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30000 Schritte in einem Paar Schuhe

Praktikant WAZon

Von Benjamin Schaller, Swakopmund


Auf Herbert Schiers Schreibtisch liegt die Zeichnung eines Maulkorbs. Die Seiten sind akkurat abgemessen, es scheint, als warte der Entwurf nur darauf, in die Tat umgesetzt zu werden. „Das liegt hier seit zwei Wochen. Ich komme momentan nicht dazu, bin immer auf Achse“, so der in Swakopmund geborene und aufgewachsene Schier, Inhaber des Geschäfts African Leather Creations. Neben Sonderwünschen wie jenem Maulkorb fertigt er üblicherweise Lederwaren wie Geldbörsen oder Schlüsselanhänger an. Sein bekanntestes Produkt ist jedoch der „Veldskoen“, ein von der afrikaansen Bevölkerung im 19. Jahrhundert entwickelter Schuh aus Kuduleder.


Die Arbeit mit Leder wurde Herbert Schier quasi in die Kinderwiege gelegt. Sein Großvater war Gerber in Hamburg, Schiers Vater wanderte 1938 aus Deutschland aus und arbeitete bei einem Unternehmen, dass Robbenhäute konservierte. Fünf Jahre später gründete der Vater eine eigene Gerberei in Swakopmund, die an der Ecke Otavistraße und Leutweinstraße zu finden war. Herbert Schier erinnert sich an seine Kindheit, wie er in den vom Ostwind angewehten Wüstendünen hinter der Gerberei mit Freunden spielte. Später absolvierte er seine Ausbildung im Familienbetrieb, zudem besuchte er in den 70er Jahren eine Gerbereischule im deutschen Reutlingen.


Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1980 übernahm Herbert Schier die Gerberei und führte sie weiter. Es entwickelte sich ein vielseitiges Unternehmen, das unter anderem auch Pelzfälle oder Reptilienhaut gerbte. In dieser Phase entstand auch der Wunsch, ein eigenes Endprodukt zu produzieren. Die Wahl fiel auf den Veldskoen. „Es ist ein sehr einfacher Schuh. Vorderteil, Rückenteil, links und rechts drei Ösen, in der Mitte zusammengesetzt, fertig“, erläutert Schier. Er gibt sich realistisch und sagt, der Schuh könne vom Design her nicht mit den Produkten im internationalen Großhandel mithalten. Es sei der Tragekomfort, der die Kunden überzeuge, die im Übrigen hauptsächlich einheimische Swakopmunder und eher selten Touristen seien. Um sich der Qualität seines Produkts zu vergewissern, betätigt sich Schier auch selbst regelmäßig als Produkttester. „Ich bin mit dem Schuh 30000 Schritte zum Brandberg gewandert, zehn Stunden lang, und habe nicht geschwitzt“, erzählt Schier.


Als Material wird die Haut des Kudus verwendet. „Kuduleder ist ein gutes Material, es hat schöne, feine Narben. Von den Eigenschaften und der Beschaffenheit her ähnelt es Kalbsleder“, vergleich Herbert Schier. „Prinzipiell ist bei Leder natürlich zu sagen, dass je älter ein Tier ist, desto mehr Fehler die Haut hat.“


Einige Exemplare seines Veldskoen verkauft Schier auch an den namibischen und südafrikanischen Großhandel. In großem Stil sei dies jedoch allein schon logistisch schwierig. „Wir sind eine kleine Werkstatt, insgesamt beschäftige ich neun Personen. Pro Tag produzieren wir etwa 40 Schuhe.“ Des Weiteren sei problematisch, dass einige Kunden Schuhe auf Verdacht kaufen und dann umtauschen möchten. „Prinzipiell kann ich bei Leder nur empfehlen, die Schuhe eher etwas kleiner als zu groß zu kaufen. Leder ist ein anpassungsfähiges Material. Es gibt da nach, wo es nachgeben soll“, erklärt Schier.


Inzwischen konzentriert er sich ausschließlich auf die Produktion und den Verkauf der Endprodukte. Die eigene Gerberei gab Schier vor zehn Jahren auf, mittlerweile bekommt er sein Leder aus der Gerberei in Windhoek. Dem neu gegründeten Unternehmen gab er den Namen African Leather Creations – eine Entscheidung, die er heute bereut. „Ich hätte bei dem traditionellen Namen unseres Familienunternehmens bleiben sollen, die ,Tannery´. Noch heute sprechen mich die Leute teilweise als ,Mr. Tannery´ an. Aus heutiger Sicht war es ein Fehler“, räumt Schier ein.


Dass die Arbeit mit Lederwaren auch von der nächsten Generation in der Familie fortgeführt wird, ist unwahrscheinlich, denn beide Kinder von Herbert Schier entschieden sich für andere Berufswege. Die Suche nach einem Nachfolger gestaltet sich bislang schwierig. „Das sind übliche Probleme für Handwerksbetriebe im Nischenbereich. Ich brauche jemanden, der auch mit anpacken kann.“ Der 64-jährige Schier, der auch im kulturellen Leben Swakopmunds sehr aktiv ist, sieht aufgrund seiner guten persönlichen Verfassung seine Felle jedoch noch nicht davonschwimmen – ein Sprichwort übrigens, das seinen Ursprung in der Gerberei hat. „Bevor die Felle in einer Lohe aus Rindenextrakt gegerbt wurden, fand die vorbereitende Enthaarung in Flüssen statt. Wenn die Flut kam, waren die Felle dann einfach schnell mal weg“, so Herbert Schier über den sprachlichen Einfluss seines Berufsstandes. „Derjenige, der diese Gerbbrühe vorbereitet hat, war übrigens der Lohmann oder Lohmeier. Es gibt in Swakopmund zwei Familien mit diesen Namen, denen habe ich schon einmal erklärt, woher sie eigentlich kommen.“


Eben jener Gerbstoff aus Eichenrinde ist verantwortlich für die braune Farbe, mit der Leder gemeinhin assoziiert wird. „Das eigentlich weiße Leder verfärbt sich zunächst in ein leichtes Hellbraun. Durch das Sonnenlicht verdunkelt es sich letztlich weiter.! Bis Herbert Schier all sein berufliches Detailwissen an einen möglichen Nachfolger weitergeben kann, wird ihn die Produktion weiterer Schuhe, Schlüsselanhänger oder Geldbörsen weiterhin auf Trab halten. Und sollte sich hin und wieder doch eine Pause ergeben, liegt ja noch die Zeichnung des Maulkorbs parat.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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