein kühles Getränk oder eine warme Mahlzeit an. Festen Wohnsitz, Handy oder Auto hat man per Regelbuch schließlich nicht. In Namibia, wo Matthias und Andreas vor etwas mehr als einem Monat ankamen, hatten sie in der Tat häufige Begegnungen mit deutschsprachigen Namibiern, die die Tradition kannten, aber auch darüber hinaus. ,,Nein, es war überhaupt nicht schwierig, hier Arbeit zu finden", sagen die beiden. ,,Die Leute sind neugierig, wenn sie uns sehen. Sie sprechen uns an, und vielen gefällt, was wir machen, und sie wollen uns dann helfen." Die größte Hilfe für einen Wanderer ist jedoch nicht das kostenlose Essen oder Trinken. Das bringt Freude, ist aber nicht der Zweck des Ganzen. Was sie brauchen, ist Arbeit. Sei es ein Unternehmen ihrer Branche oder eine Privatperson die Hilfe benötigt. ,,Arbeit wird immer gebraucht", sagt Andreas. Noch nie hatten sie in Deutschland, Dänemark oder Namibia Probleme, einen neuen Job zu finden. Die Bezahlung ist nicht das Entscheidende. Es ist die Erfahrung. ,,Das Ziel ist eigentlich, mit 0 € von zu Hause wegzugehen und mit 0 € zurückzukommen. Man sucht nur Geld für die Reise", erklärt Matthias. Für Matthias ist es besonders wichtig, im Moment zu leben. Er sagt, dass er in seinen ersten sechs Monaten auf der Straße 58 Städte besucht hat. Die längste Zeit, die er an einem Ort verbracht hat, waren sieben Wochen, normalerweise sind die Aufenthalte aber kürzer. Insgesamt ist er seit einem Jahr und zwei Monaten unterwegs, während Andreas seit einem Jahr und acht Monaten unterwegs ist. Natürlich waren sie nicht immer zusammen unterwegs. Aber mit all den Kontakten, die man unterwegs knüpft, lernt man viele Leute kennen, denen man sich anschließen kann, so lange man will. Einsamkeit gehört nicht zum Vokabular der Walz. Solidarität schon. Nach der Walz bleibt man Teil der Wanderer-Gemeinschaft. Die ,,Vereinigung der rechtschaffenden fremden Zimmer- und Schieferdeckergesellen", ein rein männlicher Zusammenschluss, trifft sich regelmäßig und dient als Drehscheibe für Vernetzung und Wissensaustausch. Frauen müssen sich jedoch nach anderen Organisationen umsehen. Dennoch ist die Walz nicht für jeden etwas. Der erste Monat, so Matthias, sei eine Zeit, in der man sich erst einmal selbst erforscht. Viel Vorbereitung ist nicht nötig, aber Nervosität gehört zur Geschichte des Protagonisten dazu. Manchmal fühlt man sich vielleicht sogar niedergeschlagen, vor allem wenn es kalt und regnerisch ist und man kein Bett findet. Aufgeben war aber nie eine Option, nicht einmal ein Gedanke. Die Überwindung von Herausforderungen ist der Sinn der Sache und schafft positive Erinnerungen. Wenn jemand zu ängstlich, instabil oder in einer Beziehung zu Hause verhaftet zu sein scheint, können die älteren Gesellen mit ihm darüber sprechen, ob eine Reise auf die Walz wirklich zu seiner Situation passt. Letztlich ist es aber eine Reise, die man für sich selbst macht.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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